Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Die Parteien schlossen am 26.6.1965 die beiderseits erste Ehe; ihr gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt liegt in Schleedorf; sie sind österreichische Staatsbürger; ihrer Verbindung entstammen die ehelichen Kinder Frieda (geboren *****1965), Martin (geboren *****1966), die Zwillinge Matthias und Johann (geboren *****1969), Günther (geboren *****1976) und Thomas (geboren *****1983).
Mit der am 3.4.1990 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten (sowie Unterhalt) mit dem wesentlichen Vorbringen, der Beklagte sei grundlos eifersüchtig, habe sie unter Alkoholeinfluß wiederholt wegen seiner grundlosen Eifersucht geschlagen und sich auch gegen die Kinder gewendet, so daß sich die Klägerin und die beiden jüngsten Söhne vor ihm fürchteten. Der Beklagte habe sich praktisch überhaupt nicht um die Belange der Kinder gekümmert, er sei auch nicht mehr bereit gewesen, mit der Klägerin ein klärendes Gespräch zu führen, habe sich ihr gegenüber lieblos verhalten und die finanzielle Situation dadurch angespannt, daß er der Klägerin wöchentlich nur S 1.000 für den gesamten Familienbedarf zur Verfügung gestellt habe.
Der Beklagte bestritt die ihm angelasteten Eheverfehlungen, beantragte die Abweisung des Scheidungsbegehrens, in eventu den Ausspruch des überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe, weil diese die Haushaltsführung vernachlässigt habe, ihm gegenüber unehrlich gewesen sei, ehewidrige Beziehungen zu einem anderen Mann unterhalten und ihm grundlos den Geschlechtsverkehr verweigert habe.
Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem beiderseitigen gleichteiligen Verschulden und ging dabei von folgenden wesentlichen positiven und negativen Feststellungen aus:
Nach Aufgabe der bis 1983 betriebenen, überwiegend von der Klägerin geführten Kleinlandwirtschaft, in welcher der voll berufstätige Beklagte in seiner Freizeit mitarbeitete, habe sich die Klägerin, die bis dahin außerdem überwiegend mit der Haushaltsführung und der Kindererziehung beschäftigt gewesen sei, "der Frauenbewegung", deren Kassierin sie geworden sei, angeschlossen. Für diese Bewegung habe sie Fahrten mit dem PKW unternommen. Überdies habe sie mit einer Aushilfstätigkeit als Serviererin im Gastgewerbe begonnen; mit letzterer Tätigkeit sei der Beklagte nicht einverstanden gewesen, weil er für seine Frau in der Haushaltsführung und Kindererziehung eine ausreichende Beschäftigung erblickt habe. Die Klägerin habe vermehrt allein Fahrten mit dem PKW unternommen und den Beklagten darüber nicht informiert, obwohl ihr bekannt gewesen sei, daß dieser damit nicht einverstanden war und diesen Zustand als störend empfunden und sich sogar fallweise um sie gesorgt habe, während er selbst die Klägerin - bis zur Einbringung der Scheidungsklage - stets über seinen Aufenthalt informiert habe. Der Beklagte habe aus diesen Umständen den Verdacht geschöpft, daß die Klägerin ehewidrige Beziehungen unterhalte; er habe dieses Verhalten der Klägerin auch als Desinteresse an ihm gewertet. Die Klägerin habe diesen Verdacht des Beklagten zwar zu zerstreuen versucht, jedoch nicht entschärfen können. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, daß die Klägerin tatsächlich ehewidrige Beziehungen unterhalten habe. Da der Beklagte sein eifersüchtiges Verhalten nicht eingestellt habe, habe auch die Klägerin kein Interesse an gemeinsamen Unternehmungen mit dem Beklagten mehr gezeigt. Anfangs 1986 habe der Beklagte, als er abends von seinem Dienst nach Hause gekommen sei, den beiden Ehegatten bekannten Michael L***** in der Ehewohnung angetroffen, wobei die Klägerin bereits das Nachthemd angezogen und ihm nicht wie gewohnt die Türe geöffnet habe. