OGH 1Ob575/93

OGH1Ob575/932.7.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer in der Rechtssache des Antragstellers Leopold V*****, vertreten durch DDr. Ferdinand Gross und Dr. Ferdinand Gross jun., Rechtsanwälte in Kapfenberg, wider die Antragsgegnerin Magdalena V*****, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen Rechtsmäßigkeit der gesonderten Wohnungnahme infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 28. Jänner 1993, GZ R 827/92-22, womit der Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 14. August 1992, GZ F 12/91-17, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird in dem Umfang Folge gegeben und dem Gericht zweiter Instanz die Entscheidung über den an dieses Gericht gerichteten Rekurs der Antragsgegnerin aufgetragen, als sie damit die Abweisung ihres Antrags auf Feststellung der Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungnahme bekämpft; dagegen wird der Rekurs zurückgewiesen, soweit er gegen den Ausspruch des Rekursgerichtes über die Verfahrenshilfe gerichtet ist.

Text

Begründung

Die seit 15. Dezember 1984 verheirateten Parteien leben in Scheidung; am 16. Juni 1991 verließ die Antragsgegnerin die Ehewohnung.

Das Erstgericht wies den Antrag des Antragstellers auf Feststellung, daß die gesonderte Wohnungnahme durch seine Ehefrau nicht rechtmäßig sei, sowie die Anträge der Antragsgegnerin auf Feststellung der Rechtsmäßigkeit ihrer gesonderten Wohnungnahme und auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge, den Rekurs der Antragsgegnerin wies es dagegen zurück und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. In Erledigung des Rechtsmittels der Antragsgegnerin führte es aus, der angefochtene Beschluß sei dieser am 18. August 1992 zugestellt worden, sie habe ihr Rechtsmittel jedoch erst am 2. September 1992, also erst am 15. Tag nach der Zustellung, beim Erstgericht überreicht. Auf den deshalb verspäteten Rekurs könne auch nicht gemäß § 11 Abs 2 AußStrG Bedacht genommen werden, weil die Entscheidung nicht ohne Nachteil für Dritte - hier für den Antragsteller - abgeändert werden könnte.

Der gegen den rekursgerichtlichen Beschluß erhobene Rekurs der Antragsgegnerin ist, soweit der bekämpfte Beschluß den Sachantag der Antragsgegnerin betrifft, zulässig, weil die unrichtige Annahme der mangelnden Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels die Rechtssicherheit gefährdet, und auch berechtigt; soweit dagegen der Verfahrenshilfeantrag betroffen ist, ist der Rekurs nicht zulässig.

Die Antragsgegnerin hat durch Vorlage des Postaufgabescheins dargetan, daß ihr bevollmächtigter Vertreter das Rechtsmittel gegen den erstinstanzlichen Beschluß bereits am 1. September - also am 14. Tag nach der Zustellung und somit rechtzeitig - zur Post gegeben hat; daß er den Rechtsmittelschriftsatz, wie bei dem Einlaufstampiglienaufdruck vermerkt, beim Erstgericht überreicht habe, konnten die mit diesen Aufgaben betrauten Gerichtsbediensteten nicht bestätigen. Überdies geht aus der vom Vertreter der Antragsgegnerin vorgelegten Halbschrift des Rekurses hervor, daß sie ihm vom Erstgericht durch die Post zugestellt wurde und bei ihm am 7. September 1992 eingelangt ist; wäre das Rechtsmittel bei Gericht persönlich überreicht worden, hätte der Gerichtsbedienstete die mit dem Eingangsstampiglienaufdruck versehene Halbschrift gewiß unmittelbar zurückgestellt.

Das Gericht zweiter Instanz wird deshalb über das an dieses gerichtete Rechtsmittel im Umfang des Sachantrags sachlich zu entscheiden haben.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen ist der „Revisionsrekurs über die Verfahrenshilfe“ gemäß § 14 Abs 2 Z 3 AußStrG jedenfalls unzulässig. Das gilt nicht bloß für bestätigende oder abändernde Entscheidungen der zweiten Instanz, sondern auch für solche Entscheidungen, mit welchen das Gericht zweiter Instanz die Entscheidung über das Rechtsmittel aus verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt hat. In den Fällen des § 14 Abs 2 AußStrG - unter anderem also auch über die Verfahrenshilfe (Z 3) - ist der „Revisionsrekurs“ gegen den Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes jedenfalls, also selbst bei Vorliegen erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG, unzulässig. Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluß vom 30. Juni 1993, 3 Ob 44/93, in einem nach § 528 ZPO zu beurteilenden Fall ausgesprochen, daß trotz des - erst durch die Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1989 in die Gesetzessprache eingeführten - Begriffs „Revisionsrekurs“ in bezug auf Zurückweisungsbeschlüsse der Rekursgerichte keine planwidrige Gesetzeslücke vorliege, habe doch der Justizausschußbericht (991 BlgNR 17. GP, 13) bei den Erläuterungen zu § 528 ZPO ausdrücklich festgehalten, daß die Z 3 bis 6 (sc. § 528 Abs 2 ZPO) dem geltenden Recht entsprächen. Daraus ist in der Tat zu schließen, daß der Justizausschuß - jedenfalls in diesen Fällen - die Anfechtbarkeit von rekursgerichtlichen Entscheidungen weiterhin in jedem Fall ausschließen wollte (vgl. Petrasch in ÖJZ 1989, 751), also auch dann, wenn das Gericht zweiter Instanz nicht in der Sache selbst entschied, sondern eine Sachentscheidung aus formellen (verfahrensrechtlichen) Gründen ablehnte. Soweit im Schrifttum (Kralik in JBl 1991, 283 ff; Bajons in ÖJZ 1993, 145 ff; vgl. auch Böhm in ecolex 1992, 689 f) im Gegensatz dazu - vor allem für die Fälle des § 528 Abs 2 Z 1 ZPO bzw. § 14 Abs 2 Z 1 AußStrG - Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO gefordert wird, kann diesen Ausführungen, die eine zum Ähnlichkeitsschluß herausfordernde Gesetzeslücke unterstellen, daher nicht beigetreten werden. Ob das unterschiedliche Gewicht im Verfahren außer Streitsachen ergangener Sachbeschlüsse einerseits und der im Streitverfahren erlassenen Beschlüsse andererseits eine Differenzierung erfordern, muß im vorliegenden Fall nicht näher geprüft werden, können doch zumindest die im § 528 Abs 2 Z 3 bis 5 ZPO und die im § 14 Abs 2 Z 2 bis 4 AußStrG angeführten Entscheidungen (Verfahrenskosten, Verfahrenshilfe und Sachverständigengebühren) nicht voneinander abweichend beurteilt werden.

In diesem Umfang ist das Rechtsmittel der Antragsgegnerin als jedenfalls unzulässig daher zurückzuweisen.

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