OGH 12Os46/93

OGH12Os46/9324.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Markel, Mag. Strieder und Dr. Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weigl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Miljko M* wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreis- (nunmehr Landes‑)gerichtes Ried i.I. als Schöffengericht vom 27. Jänner 1993, GZ 8 Vr 773/91‑39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E34548

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil als unangefochten unberührt bleibt, im übrigen aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Staatsanwaltschaft mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und der Angeklagte mit seiner Berufung werden auf diese Entscheidung verwiesen.

 

 

Gründe:

 

Der am 28. Mai 1950 geborene Angeklagte Miljko M* wurde - abgesehen vom rechtskräftigen Freispruch in einem weiteren Betrugsfaktum - des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 6. November 1991 in A* mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung Angestellte der Fa. STEYR‑AUTO‑ATTNANG‑PUCHHEIM Kraftfahrzeug- Service‑Handels Ges.m.b.H. (kurz: Fa. STEYR‑AUTO- ATTNANG‑PUCHHEIM) nach Zurückdrehen des Tachometers an seinem PKW Volvo 760 GLE von 150.000 km auf 58.500 km durch Täuschung über Tatsachen (nämlich über die tatsächliche Kilometerleistung des Fahrzeuges) zu Handlungen, nämlich zum Erwerb dieses PKWs verleitet, wodurch das genannte Unternehmen am Vermögen in einem 25.000 S übersteigenden Betrage geschädigt wurde.

Nach den hier relevanten Feststellungen des Schöffengerichtes veräußerte der Angeklagte seinen erst kurze Zeit vorher erworbenen PKW Volvo 760 GLE, an dessen Kilometerzähler er in der Zwischenzeit den der tatsächlichen Laufleistung entsprechenden Kilometerstand von ca. 150.000 auf 58.500 zurückgedreht hatte, am 6. 11. 1991 an die Fa. STEYR‑AUTO‑ATTNANG‑PUCHHEIM unter Vortäuschen des unrichtigen Kilometerstandes. Als Gegenleistung für dieses Fahrzeug und gegen eine Aufzahlung von 4.000 S erwarben der Angeklagte einen PKW Honda Accord mit einer Laufleistung von ca. 95.000 km und Goran I* einen PKW Mitsubishi Galant, wobei Goran I* an den Angeklagten 61.000 S und an die Fa. STEYR‑AUTO‑ATTNANG‑PUCHHEIM die oben erwähnte Aufzahlung von 4.000 S leistete. Der Schöffensenat wies darauf hin, daß der Ankaufswert des PKW Volvo von der Fa. STEYR‑AUTO‑ATTNANG‑PUCHHEIM mit 274.000 S angenommen und damit um mehr als 25.000 S überhöht bewertet worden sei, sodaß das genannte Handelsunternehmen einen 25.000 S überteigenden Schaden erlitten habe. Im Rahmen der Beweiswürdigung (US 6) vermerkten die Tatrichter, daß "durch die Manipulationen des Angeklagten am Tachometer des Volvo ein Schade in Höhe von ca. 87.000 S entstand, um welchen Betrag von der Fa. STEYR‑AUTO‑ATTNANG‑PUCHHEIM der PKW wohl zu hoch bewertet worden wäre". Da der Sachverständige Josef U* in der Hauptverhandlung angegeben habe, daß bei der Ermittlung dieses Schadensbetrages noch geringfügige Korrekturen möglich seien, zumal er den genauen Wert des PKW Mitsubishi nicht angeben könne, sei in beweismäßiger Hinsicht zugunsten des Angeklagten ein jedenfalls 25.000 S übersteigender Schaden angenommen worden.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpfen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte jeweils mit Nichtigkeitsbeschwerde, die Anklagebehörde aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO in der Nichtannahme der (anklagekonformen) Qualifikation nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB, der Angeklagte hingegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO, und zwar aus dem zuletzt genannten Nichtigkeitsgrund mit Recht.

Auszugehen ist davon, daß bei Austauschverhältnissen - dolose Täuschung vorausgesetzt - der Betrugsschaden in der Differenz zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, in der Regel also im Unterschied zwischen dem Kaufpreis und den für den Geschädigten mit Rücksicht auf die ihm zugänglichen Verwertungsmöglichkeiten aus der Ware erzielten bzw. realistischerweise erzielbaren Erlös (vgl. u.a. Leukauf‑Steininger Komm3 § 146 RN 41, § 147 RN 36 und 42; Liebscher WrK § 146 Rz 21; Kienapfel BT II2 § 146 Rz 160), wobei bei Kaufleuten der Schaden auf der Basis marktgerechten Verkaufspreises zu errechnen ist (Mayerhofer‑Rieder StGB3 § 147 ENr 16).

Vorliegend hat nun das Erstgericht entgegen den dargelegten Grundsätzen die Auffassung vertreten, daß der Schaden in der - durch die Irreführung über den tatsächlichen Kilometerstand des Gebrauchtwagens Marke Volvo herbeigeführten - "überhöhten Bewertung" durch das Handelsunternehmen (mit 274.400 S) liege, wodurch ein jedenfalls 25.000 S übersteigender Schaden entstanden sei und demgemäß, also im Rechtsirrtum über die Natur des Differenzschadens, weder über den im Vertragszeitpunkt erzielbaren Verkaufspreis (bzw. den tatsächlichen Marktwert) des Volvo noch über jenen des hiefür im Tauschwege - neben dem PKW der Marke Honda (im Marktwert von cirka 126.000 S) - übergebenen PKWs Mitsubishi konkrete Feststellungen getroffen. Der Urteilshinweis auf den (vom Sachverständigen errechneten) Differenzbetrag von 87.000 S (zwischen dem Wert des Volvo mit der tatsächlichen Kilometerleistung von 150.000 und jenem, den das Fahrzeug mit der vorgegebenen Laufleistung von nur 58.000 gehabt hätte) vermag die fehlenden Konstatierungen über den Wert der Tauschobjekte nicht zu ersetzen, weil einerseits vom angemessenen (objektiven) Wert - und nicht von den erhöhten Erwartungen eines Geschäftspartners auszugehen ist (Kienapfel aaO Rz 176 und 180) und andererseits der PKW Volvo laut Sachverständigengutachten mit einem (nicht festgestellten) tatsächlichen Verkehrswert von rund 165.000 S und unbekanntem Verkaufswert im Austausch gegen Waren in derzeit nicht bekanntem Gesamtwert übergeben wurde.

Da die aufgezeigten Konstatierungsmängel vom Obersten Gerichtshof nicht saniert werden können, die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung mithin unumgänglich ist, war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung spruchgemäß zu erkennen (§ 285e StPO), ohne daß es erforderlich gewesen wäre, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Im fortgesetzten Rechtsgang wird - für den Fall der Annahme eines Vermögensschadens - in Ansehung der Qualifikation nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB zu beachten sein, daß im Sinne der zutreffenden Ansicht der Staatsanwaltschaft eine manipulative Veränderung der Anzeige eines Kilometerzählers als dementsprechend qualifizierte Benützung eines unrichtigen Meßgerätes in Betracht kommt (Leukauf‑Steininger Komm3 § 147 RN 21).

Mit den verbleibenden Rechtsmitteln waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte