OGH 9ObA170/93

OGH9ObA170/938.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Gerold Traxler und Olga Makomaski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Klägers Vojislav B*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Sarlay, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die Beklagte F***** D*****, ***** Ges mbH, ***** vertreten durch Dr.Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 119.129,32 brutto sA (Streitwert im Rechtsmittelverfahren S 100.833,29 brutto sA), infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.April 1993, GZ 5 Ra 57/93-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 11.Dezember 1992, GZ 46 Cga 62/92-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 6.789,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.131,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung ist dem Gesetz fremd (EFSlg 49.902). Die Tatfrage kann im Revisionsverfahren nur aufgegriffen werden, wenn sie von den Vorinstanzen in unrichtiger Anwendung der Verfahrensgesetze gelöst wurde (Fasching2, ZPR Rz 1902, 1910). Solche Verfahrensverstöße hat die Revisionswerberin nicht behauptet. Die Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen, die sich mit den Beweisergebnissen ausführlich auseinandersetzten, ist daher unzulässig.

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der Kläger durch das Zerkleinern von Bruchholz für private Zwecke und das gelegentliche "unwillentliche" Einnicken während der Arbeitszeit in Überwachungsphasen einen Entlassungsgrund nach § 82 lit f GewO 1859 gesetzt hat, zutreffend verneint. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers zu erwidern:

Gemäß § 82 lit f GewO 1859 kann ein Arbeitnehmer entlassen werden, wenn er die Arbeit unbefugt verläßt. Darunter ist ein absichtliches Unterlassen oder ein längerdauerndes Aufgeben der Arbeit zu verstehen, das mit der Verpflichtung des Arbeiters, die vereinbarte oder ortsübliche Arbeitszeit einzuhalten, unvereinbar ist (Arb 9046, 10.449, 10.649 mwN). Der Tatbestand erfaßt daher jedes erhebliche, pflichtwidrige und schuldhafte Nichteinhalten der pflichtgemäßen Arbeitszeit (Kuderna Entlassungsrecht 66; Arb 10449).

Ein schuldhaftes Unterlassen der Arbeit liegt hier nicht vor:

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erlaubte der Betriebsleiter der Beklagten dem Kläger schon bei Beginn des Arbeitsverhältnisses, Bruchholz aus Verpackungen und Paletten, das im Unternehmen keine Verwendung fand, in der Tischlerei, 50 m von seinem Arbeitsplatz entfernt, zu zerkleinern und mit nach Hause zu nehmen. Ein Verbot, dies während der Arbeitszeit zu tun, war bezüglich des Klägers nicht feststellbar. Der Betriebsleiter wußte vielmehr, daß Arbeitnehmer diese Arbeit regelmäßig während der Arbeitszeit vornahmen. Er tolerierte das Verhalten des Klägers und wies ihn sogar fallweise während der Schicht an, weniger arbeitsintensive Zeiten für Holzzerkleinerungsarbeiten zu nützen. Ein Widerruf dieser Erlaubnis oder gar eine Androhung der Entlassung für den Fall der Vornahme solcher Arbeiten in der Arbeitszeit ist nicht erwiesen. Während der Abwesenheit des Klägers vom Arbeitsplatz an der Vergütungsmaschine infolge des Holzzerkleinerns traten weder Arbeitsverzögerungen, noch technische Schwierigkeiten oder Materialschäden auf.

Das vom Arbeitgeber bis zuletzt geduldete Verhalten des Klägers konnte auch den Entlassungsgrund der beharrlichen Pflichtenvernachlässigung nicht begründen, weil infolge der anzunehmenden Zustimmung des Arbeitgebers ein auf Verletzung der Dienstpflichten gerichteter Wille des Dienstnehmers nicht vorliegt.

Soweit die Revisionswerberin die Entlassung mit Schlafen am Arbeitsplatz und demgemäß von Alkohol zu rechtfertigen versucht, geht sie nicht von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, die eine Alkoholisierung im Dienst nicht festgestellt haben. Einem "unwillentlichen" Einnicken am Arbeitsplatz fehlt aber die für den Entlassungsgrund der Pflichtvernachlässigung erforderliche Schuldhaftigkeit (Kuderna aaO 45 f). Die Zustimmung des Arbeiterbetriebsrates zur Entlassung nimmt dem Kläger nur die Anfechtungsmöglichkeit nach § 106 Abs 2 ArbVG, vermag aber am Nichtvorliegen von Entlassungstatbeständen nichts zu ändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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