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, daß der Beklagte der Klägerin damals eine Ohrfeige versetzt habe. Der Beklagte habe als störend erachtet, daß die Klägerin ihm nicht die Wahrheit darüber gesagt habe, daß der PKW des Michael L***** vor dem Haus der Streitteile gestanden sei, und diesen Umstand erst zugestanden habe, als er ihr erklärt habe, dieses Fahrzeug erkannt zu haben. Ebenfalls Anfang 1986 sei es zwischen den Streitteilen anläßlich des Aufbruchs von einer gemeinsam besuchten Ballveranstaltung, bei welcher die Klägerin einige Male mit Michael L***** getanzt habe und mit diesem auf ein Getränk an die Bar gegangen sei, zu einem Streit gekommen, weil der Beklagte sofort aufbrechen wollte, die Klägerin hingegen nicht; der Beklagte habe daraufhin die Veranstaltung alleine verlassen. Nach der Rückkehr der Klägerin in die Ehewohnung sei es zu einer schwerwiegenden Auseinandersetzung gekommen, bei der der durch Alkoholkonsum enthemmte und erneut von Eifersucht erfaßte Beklagte der Klägerin schließlich eine Ohrfeige versetzt habe. Die Beteuerungen des Michael L***** und der Klägerin, daß kein Grund zur Eifersucht bestehe, hätten den Beklagten nicht davon überzeugen können, daß die Klägerin keine ehewidrigen Beziehungen unterhalte. Seit Mai 1986 unterhielten die Streitteile keine geschlechtlichen Beziehungen mehr, weil die Klägerin diese unter Hinweis auf die Tätlichkeiten des Beklagten abgelehnt habe; der Beklagte habe den Wunsch nach Geschlechtsverkehr auch noch nachher gehabt. Am 8.12.1988 sei es zum bisher letzten großen Streit der Ehegatten gekommen, weil die Klägerin gegen den erklärten Willen des Beklagten in einem Gasthaus in S***** als Serviererin aushelfen wollte; der dabei alkoholisierte Beklagte habe in Anwesenheit der Kinder der Klägerin vorgeworfen, sie wolle dies nur wegen der fremden Männer tun; er habe ihr den PKW nicht zur Verfügung gestellt und sie schließlich im Zuge eines Handgemenges gegen den PKW bzw die Garagenwand gestoßen, so daß die Klägerin schließlich auf Drängen der Kinder zu Hause geblieben sei. Im Mai 1986 sei es zum letzten ehelichen Verkehr zwischen den Streitteilen gekommen. Die Klägerin habe in der Folge wegen des Verhaltens des Beklagten den Wunsch des Beklagten, mit ihr geschlechtlich zu verkehren abgelehnt.
Im Zusammenleben der Ehegatten, aber auch des Beklagten mit seinen Kindern seien in den "letzten Jahren" mit zunehmenden Eheschwierigkeiten und der schwindenden Gesprächsbereitschaft der Ehegatten überwiegend wegen des äußerst sparsamen Verhaltens (Abdrehen gerade nicht notwendig benützter Lichtquellen; Beschränkung der Warmwasserzubereitung auf Bad oder Küche; Streit um den Geldbeitrag eines Sohnes von seiner Lehrlingsentschädigung für die Reinigung seiner Wäsche; Streit um den Wasserverbrauch für die PKW-Wäsche......) des Beklagten Spannungen aufgetreten, wobei allerdings (vom Erstgericht) nicht als erwiesen angenommen wurde, daß es der Beklagte mit diesem Verhalten auf die Verärgerung der Familienmitglieder angelegt habe; diese alledings hätten sein Verhalten als unleidlich empfunden. In den letzten Jahren sei die Klägerin nicht mehr bestrebt, sich maßgeblich um den "Familienfrieden" zu bemühen, obwohl wiederholt das Verhalten des Beklagten Anlaß für Spannungen gewesen sei. Die Klägerin hätte sich ihrerseits vom Beklagten mehr Unterstützung bei der überwiegend ihr oblegenen Versorgung der sechs Kinder erwartet; es sei aber (vom Erstgericht) nicht feststellbar, daß der voll berufstätige Beklagte die Last der Kindererziehung in unzumutbarer Weise auf die Klägerin abgeschoben hätte. Fallweise habe jedoch der Beklagte eine gewisse Interesse- und Sorglosigkeit für die Belange der Kinder an den Tag gelegt.
