OGH 7Ob562/93

OGH7Ob562/9316.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Claudia C*****, vertreten durch Dr.Wilhelm Winkler, Dr.Gebhard Winklereinzle und Dr.Julia Winkler, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen den Antragsgegner Kurt N*****, vertreten durch Dr.Rainer Kinz, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Bestellung eines Heiratsgutes, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 1.März 1993, GZ 1 a R 86/93-12, womit dem Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 12.Jänner 1993, GZ 1 Nc 733/91-9, teilweise Folge gegeben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden im bekämpften Umfang aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zur fortgesetzten Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die am 26.9.1965 geborene Antragstellerin ist die uneheliche Tochter des Antragsgegners. Mit ihrem am 4.10.1991 eingelangten Antrag begehrte sie anläßlich ihrer Eheschließung am 21.12.1990 die Bestellung eines Heiratsgutes von 1,000.000 S samt 4 % Zinsen ab Antragstag.

Der Antragsgegner beantragte Abweisung, weil er nur über ein geringes Einkommen verfüge und seine Liegenschaften zur Aufrechterhaltung seines landwirtschaftlichen Betriebes dienten.

Das Erstgericht wies den Antrag zur Gänze ab. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Antragstellerin war bis 31.7.1991 berufstätig und verdiente etwa S 24.000 netto im Monatsschnitt. Ihr Ehegatte erzielte zuletzt ein monatliches Einkommen von sfr 4.727,55 13 x jährlich. Die Antragstellerin besitzt eine Eigentumswohnung im Wert von ca 2,5 Mio S. Das zum Erwerb der Wohnung in Anspruch genommene Darlehen haftet derzeit noch mit etwa 2 Mio S aus. Die Antragstellerin erhielt von ihrer Mutter Ausstattungsgegenstände im Wert von S 300.000.

Der Antragsgegner ist ledig und hat keine weiteren Kinder. Er war früher als unselbständiger Schreiner beschäftigt, erlitt aber bei einem Überfall im Jahr 1964 schwere Verletzungen, so daß er seither keiner geregelten unselbständigen Arbeit mehr nachgehen kann. Er besitzt seit 10 Jahren die Gewerbeberechtigung für den Altwarenhandel. Er restauriert alte Möbel und handelt hauptsächlich mit Möbeln. Aus dieser Tätigkeit verfügt er über ein monatliches Nettoeinkommen von ca S 10.000.

Der Antragsteller besitzt Liegenschaften im Wert von insgesamt S 6,534.870. Die Einnahmen aus der Verpachtung der Grasnutzung betragen S 1.000 jährlich. Im übrigen nutzt der Antragsgegner seine Grundstücke zur Obstverwertung. In einem normalen Obstjahr kann er ca 1500 l Most um S 6 je Liter verkaufen. Außerdem verkauft er jährlich ca 150 l Schnaps um S 90 je Liter. Zusätzlich hat er Mieteinnahmen von S 2.800 monatlich inklusive Betriebskosten. Zur Sanierung seines Wohnhauses nahm er einen Altbausanierungskredit in Höhe von S 735.000 in Anspruch. Die monatlichen Tilgungsraten betragen S 4.975.

Die Antragsabweisung begründete das Erstgericht damit, daß die Antragstellerin Liegenschaftsvermögen im Wert von 2,5 Mio S besitze und über ausreichende Einkünfte verfügt habe, um ihre Hausstandsgründung selbst zu finanzieren.

