OGH 6Ob583/93

OGH6Ob583/938.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Eva H*****, vertreten durch Dr.Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei L***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Otto Trenks, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 187.402,81 samt Anhang (Revisionsinteresse S 134.200,81) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 27.Mai 1992, GZ 3 R 99/92-26, womit das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 31.Jänner 1992, GZ 8 Cg 54/91-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird, soweit es nicht mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist, somit in seinem der Klage stattgebenden Teil aufgehoben und dem Berufungsgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte von der beklagten Partei Schadenersatz in Höhe von S 187.402,81 samt Anhang mit dem Vorbringen, im Frühjahr 1990 sei im Behandlungsraum ihrer Zahnarztpraxis ein Wasserschaden im Fußboden aufgetreten. Der Unterboden sei saniert und ausgebessert worden, darauf seien Homogenplatten verlegt, diese mit einem Anstrich versehen und gespachtelt und darauf PVC-Fliesen verlegt und verschweißt worden. Nach Abschluß dieser Arbeiten sei die beklagte Partei mit der Reinigung des Fußbodens beauftragt worden. Die beklagte Partei habe die Reinigung mit einem Gerät unter Verwendung einer großen Wassermenge durchgeführt. Dadurch sei Reinigungswasser im Bereich eines Anrichteschranksockels in großer Menge in die Unterkonstruktion des Fußbodens eingedrungen, weil die schwimmend verlegte Spanplatte durch die Belastung im Zuge der Reinigungsarbeiten nach unten nachgegeben habe und dadurch ein Eindringen des Wassers unter die PVC-Sockelleiste möglich gewesen sei. Durch das eindringende Wasser sei eine Aufwölbung des Fußbodens und Durchnässung erfolgt, welche eine Erneuerung notwendig gemacht hätten. Die beklagte Partei und ihre Mitarbeiter hätten aufgrund der erkennbaren Schwingungen des Fußbodens erkennen müssen, daß eine Gefahr oder erhöhte Gefahr des Wassereintrittes gegeben sei. Durch sorgfältige Durchführung der Reinigung hätte der Wassereintritt und der Schaden vermieden werden können. Schaden und Schadensursache seien in einem Beweissicherungsverfahren festgestellt worden. Die beklagte Partei hafte, weil sie die undichte Stelle im Fußboden als Fachmann hätte erkennen können und die Art der Reinigung danach einzurichten gehabt hätte. Die neuerliche Schadensbehebung habe einen Betrag von S 94.500,81 erfordert. Durch die notwendige Schließung der Zahnarztpraxis während der Reparaturarbeiten habe die Klägerin einen Gewinnentgang von S 39.700,-- erlitten, an frustrierten Aufwendungen für Fixkosten begehrte sie S 53.200,--. Die Kosten der Beweissicherung (in der Kostennote geltend gemacht) hätten S 50.176,80 betragen.

Die beklagte Partei wandte ein, sie habe die Reinigungsarbeiten ordnungsgemäß durchgeführt. Es fehle am Kausalzusammenhang zwischen den Arbeiten der beklagten Partei und dem Wassereintritt. Dieser sei auf eine mangelhafte Unterbodenkonstruktion oder eine andere Schadensverursachung, etwa durch händische Reinigung des Fußbodens durch eine Bedienerin, nicht aber auf die Tätigkeit der beklagten Partei zurückzuführen. Auch das Sachverständigengutachten im Beweissicherungsverfahren habe nur eine wahrscheinliche Ursache des Wasserschadens aufzeigen können, nicht aber einen tatsächlichen Nachweis der Kausalität. Bodenschwingungen seien nicht erkennbar gewesen. Es fehle an jeglichem Verschulden seitens der Beklagten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende (zum Teil auch in der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung enthaltene) wesentliche Feststellungen:

