OGH 13Os63/93

OGH13Os63/9328.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Juli 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Massauer, Dr.Markel und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hatvagner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef V* und Beatrix B* wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach den §§ 83 Abs 1 und 86 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Beatrix B* sowie die Berufung des Angeklagten Josef V* gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7.Dezember 1992, GZ 1 c Vr 6.993/92‑48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00063.9300000.0728.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das bezüglich des Angeklagten Josef V* unberührt bleibt, in Ansehung der Angeklagten Beatrix B* aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte Beatrix B* auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Josef V* werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Josef V* und Beatrix B* des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach den §§ 83 Abs 1, 86 StGB schuldig erkannt. Josef V* wurde zu 4 Jahren Freiheitsstrafe, Beatrix B* zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von 3 Jahren, 11 Monaten und 2 Wochen verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben sie in der Nacht zum 10.Juni 1992 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Beteiligte (gemeint: als Mittäter) dem Günter S* durch Versetzen zahlreicher Faustschläge und Fußtritte gegen den Kopf, den Hals, den Brustkorb und die Arme eine mehrfache Zerreißung der Milz, einen Nasenbeinbruch, Serienrippenbrüche, zahlreiche Blutunterlaufungen und Schürfungen sowie eine Blutung in der Schädelhöhle zugefügt, wobei die Tat den Tod des Günter S* zur Folge hatte.

 

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft nur die Angeklagte Beatrix B* mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 5 und 9 lit b, den Ausspruch über die Vorhaftanrechnung aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO. Den übrigen Strafausspruch ficht sie, ebenso wie der Angeklagte Josef V* den ihn betreffenden, mit Berufung an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Beatrix B* ist begründet.

Die für die Zurechnung der Todesfolge in erster Linie entscheidende Feststellung (US 4 und 6), daß Beatrix B* mit Josef V* im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit Verletzungsvorsatz gegen Günter S* tätlich vorgegangen ist, erschloß das Erstgericht daraus, daß Beatrix B* dem Günter S* "auch" Schläge bzw. Fußtritte versetzte (US 4), also an diesen "auch" Hand angelegt hat (US 5). Die Feststellung dieser tatsächlichen Prämissen für seine Schlußfolgerung begründete das Erstgericht vor allem mit der eigenen Darstellung der Angeklagten B* vor der Polizei (US 5), wonach sie dem auf dem Boden liegenden Günter S* mit dem rechten Fuß zwei‑ oder dreimal auf das "Hinterteil" getreten habe (S 77/I). Ersichtlich stützte sich der Schöffensenat aber auch auf die Aussage der Beschwerdeführerin vor dem Untersuchungsrichter, wonach sie einmal mit dem Fuß gegen das Gesäß des auf dem Boden Liegenden gestoßen habe (S 261 verso und 261 b/I). Diese Version bestätigte sie sogar noch in der Hauptverhandlung durch Kopfnicken (S 18/II), widerrief sie aber ‑ wie sie übrigens auch ihre obzitierten Aussagen im Vorverfahren schon jeweils unmittelbar danach in der selben Vernehmung widerrufen hatte ‑ sofort wieder, stellte jegliche Tätlichkeit entschieden in Abrede und begründete ihre gegenteiligen Angaben damit, daß sie dem Angeklagten Josef V* "helfen wollte, daß nicht die ganze Schuld bei ihm liegt" (S 17, 18/II). Der Angeklagte Josef V* seinerseits hat die Beschwerdeführerin niemals belastet und die Tat allein auf sich genommen (S 72, 257 b/I, 13, 14/II).

Daß der Schöffensenat dennoch Tätlichkeiten auch der Beschwerdeführerin als erwiesen angenommen hat, kann als Akt freier Beweiswürdigung nicht bekämpft werden. Allerdings ergibt sich aus allen vom Erstgericht als glaubwürdig beurteilten für sie nachteiligen Darstellungen der Angeklagten Beatrix B*, daß sie erst auf Günter S* hingetreten hat, als dieser nach den "brutalsten" (US 4) Mißhandlungen durch den Angeklagten Josef V* schon wehrlos auf dem Boden lag, und in keiner ihrer dem Schuldspruch zugrunde gelegten Aussagen hat die Beschwerdeführerin bekundet, daß Josef V* gleichzeitig mit ihr und/oder danach seine Tätlichkeiten fortgesetzt hätte.

Nun kann zwar ein gemeinsamer Verletzungs‑ oder Mißhandlungsvorsatz auch spontan gefaßt werden (vgl. Leukauf‑Steininger Komm3 § 12 RN 23), doch kann er, wenn ‑ wie hier ‑ jeder andere Anhaltspunkt für ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken mehrerer an einem Verletzungsdelikt fehlt, nur aus gleichzeitigen oder abwechselnden Tätlichkeiten erschlossen werden. Gerade dies ist aber den zitierten Aussagen der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen, vielmehr hat sie darnach erst auf das Opfer hingetreten, nachdem der Angeklagte Josef V* seine Mißhandlungen bereits beendet hatte. In ihrer Darstellung fehlt auch jeder Hinweis darauf, daß sie schon während der Tätlichkeiten des V* den Vorsatz gefaßt hätte, den bereits bewirkten Verletzungserfolg durch ihr tätliches Eingreifen noch zu verstärken.

Die Feststellung über einen gemeinsamen Verletzungsvorsatz (S 47/II = US 6) ist daher ‑ wie in der Beschwerde mit Recht gerügt wird ‑ mit den vom Erstgericht dafür herangezogenen Aussagen der Angeklagten Beatrix B* offenbar unzureichend begründet worden. Ein gemeinsamer (auf Verletzung oder Mißhandlung gerichteter) Vorsatz ist aber Voraussetzung dafür, daß der Beschwerdeführerin auch die Todesfolge im Sinne der §§ 7 Abs 2, 86 StGB zugerechnet werden kann (vgl. Leukauf‑Steininger Komm3 § 86 RN 8).

Der aufgezeigte Begründungsmangel betrifft somit eine entscheidende Tatsache und macht ‑ ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre ‑ die Kassierung des Ersturteiles in Ansehung der Angeklagten Beatrix B* unumgänglich (§ 285 e StPO).

Damit ist die Berufung der Beschwerdeführerin gegenstandslos, während über die Berufung des Angeklagten Josef V* das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben wird (§ 285 i StPO).

 

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