Das Gericht zweiter Instanz sprach der Antragstellerin ein Heiratsgut von S 50.000 samt 4 % Zinsen seit 20.10.1991, zahlbar in fünf monatlichen Raten a S 10.000 rechtskräftig zu und wies das Mehrbegehren von S 950.000 sowie das Zinsenmehrbegehren ab. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es nicht zu. Das Einkommen der Antragstellerin sei nicht als derart überdurchschnittlich zu bezeichnen, daß es ihren Ausstattungsanspruch beseitige; dies gelte auch für den Besitz der Eigentumswohnung, weil im Zusammenhang damit noch offene Verbindlichkeiten von 2 Mio S bestünden. Dem Antragsgegner sei im Hinblick auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Zahlung von S 50.000, die er auch durch Kreditaufnahme unter Belastung seines Liegenschaftsvermögens finanzieren könne, zuzumuten. Es könne jedoch von ihm nicht verlangt werden, daß er Grundstücke verkaufe. Einerseits bilde das Liegenschaftsvermögen einen Teil seiner Existenzgrundlage; andererseits wäre aufgrund der derzeitigen Widmung als Bauerwartungsfläche nur ein geringer Verkaufserlös zu erzielen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.

Das Gericht zweiter Instanz hat zutreffend erkannt, daß weder das ehedem erzielte Einkommen der Antragstellerin noch ihre durch hohe Verbindlichkeiten belastete Eigentumswohnung die Ausstattung durch die Mutter dem Dotationsanspruch gegenüber ihrem unehelichen Vater entgegenstehen.

Die Bestimmung der Höhe dieses Anspruches ist jedoch derzeit wegen vorliegender Feststellungsmängel noch nicht möglich.

Der vom Rekursgericht zuerkannte Ausstattungsbetrag ist zwar als einkommensadäquat anzusehen. Als Bemessungsgrundlage ist jedoch nicht nur auf das (Arbeits-)Einkommen, sondern auch auf das Vermögen des Dotationspflichtigen entsprechend Bedacht zu nehmen, das das Gericht zweiter Instanz lediglich insoweit einbezogen hat, als es auf die dem Antragsgegner infolge seines Liegenschaftsbesitzes offenstehende Möglichkeit einer allfälligen Kreditbesicherung seiner Zahlungspflicht verweist.

Unter Vermögen im Sinn des § 1220 ABGB sind insbesondere auch Liegenschaften zu verstehen (Weiß in Klang2 V 731), soferne sich der Ausstattungspflichtige durch deren Belastung oder Veräußerung, allenfalls auch unmittelbare Übertragung an die Ausstattungsberechtigte ohne Beeinträchtigung der dem eigenen Lebensstandard und dem seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen entsprechenden Bedürfnisse die Mittel zur Ausstattung verschaffen könnte (EFSlg 60.013, 54.203, 38.529 ua; Petrasch in Rummel2 II § 1221 ABGB Rz 1). Nur ein völlig ertragloser und praktisch unveräußerlicher Liegenschaftsbesitz, wie etwa ein zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Antragsgegners dienendes Einfamilienhaus ist nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen (EFSlg 48.599, 48.598, 48.597).

Bei der angemessenen Berücksichtigung von als Vermögen zu berücksichtigenden Liegenschaften zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für ein Heiratsgut grundsätzlich nicht vom Ertragswert, sondern vom Verkehrswert der Liegenschaften im Zeitpunkt der Verehelichung der Antragstellerin bzw ihrer Antragstellung bei Gericht auszugehen. Lediglich dann, wenn das Vermögen durchwegs Betriebsvermögen ist, ist zur Vermeidung einer Gefährdung des Unternehmens und damit des den Unterhalt des Beitragspflichtigen gewährleistenden Unternehmergewinnes auf den Ertragswert abzustellen (EFSlg 56.952, 1 Ob 600/91).

Die Ansicht des Rekursgerichtes, der Grundbesitz des Antragsgegners stelle einen Teil seiner Existenzgrundlage dar und müsse ihm daher zur Gänze erhalten bleiben, findet in den bisher getroffenen Feststellungen keine Bestätigung. Danach liegt der Ertrag der landwirtschaftlichen Nutzung bei lediglich S 23.500 jährlich (S 1.000 Pachtzins, S 9.000 für Most, S 13.500 für Schnaps). Diesem bescheidenen Ergebnis steht der Liegenschaftswert von insgesamt etwa S 6,5 Mio gegenüber, so daß der Abverkauf eines Teilstückes selbst dann einen vernachlässigbar geringen Ertragsentgang mit sich brächte, wenn sämtliche Grundflächen mit Obstbäumen bepflanzt wären. Zur Beurteilung, ob und in welchem Ausmaß dem Antragsgegner der Verkauf von Grundflächen zumutbar oder überhaupt möglich ist, fehlen jedoch wesentliche Feststellungen. Diesen ist nicht zu entnehmen, welcher Wertanteil bei der Bemessung des Heiratsgutes auszuscheiden ist, wenn das Wohnbedürfnis des Antragsgegners gesichert bleiben soll.

