Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15. Dezember 1992, GZ 9 b E Vr 13170/92-8, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen des § 17 Abs 3 (3. Satz) ZustellG iVm § 21 ZustellG und §§ 46 Abs 3, 79 Abs 2 und Abs 3, 80 Abs 1 StPO sowie §§ 14 Abs 3, 41 Abs 1 MedienG.
Text
Gründe:
In der Medienrechtssache AZ 9 b E Vr 13170/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien hat die Einzelrichterin am 7.Dezember 1992 (gemäß § 15 Abs 3 MedienG) die Hauptverhandlung für den 15. Dezember 1992 (13.00 Uhr) anberaumt und die Ladung des Antragstellers Alexander F***** sowie der Antragsgegner Rainer H***** und W***** Zeitschriften VerlagsGes.m.b.H sowie deren Rechtsvertreters verfügt; die Ladungen wurden am 9. Dezember 1992 abgefertigt (ON 6).
Rechtliche Beurteilung
Die Sendung mit der Ladung des Antragstellers wurde - nach zwei erfolglosen Zustellversuchen an der Abgabestelle am 14. Dezember 1992 und am 15. Dezember 1992 (§ 21 Abs 2 ZustellG) - beim zuständigen Postamt hinterlegt (§ 17 Abs 1 ZustellG), wobei der (am Zustellnachweis vermerkte - § 17 Abs 2 ZustellG) Beginn der Abholfrist auf den 16.Dezember 1992 fiel (Rückschein bei AS 51).
Zur Hauptverhandlung am 15.Dezember 1992 war der Antragsteller (entgegen der offenbar versehentlich erfolgten Beurkundung seiner Anwesenheit im Protokoll über die Hauptverhandlung - AS 53) nicht erschienen (AS 56, 59), worauf die Einzelrichterin - ungeachtet des (damals) fehlenden Zustellnachweises - in sinngemäßer Anwendung des § 46 Abs 3 StPO (iVm § 14 Abs 3 MedienG) mit Urteil aussprach, daß die Anträge des Antragstellers auf Veröffentlichung seiner Entgegnung sowie auf Verhängung einer Geldbuße nach § 18 Abs 1 MedienG abgewiesen und ihm gemäß § 19 Abs 3 MedienG die Verfahrenskosten auferlegt werden (AS 56 iVm ON 8).
Wie sich aus der Urteilsausfertigung ergibt, nahm die Einzelrichterin die Wirksamkeit der Zustellung der Ladung des Antragstellers zur Hauptverhandlung mit dem Tag des zweiten Zustellversuches (dem 15. Dezember 1992) an (AS 61).
In der Folge brachte der Antragsteller (u.a.) gegen das in Rede stehende Urteil fristgerecht Berufung wegen Nichtigkeit ein, die er (ausschließlich) auf das Fehlen der Voraussetzungen der im § 46 Abs 3 StPO normierten Rücktrittsvermutung zufolge Mißachtung der gesetzlichen Ladungsvorschriften stützte (AS 71 ff).
Die Berufung wurde vom Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 29. März 1993, AZ 27 Bs 81/93 (= ON 14), - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (13 Os 31/92) - mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, daß die Geltendmachung eines Zustellmangels in einer Berufung gegen ein freisprechendes Erkenntnis der gegenständlichen Art mangels Einräumung eines entsprechenden Nichtigkeitsgrundes (§ 281 Abs 1 StPO) nicht möglich sei und auch ein Wiedereinsetzungsrecht des Antragstellers nicht bestehe.
Eine Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Zustellung der Ladung des Antragstellers zur Hauptverhandlung im Wege des Aufsichtsrechtes nach § 15 StPO erachtete das Oberlandesgericht - zutreffend (vgl. gleichfalls 13 Os 31/92) - im Hinblick auf die damit verbundene nachteilige Wirkung für die Antragsgegner als nicht zulässig.
Das bezeichnete Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien steht - wie die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Nach den (gemäß §§ 41 Abs 1 MedienG, 80 Abs 1 StPO hier anzuwendenden) Bestimmungen der §§ 21 Abs 2 iVm 17 Abs 3 (3. Satz) ZustellG gelten hinterlegte Sendungen (nicht mit dem Tag des zweiten Zustellversuchs, sondern) mit dem ersten Tag der Abholfrist, d.i. jener Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird, als zugestellt (vgl. auch Mayerhofer-Rieder, Nebenstrafrecht**n, ZustellG § 17 E 8; § 21 E 3).
Danach war im vorliegenden Fall die Zustellung der Ladung zur Hauptverhandlung an den Antragsteller durch Hinterlegung erst am 16. Dezember 1992 erfolgt. Mangels (rechtzeitiger) Zustellung der Ladung an den Antragsteller konnte die (eine ordnungsgemäße Ladung des zur Hauptverhandlung am 15.Dezember 1992 nicht erschienenen Antragstellers voraussetzende) gesetzliche Rücktrittsvermutung des § 46 Abs 3 StPO daher nicht eintreten (vgl. Foregger-Serini-Kodek StPO5 Erl VII; Mayerhofer-Rieder StPO**n E 154, jeweils zu § 46).
Da die Einzelrichterin rechtsirrig die Zustellung der Ladung des Antragstellers zur Hauptverhandlung bei Urteilsverkündung überhaupt ohne Zustellnachweis und bei Urteilsausfertigung mit dem Tag, an dem der zweite Zustellversuch unternommen worden war, angenommen hat und von der gehörigen Ladung des zur Hauptverhandlung nicht erschienenen Antragstellers ausgegangen ist, verstößt ihre Entscheidung gegen die Bestimmungen des § 17 Abs 3 (3. Satz) ZustellG iVm §§ 21 ZustellG, 46 Abs 3, 79 Abs 2 und Abs 3, 80 Abs 1 StPO sowie 14 Abs 3, 41 Abs 1 MedienG.
Im Hinblick darauf, daß sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung allerdings zum Vorteil der (die Rechte des Beschuldigten genießenden - § 14 Abs 3 MedienG) Antragsgegner ausgewirkt hat, muß es mit der bloßen Feststellung der in Rede stehenden Rechtsfehlerhaftigkeit sein Bewenden haben.
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