Nach Eintritt eines Wasserschadens im Fußboden des Ordinationsraumes der Klägerin wurde der alte Fußbodenbelag entfernt. Auf den darunter befindlichen alten Holzboden, der mit einem Linoleumbelag versehen war, wurden durch die Fußbodenfirma neue Spanplatten und darauf PVC-Fliesen verlegt und diese verschweißt. Vor Durchführung dieser Arbeiten wurden alle Einrichtungsgegenstände aus dem Raum entfernt; ausgenommen wurde ein L-förmiger in die Raummitte ragender eingebauter Anrichteschrank, um die Kosten des Aus- und Wiedereinbaues zu sparen. Der Sockel dieses Schrankes wurde auf dem alten Belag belassen. An diesen wurde eine neue Spanplatte angearbeitet. Darauf wurden die neuen PVC-Fliesen verschweißt, sodaß sich im Verlauf des Sockels des Schrankes eine senkrechte Fuge zur neuen angearbeiteten Spanplatte samt PVC-Belag ergab. Der neue Belag wurde zu den Wänden und zum Sockel des Schrankes hin mit PVC-Sockelleisten abgeschlossen, sodaß die vorhandene Fuge nicht erkennbar war. Die Sockelleisten wurden nach den Regeln der Technik an den Wänden und am Schranksockel, nicht aber an der Bodenfläche (also mit dem PVC-Belag) verklebt. Die erforderliche Dichtheit für eine übliche Naßreinigung wird durch einen nach unten abgewinkelten Dichtungsschenkel der PVC-Sockelleiste erreicht.

Am 28.3.1990 nahm die beklagte Partei die Grundreinigung des neuen Fußbodens vor. Von der Verlegerfirma, die den Auftrag vermittelt hatte, wurde der beklagten Partei bekanntgegeben, daß es sich um einen neu verlegten Fußboden mit PVC-Belag handle. Ein Angestellter der beklagten Partei besichtigte vor Anbotstellung die Ordination der Klägerin. Beim Betreten anläßlich der Besichtigung und auch während der Kontrolle der Arbeiten fiel ihm nicht auf, daß der Boden bei Betreten nachgibt. Er bemerkte bei der oberflächlichen Besichtigung (gemeint ist bei der Besichtigung der Oberfläche) des PVC-Bodens keine undichten Stellen und ging davon aus, daß es bei der Reinigung keine Probleme geben könne. Die Naßreinigung erfolgte mit einer Reinigungsmaschine (Einscheibenmaschine mit Wassertank) und einem Wasserabsauger, welcher das von der Maschine aufgebrachte Wasser-Schaumgemisch wieder absaugt. Die Reinigungsmaschine hat ein Gewicht von 25 bis 30 kg, der Wassertank faßt 11 l Wasser. Die Reinigungsflüssigkeit von 10 l, die bei ganz geöffnetem Schieber in 1 Minute 50 Sekunden durch die Maschine fließt und auf den Boden gelangen kann, befindet sich mehrere Minuten - bis maximal 15 Minuten - auf einer bestimmten Bodenfläche, bis sie wieder abgesaugt wird. Mit dieser Art der maschinellen Naßreinigung kann man jeden PVC-Fußboden reinigen, auch einen solchen, der im Unterboden mit Spanplatten ausgeführt ist, soferne keine Risse und Sprünge im PVC-Belag vorhanden sind bzw. die PVC-Fliesen ordnungsgemäß verschweißt sind. Der neue PVC-Fliesenbelag war ordnungsgemäß verlegt und oberflächlich wasserdicht (ohne Risse und dicht verschweißt).

Am 2.4.1990 stellte die Klägerin fest, daß der Fußboden im Behandlungsraum an derselben Stelle, an der der erste Wasserschaden aufgetreten war, aufgewölbt war. Der verständigte Fußbodenverleger schnitt mit einem Messer eine PVC-Fliese samt darunterliegendem Spanplattenteil im aufgewölbten Bereich heraus und stellte fest, daß zwischen der auf dem alten Belag verlegten PAE-Folie und der darauf verlegten neuen Spanplatte ein Wasserfilm bestand. Da sich in den nächsten 14 Tagen kein neuer Wasserzulauf beobachten ließ, konnte ein Rohrbruch ausgeschlossen werden. Die Wölbung des Fußbodens ging nicht zurück; eine Sanierung war erforderlich.