Obgleich das von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten und die Aussage des Gutachters darauf hinweisen, daß ein 3.852 m2 großes Grundstück im Naturschutzgebiet liegt und daß es sich bei einem weiteren Grundstück um einen Weg handelt, fehlen Feststellungen darüber, ob zum Liegenschaftsbesitz des Antragsgegners auch Grundflächen zählen, die allenfalls deshalb als völlig ertraglos im oben aufgezeigten Sinn zu behandeln sind, weil sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten praktisch unverkäuflich und nicht ertragbringend nutzbar sind.

Um die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners einschätzen zu können, wird es daher erforderlich sein, Feststellungen über das Gesamtausmaß des Liegenschaftsbesitzes des Antragsgegners, über Ausmaß und Lage der jeweiligen Grundstücke, ihre aktuelle Nutzung, ihren jeweiligen Ertrags- und Verkehrswert sowie über realistische Verkaufschancen bei jedem einzelnen der Grundstücke und allfälligen Teilen derselben zu treffen. In diesem Zusammenhang wird auch klarzustellen sein, ob im festgestellten Liegenschaftswert von etwa 6,5 Mio S bereits der Wert der darauf errichteten Gebäude enthalten ist oder nicht und welchen Wert diese im einzelnen repräsentieren. Der Ansicht des Rekursgerichtes, daß derartige Umstände vernachlässigbar seien, weil gemäß § 1221 ABGB keine strenge Erforschung des Vermögensstandes stattzufinden habe, steht die Feststellung des Erstgerichtes über das Ausmaß des Altbausanierungsdarlehens entgegen, das auf einen entsprechenden Wert des Wohngebäudes schließen läßt.

Da bei der Bewertung von Liegenschaften auch grundbücherlich sichergestellte Darlehensschulden zu berücksichtigen sind (EFSlg 48.600, 1 Ob 600/91), wird weiters zu prüfen sein, welche Liegenschaften mit Pfandrechten belastet sind und in welcher Höhe der Darlehensbetrag im Zeitpunkt der Eheschließung der Antragstellerin aushaftete.

Weiters wird die Unklarheit, woher der Kläger die festgestellten Mietzinseinnahmen bezieht, zu beseitigen sein.

Das Gericht zweiter Instanz geht ohne entsprechende Feststellungsgrundlage davon aus, daß die Liegenschaften des Antragsgegners im Bauhoffnungsland liegen. Das Erstgericht wird daher auch die Lage der Grundstücke des Antragsgegners nach dem aktuellen Flächenwidmungsplan festzustellen haben. In rechtlicher Hinsicht wird hiebei zu beachten sein, daß die Lage der Liegenschaften oder Teile derselben in Bauhoffnungsland für sich allein noch nicht die Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz rechtfertigt, daß dem Antragsteller ein Verkauf unzumutbar sei. In diesem Fall wird vielmehr weiters festzustellen sein, welche Preisdifferenz zwischen dem derzeitigen Zustand und einer allfälligen Umwidmung in Bauland läge und ob in absehbarer Zeit mit einer Umwidmung zu rechnen ist. Nur dann, wenn die Gefahr bestünde, daß der Antragsgegner erhebliche Teile seines Vermögens derzeit zu einem Schleuderpreis vergeuden müßte, wäre die Verwertung dieser Vermögensteile zur Aufbringung des Heiratsgutes als unbillig abzulehnen.

Die dargelegten Umstände erfordern die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Rückverweisung der Sache an das Erstgericht.

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