Bei einem von der Klägerin angeregten Vergleichsversuch schlossen die Parteien am 11.7.1989 vor dem Erstgericht einen Vergleich, in welchem sich der Beklagte zur monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.700 an die Klägerin, S 2.000 für den Sohn Günther und S 1.500 für den Sohn Thomas, sowie zur Weiterleitung der Familienbeihilfen - all dies unter Berücksichtigung von weiteren monatlichen Zahlungen von S 790 für jede dieser drei Personen - verpflichtete; es konnte vom Erstgericht nicht festgestellt werden, daß der Beklagte der Klägerin über einen längeren Zeitraum nur wöchentlich S 1.000 als Wirtschaftsgeld zur Verfügung gestellt habe oder dies nur ein Einzelfall gewesen sei, und daß die Klägerin einen begründeten Anlaß zum Antrag auf gerichtlichen Vergleichsversuch gehabt habe. Der Beklagte erziele als Dienstnehmer des Amtes der Salzburger Landesregierung monatlich durchschnittlich rund S 21.200 netto (einschließlich der Familienbeihilfen von S 2.850 und eines Reisekostenpauschales von S 1.920); die Klägerin verdiene monatlich netto durchschnittlich S 2.170.
Der Beklagte habe der Klägerin bereits seit Jahren die Vernachlässigung der Haushaltsführung vorgeworfen; daß dies vor Weihnachten 1989 gerechtfertigt gewesen sei, stehe aber nicht fest. Seit August 1989 habe der Beklagte der Klägerin außer den verglichenen Geldbeträgen keine weiteren Beträge mehr zur Verfügung gestellt. Seit Weihnachten 1989 habe die Klägerin für den Beklagten nicht mehr gekocht und Wäsche gewaschen; dafür seien die ehelichen Spannungen und der Umstand, daß der Beklagte nur den Geldunterhalt für die Klägerin und die beiden minderjährigen Kinder bezahlte, maßgeblich gewesen. Schließlich hätten die Streitteile auch die Frage der Haushaltsführung für den (im gemeinsamen Haushalt verbliebenen) Beklagten nicht mehr zu klären versucht.
Die Klägerin habe letztmals vor drei bis vier Jahren ihrer Hoffnung auf die Rettung der Ehe der Streitteile Ausdruck verliehen, wobei aber nicht erwiesen sei, daß sie sich dabei intensiv bemüht habe; der Beklagte hingegen habe sich noch während des Scheidungsverfahrens um ein gemeinsames Gespräch bei einer Familienberatungsstelle bemüht, zu einem solchen sei allerdings die Klägerin nicht mehr bereit gewesen.
In der rechtlichen Beurteilung dieser Feststellungen wies das Erstgericht beiden Ehegatten Verschuldensanteile an der Zerrüttung ihrer Ehe zu, weil sie - durch die im einzelnen festgestellten Fakten - ihre Pflicht zur anständigen Begegnung verletzt, für den Partner kein Interesse mehr gezeigt, schließlich nur mehr das Notwendigste miteinander gesprochen hätten und nicht mehr in der Lage gewesen seien, grundsätzliche Fragen des ehelichen und familiären Zusammenlebens, wie Fragen der Haushaltsgestaltung, der Kinderbetreuung und -versorgung, im besonderen der seit der Einstellung des landwirtschaftlichen Betriebes für die Klägerin geänderten Lebensführung miteinander zu erörtern und einer Lösung zuzuführen. Aus dieser gegenseitigen Verständnislosigkeit hätten sich Konflikte um Dinge des täglichen Lebens ergeben. Sei auch die von der Klägerin seit Mai 1986 geübte Verweigerung des Geschlechtsverkehrs zunächst als Reaktionshandlung auf das eifersüchtige und von Tätlichkeiten begleitete Fehlverhalten des Beklagten verständlich gewesen, so sei der Klägerin die Beibehaltung dieser Weigerung im Zusammenhang mit der seit Jahren nicht mehr versuchten Rettung der Ehe anzulasten. Da die Verschuldensanteile der Streitteile nicht derart voneinander abwichen, daß das Verschulden des einen Teiles gegenüber dem des anderen fast völlig in den Hintergrund trete, sei von gleichteiligem Verschulden auszugehen.
