Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die verhängte Zusatz-Freiheitsstrafe auf sechs Jahre erhöht.
Der Angeklagte wird mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe auf diese Entscheidung verwiesen; seiner Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der italienische Staatsangehörige Peter Paul S***** (früher: V*****) des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach dem § 136 Abs 1 und 2 StGB und des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 erster SatzStGB schuldig erkannt.
Darnach hat er
1. Fahrzeuge, die zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet sind, ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen, wobei er sich die Gewalt über die Fahrzeuge jeweils durch eine im § 129 StGB geschilderte Handlung verschaffte, und zwar
a.) in der Nacht zum 9.Oktober 1990 in Hollersbach den PKW VW-Golf mit dem Kennzeichen S 87.570 des Ernst S***** durch Aufbrechen eines Fensters;
b.) in der Nacht zum 18.Oktober 1990 in Schönberg den PKW VW-Passat mit dem Kennzeichen KA-U-320 des Rolf B***** durch Ausziehen des Zündschlosses und Anbringen eines Ersatzzündschlosses;
2. am 18.Oktober 1990 in Kufstein in der Sparkassenfiliale Z***** dadurch, daß er eine Pistole gegen Johann W*****, Werner H***** und Nina P***** richtete und die Genannten zum Niederlegen sowie zum Aufsperren des Tresors zwang, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, den Genannten fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in der Höhe von 980.547,95 S (in verschiedenen Währungen) sowie eine Valutentasche im Wert von 816 S mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 6 und 9 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs 1 Z 4 StPO rügt der Beschwerdeführer die an seine Ehegattin Petra S***** ergangene Aufforderung des Vorsitzenden, den Verhandlungssaal zu verlassen, weil ihre Vernehmung als Zeugin in Betracht komme (Gerichtsakt Band III/S 171), welches Vorgehen einem teilweisen Ausschluß der Öffentlichkeit gleichkomme. Er übersieht, daß ein Ausschluß der Öffentlichkeit - womit die allgemeine Volksöffentlichkeit gemeint ist (SSt 48/74) - nur dann vorliegt, wenn die angeordnete generelle Maßnahme des Gerichtes so weit geht, daß die Kontrollfunktion der Allgemeinheit gegenüber der Gerichtsbarkeit wesentlich eingeschränkt wird. Einschränkungen, die etwa durch Raumverhältnisse bedingt sind, beseitigen die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung grundsätzlich ebensowenig wie Einzelmaßnahmen der Prozeßleitung, durch die individuell bestimmte Personen von der Anwesenheit bei der Hauptverhandlung ausgeschlossen werden (11 Os 28/90). Somit hat der Vorsitzende einen Ausschluß der Öffentlichkeit nicht verfügt, zumal er auch ausdrücklich feststellte, daß die übrige Öffentlichkeit im Verhandlungssaal verbleibt (Gerichtsakt Band III/S 171). Indem er Petra S***** zunächst als Zeugin vorsah, aber schließlich von ihrer Einvernahme Abstand nahm, hat er von der ihm gemäß § 254 Abs 1 erster Satz StPO zustehenden diskretionären Gewalt Gebrauch gemacht.
Gestützt auf den Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO rügt der Beschwerdeführer die Unterlassung der Stellung einer Eventualfrage nach Hehlerei. Entgegen seiner Ansicht bestand für eine solche Fragestellung jedoch kein Anlaß, weil er sich in der Hauptverhandlung nicht in diese Richtung verantwortet hat und auch sonst keine Tatsachen vorgebracht wurden oder hervorgekommen sind (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO**n, § 314 E 18), wonach die ihm zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele (§ 314 Abs 1 StPO). Der Angeklagte hat sich überhaupt keiner strafbaren Handlung schuldig bekannt (Gerichtsakt Band III/S 171) und einen auf Ansichbringen der Raubbeute gerichteten Vorsatz entschieden in Abrede gestellt. Dies ergibt sich u.a. aus seiner Verantwortung, er wolle es nicht glauben, daß der Übergeber der Fremdwährungen - dessen Namen zu nennen er nicht bereit war - ihn "hineingelegt" habe (Gerichtsakt Band III/S 176), und "daß er das Geld verräumt hätte, wenn er gewußt hätte, daß es aus kriminellen Handlungen stammt" (Gerichtsakt Band III/S 179).
Unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs 1 Z 9 StPO bringt der Beschwerdeführer vor, daß der Wahrspruch der Geschwornen in sich widersprechend bzw. zumindest undeutlich sei, weil die Geschwornen die auf unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen gerichtete Hauptfrage 2 mit sieben Ja-Stimmen, die auf schweren Raub gerichtete Hauptfrage 3 aber nur mit fünf Ja-Stimmen beantwortet haben. Hiebei verkennt der Angeklagte das Wesen des erwähnten Nichtigkeitsgrundes, welcher nur dann vorliegt, wenn der Wahrspruch zufolge einer Undeutlichkeit, einer Unvollständigkeit oder eines inneren Widerspruches kein verläßliches Bild von der Meinung der Geschwornen gibt und solcherart als Basis für ein Urteil unbrauchbar ist (EvBl 1974/96). Mängel des Wahrspruches können daher nur aus der Gesamtbedeutung der von der Geschwornenmehrheit gegebenen Antwort, nicht aber aus dem Vergleich der Antworten einzelner Geschwornen auf Grund des Stimmenverhältnisses abgeleitet werden (9 Os 161/75; RZ 1988/50).
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 28 StGB und gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Amtsgerichtes München vom 9.Juli 1991, Geschäftsnummer 738 Ls112 Js 4.640/90, womit Peter Paul S***** wegen des Vergehens des unerlaubten Besitzes einer verbotenen Waffe, fünf "sachlich zusammentreffender" Vergehen des unerlaubten Waffenbesitzes, wegen Vergehens des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und Vergehens der Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden war, eine (Zusatz-)Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren.
Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die einschlägigen (im Ausland erlittenen) Vorstrafen, das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit einem Vergehen, die große Raubbeute und die Wiederholung des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen; als mildernd fiel demgegenüber das teilweise (Punkt 1 a des Schuldspruchs betreffende) Geständnis ins Gewicht.
Den Strafausspruch bekämpfen sowohl die Staatsanwaltschaft, die eine Straferhöhung begehrt, als auch der Angeklagte, der eine Strafreduktion anstrebt; letzterer hat auch Berufung gegen den Ausspruch (§ 369 Abs 1 StPO) über die privatrechtlichen Ansprüche der M***** Versicherungsanstalt angemeldet.
Nur der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.
Das vom Erstgericht gefundene Strafmaß entspricht nicht dem Gewicht des Tatunrechts. Abgesehen davon, daß die Bedrohung von drei Personen bei Begehung des Raubes zusätzlich als erschwerend zu veranschlagen ist, zeigt die professionelle Planung und Ausführung des bewaffneten Banküberfalles in Verbindung mit den einschlägigen Vorstrafen ein beachtliches, sich steigerndes kriminelles Potential des Angeklagten. Bei gemeinsamer Aburteilung aller von Peter Paul S***** zu verantwortenden Taten wäre unter Beachtung des allgemeinen Strafzumessungsgrundsatzes des § 32 Abs 3 StGB eine Freiheitsstrafe von acht Jahren zu verhängen gewesen, um den Unrechts- und Schuldgehalt sämtlicher Verfehlungen des Angeklagten voll zu erfassen. Mithin war das Ausmaß der vom Erstgericht verhängten Zusatzfreiheitsstrafe entsprechend zu erhöhen und der Angeklagte mit seiner gegen das Ausmaß der Freiheitsstrafe gerichteten Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Seiner - nicht ausgeführten - Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis konnte kein Erfolg beschieden sein, weil der Zuspruch des Entschädigungsbetrages von 980.547,95 S an die Privatbeteiligte in den Feststellungen des angefochtenen Urteils volle Deckung findet.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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