Die Klägerin strengte zu 7 Nc 7/90 des Bezirksgerichtes Linz gegen die Fußbodenverlegefirma und die beklagte Partei ein Beweissicherungsverfahren an. Bei der ersten Befundaufnahme, bei welcher in Raummitte eine Spanplatte entfernt und eine Feuchtigkeit von über 24 % gemessen wurde, konnte im Bereich der Fußstütze des Behandlungsstuhles ein Loch im PVC-Belag und in der Spanplatte sowie ein Durchhängen des Bodens um ca. 2 mm festgestellt werden. Der Sachverständige vermutete daher, daß dort Reinigungswasser eingedrungen sei und den Schaden verursacht habe. Als mit den Sanierungsarbeiten am Fußboden begonnen wurde, beantragte die Klägerin eine ergänzende Beweissicherung. Erst bei der im Zuge dieser Arbeiten vierten Befundaufnahme - bei den vorangehenden Befundaufnahmen, als der schadhafte Bodenbelag noch vorhanden war, konnte kein Mangel an den PVC-Leisten festgestellt werden; der Sachverständige fand auch keine Hinweise auf die Schadensursache - , als der L-förmige Anrichteschrank abgebaut wurde, stellte sich heraus, daß der Schranksockel auf dem vor der Renovierung vorhandenen alten Boden direkt aufgesetzt war und die neue Spanplatte sowie der neue PVC-Belag durch die Fußbodenverlegerfirma nur angearbeitet waren. Erst nach der Entfernung dieser Platte konnte festgestellt werden, daß das Wasser an dieser Stelle eingedrungen sein mußte. Da die auch dort angebrachte PVC-Sockelleiste zur Bodenfläche nach den Regeln der Technik nicht verklebt war, die Dichte für eine übliche Naßreinigung durch das Abwinkeln des unteren Schenkels der Leiste aber erreicht wird, zog der Sachverständige den Schluß, daß beim Begehen die schwingend verlegte Spanplatte geringfügig nachgab, durch die Belastung mit der Reinigungsmaschine das Wasser unter die PVC-Leiste geriet und sich auf der Luftpolsterfolie verteilte, wobei die Wassermenge (ca. 5 l) so groß war, daß durch sie die Spanplatten schadhaft wurden. Aufgrund des Schadensverlaufes und der Zeitspanne zwischen der Grundreinigung und dem Schadenseintritt könne davon ausgegangen werden, daß die durchgeführte Reinigung schadenskausal gewesen sei.

Bei Dichtheit des Bodens (auch an den PVC-Leisten) kann zur Reinigung eine beliebige Wassermenge eines Reinigungsmittels ohne Schadensfolgen verwendet werden. Bei erkennbaren Bodenschwingungen wäre darauf zu achten, ob am Schenkel der Sockelleiste ein Spalt entsteht und damit eine wasserundichte Stelle.

Es läßt sich der damalige Zustand des Bodens nicht mehr rekonstruieren, auch nicht, ob eventuelle Schwingungen auf den darunterliegenden alten Boden (Altbestand, der auch heute noch unter dem neu verlegten Boden liegt) oder den damals darüber verlegten neuen Boden zurückzuführen waren oder das Nachgeben unter Belastung beide Bodenschichten betroffen hat. Es läßt sich auch das Ausmaß des Nachgebens des Bodens im Bereich des Anrichteschranksockels nicht mehr feststellen. Eine Bodenbewegung unter Last, also ein Schwingen des Bodens, hat aber jedenfalls in einer deutlich erkennbaren Art und Weise nicht bestanden. Ein Nachgeben des Bodens beim Begehen war offenbar nicht merkbar oder nicht deutlich merkbar. Fest steht nur, daß die Reinigungsarbeiten der beklagten Partei schadenskausal waren.