Infolge Berufungen beider Parteien änderte das Gericht zweiter Instanz das Ersturteil dahin ab, daß es in Stattgebung der Berufung der Klägerin die Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten schied. Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.
Ohne die Beweisrüge der klägerischen Berufung, in welcher die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen, soweit in diesen das Vorbringen der Klägerin durch "Negativfeststellungen" abgeschwächt wurde und demgegenüber das Vorbringen des Beklagten Niederschlag fand, massiv bekämpft wurden, zu erledigen, befand das Gericht zweiter Instanz, aus den unbekämpft verbliebenen Feststellungen das Alleinverschulden des Beklagten und die Schuldlosigkeit der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe der Streitteile rechtlich folgern zu können. Dabei ordnete das Berufungsgericht mehrere vom Erstgericht - auch in den Urteilsfeststellungen beiden Ehegatten zugeschriebenen Ehezerrüttungskomponenten nach "seiner Auffassung" alleine dem Beklagten zu, dem es - ohne daß diesbezügliche Feststellungen vorlägen - eine "offensichtliche Überforderung" mit der Tatsache, daß die Klägerin nach Einstellung des landwirtschaftlichen Betriebes und im Zusammenhang mit dem Heranwachsen der Kinder vermehrt eigene Unternehmungen anstrebte und einer zeitweiligen Erwerbstätigkeit im Gastbetriebsservice nachkommen wollte, und "wohl überholtes patriarchalisches (Un-)Verständnis" gegenüber diesen Aktivitäten der Klägerin attestierte. Der Beklagte habe damit die Klägerin auf die Haushaltsführung und die Betreuung der sechs Kinder beschränken wollen, ohne sich selbst ausreichend darum zu kümmern. Die übertriebene Kleinlichkeit des Beklagten bei seinen gegenüber den Familienmitgliedern angewandten Sparmaßnahmen müsse als Eheverfehlung gewertet werden, weil ihm bekannt sein hätte müssen, daß diese Maßnahmen auf Unverständnis stoßen und als unleidlich empfunden würden. Daß der Beklagte sich wenig um die Interessen und Gefühle der Klägerin gekümmert habe, zeige wohl auch der Umstand, daß er dieser zur Versorgung der gesamten Familie wöchentlich nur S 1.000 zur Verfügung stellte und sich um die Finanzierung des Sonderbedarfs der Kinder nicht kümmerte. Es erscheine dabei durchaus nachvollziehbar, daß die Klägerin bei diesem "Grundverhalten" des Mannes zunehmend Interesse an eigenen Unternehmungen gewann und diese auch ausübte, wobei ihr "allenfalls vorwerfbar wäre", daß sie den Kläger zumindest am Anfang nicht näher informierte, obwohl ihr bewußt war, daß dies vom Mann als störend empfunden wurde.
Werde diesem Verhalten der Klägerin das als grob ehewidrig zu wertende, durch nichts zu rechtfertigende festgestellte Verhalten des Beklagten gegnübergestellt, dann trete ein Verschulden der Klägerin gegen die massiven Eheverfehlungen des Mannes praktisch völlig in den Hintergrund, so daß es zu vernachlässigen sei: Der Beklagte habe fallweise zu Alkoholkonsum geneigt, wobei er in diesem Zustand eheliche Auseinandersetzungen gesucht habe und gegenüber der Klägerin gewalttätig geworden sei. Er habe der Klägerin grundlos die Vernachlässigung der Haushaltsführung vorgeworfen und den vereinbarten Ehegattenunterhalt nicht mehr geleistet. Das Erstgericht habe unbekämpft festgestellt, daß die Klägerin keine ehewidrigen Beziehungen zu anderen Männern unterhalten habe und der Beklagte für solche auch keine Beweise gehabt habe; daß der Verdacht solcher ehewidriger Beziehungen beim Beklagten nicht entkräftet habe werden können, besage noch nicht, daß seine Eifersucht berechtigt gewesen sei, weil konkrete Anhaltspunkte für ein ehewidriges Verhalten der Beklagten nicht vorhanden gewesen seien. Auch die von der Klägerin ausgehende Verweigerung des Geschlechtsverkehrs seit Mai 1986 falle dieser nicht zur Last, weil dieses Verhalten der Klägerin als Reaktionshandlung auf das aggressive Verhalten des Mannes angesehen werden könne. Der allein verbliebene Vorwurf der "Unehrlichkeit" der Klägerin gegenüber dem Beklagten in der Angelegenheit mit dem PKW des Zeugen Michael L***** sei schon deshalb nicht von besonderem Gewicht, weil die Klägerin zu dieser - später zugestandenen - Notlüge nur wegen der ihr bekannten Eifersucht des Beklagten gegriffen habe, deren Folgen sie vermeiden habe wollen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten gegen dieses Urteil ist mit ihrem Aufhebungsantrag berechtigt.