Die Schadenbehebung erforderte in zwei Wochen einen Aufwand von S 94.500,81, die Klägerin erlitt einen Verdienstentgang von S 39.700,--. In dieser Zeit betrug der Fixkostenanteil S 53.200,--.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, gesichert sei, daß die Reinigungstätigkeit der beklagten Partei für den aufgetretenen Schaden kausal gewesen und andere Schadensursachen auszuschließen seien. Da die Anarbeitung des Bodens an den Schranksockel und die dadurch entstandene Fuge durch die ordnungsgemäß montierten Sockelleisten optisch nicht erkennbar gewesen und auch die von der Reinigungsfirma angewendete Methode und die verwendeten Wassermengen nicht zu beanstanden seien, bleibe nur zu beurteilen, ob die beklagte Partei im Sinne des § 1299 ABGB eine Verletzung der gebotenen Sorgfalt, insbesondere im Hinblick auf die Prüfung der ordnungsgemäßen Beschaffenheit des Bodens, der Bodenoberfläche und Bodenbegrenzung auf Wasserdichtheit vorzuwerfen sei. Der Sorgfaltsmaßstab dürfe nicht überspannt werden Der Klägerin sei der Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung der beklagten Partei bei Ausführung der Arbeiten nicht gelungen. Die beklagte Partei habe auch keine Warnpflicht im Sinne des § 1168a ABGB getroffen, weil für sie die Gefahr einer Undichtheit des zu reinigenden Bodens nicht erkennbar gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge, gab der Klage hinsichtlich der geltend gemachten Schadensbehebungskosten sowie des Verdienstentganges statt und wies das Mehrbegehren auf Ersatz auch von frustrierten Fixkosten - die Abweisung blieb unbekämpft - ab.

Auf die Beweisrüge der klagenden Partei, welche unrichtige und fehlende Feststellungen über die Erkennbarkeit der für den Wassereintritt kausalen Bodenschwingungen rügte, sei aus rechtlichen Gründen nicht einzugehen: Die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB erstrecke sich nach überwiegender Rechtsprechung und Lehre auch auf die Verletzung von Sorgfaltspflichten ohne Rücksicht auf das Vertragsverhältnis, insbesondere ohne Unterscheidung in Erfolgs- und Sorgfaltsverbindlichkeiten. Dies bedeute, daß die Klägerin nur den Eintritt des Schadens nachzuweisen, die beklagte Partei dagegen den Entlastungsbeweis zu führen habe. Diesen habe sie dadurch angetreten, daß sie sich auf eine mangelnde Erkennbarkeit der Schwingungen und der Wassereintrittsmöglichkeit beim Anrichteschrank berufen habe. Zweifel an der Erkennbarkeit gingen aber zu Lasten der beklagten Partei. Das Erstgericht habe nicht festgestellt, daß ein Schwingen des Bodens überhaupt nicht erkennbar gewesen sei, sondern Bodenbewegungen unter Last nur in einer deutlich erkennbaren Art und Weise ausgeschlossen, auch das Ausmaß dieses Nachgebens des Bodens habe nicht festgestellt werden können. Seien aber die Schwingungen grundsätzlich (wenn auch nicht leicht) erkennbar, dann hätte sich die beklagte Partei als Fachmann im Sinne des § 1299 ABGB schon bei der ursprünglichen Besichtigung durch ihre Angestellten nicht mit einer Oberflächenprüfung des Bodens begnügen dürfen. Die beklagte Partei habe sich in erster Instanz nicht darauf berufen, daß sie auch bei Erkennbarkeit damit habe rechnen dürfen, bei einem neu verlegten Fußboden seien allfällige Fugen ordnungsgemäß abgedichtet. Es sei keine unzumutbare Überspannung der Sorgfaltspflicht der beklagten Partei, von ihr zu verlangen, vor einem Reinigungsverfahren unter Verwendung von relativ viel Wasser die Fußböden auf ihre Dichtheit zur Unterkonstruktion zu überprüfen. Verbliebene Zweifel über die Erkennbarkeit der undichten Stelle gingen nicht zu Lasten der Klägerin, sondern zu Lasten des Schädigers.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil im wesentlichen Fragen des Einzelfalles im Vordergrund gestanden seien und zur Anwendung des § 1298 ABGB nicht von einer uneinheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ausgegangen werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil der Frage der Beweislastumkehr im Sinne des § 1298 ABGB bei der Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten erhebliche Bedeutung zukommt und das Berufungsverfahren mangelhaft geblieben ist. Die Revision ist daher auch im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichtes berechtigt.

Der Revisionswerber rügt die durch den Wortlaut des § 1298 ABGB nicht gedeckte "uferlose Ausweitung der Beweislastumkehr" durch die Judikatur und verweist auf vereinzelte gegenteilige Entscheidungen und die jüngere Literatur.

Der Oberste Gerichtshof hat bis in die jüngste Zeit (vgl. zuletzt JBl 1993, 389 mit kritischer Anmerkung von Dullinger) mit nur vereinzelt gebliebenen Ausnahmen (8 Ob 700/89 = JBl 1990, 723) ebenso wie die weit überwiegende Lehre (gegenteilig Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 2 zu § 1298) ständig daran festgehalten, daß bei der Anwendbarkeit der Beweislastregel des § 1298 ABGB weder zwischen vertraglichem und außervertraglichem Unrecht noch insbesondere zwischen Erfolgs- und Sorgfaltsverbindlichkeiten oder auch nur zwischen Handlungen und Unterlassungen zu unterscheiden ist und bei der Beurteilung der Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten das Eintreten der Umkehr der Beweislast schon dann angenommen, wenn der Schaden im Schuldverhältnis durch ein Verhalten des Schädigers oder seines Erfüllungsgehilfen verursacht wurde. Die Haftung des Schädigers sollte also schon dann eintreten, wenn sich nicht feststellen läßt, ob irgendein kausales Verhalten des Schädigers sorgfaltswidrig bzw objektiv keine volle Pflichterfüllung oder ob es vielmehr im vollen Umfang korrekt war. Dieser so weitgehenden Ausdehnung der Beweislastumkehr ist vor allem F.Bydlinski (zuletzt ausführlich in JBl 1992, 341 "Zur Haftung der Dienstleistungsberufe in Österreich und nach dem EG-Richtlinienvorschlag" [348 f]) entgegengetreten, weil diese durch den im § 1298 ABGB nur ausdrücklich genannten Fall der Nichterfüllung nicht mehr gedeckt erscheine: Bei bloßen Schutz- und Sorgfaltspflichten werde die objektive Pflicht mit schadenersatzrechtlicher Relevanz erst durch die Anwendung des allgemeinen Sorgfaltsgebotes bzw. durch den Einsatz der äußere Sorgfalt übenden Maßstabsperson auf die konkrete Situation begründet, sodaß eine Unterscheidung von objektivem Verstoß und subjektiver Vorwerfbarkeit nur ausnahmsweise möglich sei. Im Falle einer bloß möglichen Schutz- und Sorgfaltspflichtverletzung stehe überhaupt nicht fest, daß den Anforderungen der Rechtsordnung nicht voll entsprochen worden sei. Das Verhalten des Schuldners und seiner Gehilfen sei vielleicht völlig korrekt gewesen, wenn es auch unvorhersehbar für einen Schaden ursächlich gewesen sein möge. Eine Umkehr der Beweislast auch im Falle der Unaufklärbarkeit des Sachverhaltes werde von § 1298 ABGB jedenfalls nicht mehr getragen und müsse schon daran scheitern, daß Ursächlichkeit ja doch jedenfalls genauso beim Geschädigten vorliege, sodaß die bloße Kausalität noch haftungsneutral sei. Für die Umkehr der Beweislast müsse daher mehr erwiesen sein als die einfache, wenn auch adäquate Verursachung. Bydlinski verallgemeinert das Abstellen auf objektiv fehlerhaftes Verhalten bzw den objektiv fehlerhaften Zustand der Nichterfüllung daher so: Ist wenigstens prima facie von einem wenigstens objektiv sorgfaltswidrigen Verhalten auf Schädigerseite auszugehen, kann Verschulden vermutet werden (so auch Wilhelm in ecolex 1983, 73, vgl. 7 Ob 773/82 unter Berufung auf Bydlinski in Klang2 IV 2, 172 f; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 333 f, JBl. 1982, 318). Lassen sich weiter in der persönlichen und sachlichen Interessen- und Herrschaftssphäre des Schädigers objektiv gefährliche oder doch objektiv mangelhafte und dadurch unkontrollierbare Umstände lokalisieren (sei es auch durch prima-facie-Beweis), die für einen Schaden ursächlich waren, kann auch dies als Anknüpfungspunkt für die Beweislastumkehr genügen. Dann soll der jedenfalls sachnähere Schädiger aufklären, daß sich Entstehen und Aufrechtbleiben dieser Umstände ohne sein Verschulden oder das seiner Gehilfen ereignet haben. Auch solche Gefährlichkeit oder Fehlerhaftigkeit auf Schädigerseite stellt immerhin eine einseitige Belastung des Schädigers dar.