Das Gericht zweiter Instanz ist in entscheidenden Punkten nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen ausgegangen und hat seine Rechtsauffassung über das Alleinverschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe der Streitteile dennoch auf diese gestützt, ohne sie - im Sinne der massiven Beweisrüge der Klägerin - zu überprüfen und allenfalls abzuändern oder zu bestätigen. Dies betrifft etwa den Vorwurf an den Beklagten, er sei nach der Einstellung des landwirtschaftlichen Betriebes mit der von der Klägerin vorgenommenen Lebensgestaltung durch eigene Unternehmungen und zeitweilige Aushilfe im Gasthausservice "überfordert" gewesen und habe aus einem "wohl überholten patriarchalischen Verständnis" heraus die Klägerin mit den gemeinsamen sechs Kindern und der Haushaltsführung ausreichend beschäftigt erachtet, was auf seiten der Klägerin nicht auf Verständnis stoßen konnte; oder den - mit den Feststellungen des Ersturteils im Widerspruch stehenden und als Unterhaltsverletzung beurteilten - Vorwurf, der Beklagte habe der Frau für sie und die Kinder nur monatlich S 1.000 (gemeint auf längere Zeit) zur Verfügung gestellt oder auch die verharmlosende Darstellung der von der Klägerin jahrelang geübten Verweigerung des Geschlechtsverkehrs als bloßes Reaktionsverhalten und der jahrelangen Aufgabe der ehelichen Gesinnung gegenüber dem bis zum Scheidungsverfahren bestehenden Eherettungswillen des Beklagten.
Sowohl bei der Bewertung eines Verhaltens als schwere Eheverfehlung als auch bei der Verschuldensabwägung kommt es aber auf das Gesamtverhalten der Ehegatten an (EFSlg 66.435, 63.351 uva; Schwimann in Schwimann, ABGB, Rz 9 zu § 49 EheG; Gruber in Schwimann, ABGB, Rz 6 zu § 60 EheG). Der erkennende Senat tritt der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß selbst bei Übernahme aller auch der von der Klägerin bekämpften Feststellungen das Alleinverschulden des Beklagten anzunehmen wäre, nicht bei. Es handelt sich weder ausschließlich um Eheverfehlungen der Klägerin, für die das vorausgegangene Verhalten des Beklagten kausal gewesen wäre, noch wiegen die Eheverfehlungen des Beklagten unverhältnismäßig schwerer, lehnte es doch die Klägerin nicht nur gelegentlich sondern grundsätzlich ab, dem Beklagten Auskunft über die Gestaltung ihrer Privatsphäre zu geben und zeigte sie sich trotz Aufrechterhaltung der Lebensgemeinschaft nicht bereit, mit dem an der Ehe festhaltenden Beklagten einen Konsens auch nur zu suchen, war sie doch an seiner Person desinteressiert.
Eine abschließende rechtliche Beurteilung wird daher erst nach Erledigung der Beweisrüge der Klägerin möglich sein, so daß die Entscheidung der zweiten Instanz aufzuheben und dieser die nach Behandlung der Beweisrüge der klägerischen Berufung neu zu fällende Entscheidung aufzutragen ist.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)