Auch wenn man von diesen Einschränkungen gegenüber der erwähnten überwiegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ausginge, wäre die Klägerin ihrer Behauptungs- und Beweispflicht nachgekommen:

Sie hat vorgebracht, der Schaden sei durch die Reinigung des neu verlegten Bodens mit einem Spezialgerät unter Verwendung einer großen Wassermenge erfolgt. Durch die Belastung des Bodens habe dieser geringfügig nachgegeben, sodaß Reinigungswasser unter die Sockelleisten eindringen konnte. Diese Umstände wurden vom Erstgericht als erwiesen angenommen. Das Entstehen eines Wasserschadens durch objektiv gefährliche Umstände - mit einer relativ schweren Maschine aufgebrachte größere Wassermengen, die doch einen gewissen Zeitraum auf dem Fußboden verblieben -, die der Interessen- und Herrschaftssphäre des Schädigers - Wahl gerade dieser Reinigungsmethode zur Arbeitserleichterung - zuzuordnen und für den Schaden ursächlich waren, rechtfertigen prima facie, von einem wenigstens objektiv sorgfaltswidrigen Verhalten auf Seite der beklagten Partei im Sinne einer Rechtswidrigkeitsvermutung auszugehen, sodaß der Nachweis mangelnden Verschuldens nach den bisher getroffenen Feststellungen nunmehr der Beklagten obläge.

Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung die Feststellungen des Erstgerichtes jedoch ungeprüft zugrundegelegt, weil es zutreffend entgegen der Ansicht des Erstgerichtes nach dem bisher festgestellten Sachverhalt von einer Beweislast der beklagten und nicht der klagenden Partei ausging, somit nur die von der Klägerin in ihrer Berufung als unrichtig und fehlend gerügten Feststellungen für die rechtliche Beurteilung entbehrlich waren. Die beklagte Partei hat jedoch während des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens sowohl die Kausalität als auch ihr Verschulden bestritten und bereits in ihrer Berufungsbeantwortung auf Verfahrensmängel und fehlende Feststellungen zur Beurteilung des Verschuldens hingewiesen und insbesondere die Richtigkeit des Gutachtens des Sachverständigen, dem schon das Erstgericht nur teilweise gefolgt ist, zur Gänze, insbesondere aber hinsichtlich schon logisch und physikalisch nicht vollständig nachvollziehbarer Schlußfolgerungen (vgl hiezu die Ausführungen des Sachverständigen auf AS 58) entschieden bekämpft und diese Rügen in ihrer Revision (da sie in erster Instanz obsiegt hat, zulässig) weiter ausgeführt. Im fortgesetzten Verfahren werden daher die Feststellungen des Erstgerichtes auch im Hinblick auf die Ausführungen der beklagten Partei einer Prüfung zu unterziehen und deren Mängelrüge zu behandeln sein.

Der Ausspruch über den Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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