OGH Okt4/93

OGHOkt4/9314.6.1993

Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch seinen stellvertretenden Vorsitzenden Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr.Gamerith sowie durch seine weiteren Mitglieder Kommerzialräte HonProf. Dr.Smolka, Dr.Bauer, Dkfm.Dr.Grünwald, Dr.Rauter, Dr.Reindl und Dr.Slezak in der Kartellrechtssache der Antragstellerin "A" reg.Gen.m.b.H., , vertreten durch Rechtsanwalt Univ.Prof.DDr.Walter Barfuss ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Anmeldung von Liefer- und Verwertungsverträgen nach _ 15 a Abs 1 MOG infolge Rekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des stellvertretenden Vorsitzenden des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien vom 5.Februar 1993, 4 Kt 604/92-2, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist eine Genossenschaft, die sich mit der Fabrikation (Verarbeitung) und dem Export von Käse befaßt. Sie hat mit sieben Vorarlberger Sennereien ("Betrieben"), die ebenfalls Genossenschaften sind, am 5.9.1988 (Sennerei Sulzberg), 22.2.1989 (Sennerei Hittisau), 29.6.1989 (Sennereigenossenschaft Huban, Doren), 3.5.1989 (Sennerei Langenegg), 30.10.1989 (Sennereigenossenschaft Andelsbuch), 1.12.1989 (Sennereigenossenschaft Schwarzenberg) und am 10.10.1991 (Sennereigenossenschaft Hörbranz, Leiblachtal) im wesentlichen gleichlautende Liefer- und Verwertungsverträge über die Lieferung von Käse und Butter abgeschlossen. Nach Punkt 3. dieser Verträge waren die Betriebe verpflichtet, Käse und Butter ausschließlich an die Antragstellerin (= "Verband") zu liefern. Der Verband ist gemäß Punkt 5. der Verträge zur Übernahme der genannten Erzeugnisse verpflichtet, soweit sie den gesetzlichen Bestimmungen, den geltenden Qualitätsrichtlinien und den vereinbarten Lieferbedingungen entsprechen.

Aufgrund eines früheren Kartellverfahrens (4 Kt 621/90 des Kartellgerichts beim OLG Wien), das der Bund gegen diesen Verband als Antragsgegner wegen Marktmißbrauchs, Verbot der Durchführung eines Absichtskartells, Abschöpfung der Bereichung und Entscheidungsveröffentlichung angestrengt hatte, haben die Vertragsparteien die erwähnten Verträge dahin geändert, daß die Betriebe Käse und Butter nur "grundsätzlich" an den Verband zur bestmöglichen Verwertung zu liefern haben. Die Finanzprokuratur zog daraufhin ihre Anträge beim Kartellgericht zurück.

Diese Liefer- und Verwertungsverträge beruhten auf _ 15 Abs 4 Marktordnungsgesetz (MOG) idF der MOG-Nov 1988, BGBl 1988/330, der anstelle der bisherigen "Andienungsregelung" die Möglichkeit für ein Vertragssystem vorsah (RV 599 BlgNR 17.GP 34). Nach dieser Bestimmung konnten zur Erreichung der im _ 2 Abs 1 MOG genannten Ziele Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe mit wirtschaftlichen Zusammenschlüssen solcher Betriebe, mit Handelsbetrieben oder mit anderen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieben, sowie wirtschaftlichen Zusammenschlüssen im Bereich der Milchwirtschaft untereinander Liefer- und Verwertungsverträge über Milch und Erzeugnisse aus Milch schließen. Derartige Verträge waren - bei sonstiger Nichtigkeit - beim Fonds (= Milchwirtschaftsfonds) zu hinterlegen.

Die Antragstellerin hat die genannten Liefer- und Verwertungsverträge beim Milchwirtschaftsfonds hinterlegt.

Sie meldete diese Liefer- und Verwertungsverträge samt Nachträgen gemäß _ 15 a Abs 3 MOG idF der MOG-Nov 1992 BGBl 1992/373 beim Kartellgericht an und beantragte, eine Eintragung nicht zu untersagen. Gleichzeitig wies sie darauf hin, daß diese Verträge ihrer Ansicht nach keine Kartelle im Sinn des KartG 1988 seien und verwies auf ihr Vorbringen im Vorakt 4 Kt 621/90 des Kartellgerichtes beim OLG Wien.

Das Erstgericht sprach durch den Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichtes aus, daß aufgrund einer Anmeldung nach _ 15 a Abs 3 MOG nur die Eintragung eines Kartells "genehmigt" (und damit "nicht untersagt") werden könne, was einen Antrag nach _ 15 a MOG voraussetze, der hier vorliege (Punkt 1.).

Die Gleichschrift der Anmeldung zum Kartellregister werde daher den Amtsparteien und dem Paritätischen Ausschuß für Kartellangelegenheiten mit dem Hinweis übermittelt, daß allenfalls fehlende oder erläuternde Angaben binnen 4 Wochen beantragt werden könnten (Punkt 2.).

Gegen Punkt 1. dieses Beschlusses erhebt die Antragstellerin Rekurs mit den Anträgen, die Entscheidung aufzuheben und entweder die Eintragung der angemeldeten Liefer- und Verwertungsverträge nicht zu untersagen oder aber _ 15 a Abs 3 MOG wegen Verfassungswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof anzufechten; allenfalls wolle dem Rekurs dahin Folge gegeben werden, daß die Anmeldung zurückgewiesen werde.

Der legistisch "verunglückte" _ 15 a Abs 3 MOG sehe vor, daß die seinerzeitigen Lieferungs- und Verwertungsverträge nach _ 15 Abs 4 MOG weiter angewendet werden dürfen, wenn ihre Eintragung nicht untersagt wurde. Ein Antrag auf Genehmigung eines Kartells sei im Gesetz nicht vorgesehen und von der Rekurswerberin auch nicht gestellt worden. Schon gar nicht könnten die angemeldeten Liefer- und Verwertungsverträge bewilligungspflichtige Absichtskartelle sein.

Liefer- und Verwertungsverträge im Sinne des alten _ 15 Abs 4 MOG, die keine Kartelle im Sinne des KartG 1988 seien, wären schlechter gestellt als solche, die sehr wohl Kartelle begründeten. Die erstgenannten dürften nicht mehr angewendet werden, die letzteren sehr wohl, wenn sie beim Kartellgericht angemeldet wurden "und eine Eintragung nicht untersagt wurde". Auch das Verhältnis zwischen _ 15 a Abs 3 MOG und _ 57 KartG 1988 wäre gestört.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig.

Gemäß _ 43 KartG 1988 (im folgenden nur: KartG) entscheiden das Kartellgericht und das Kartellobergericht in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz im Verfahren außer Streitsachen. Dasselbe gilt auch, wenn eine andere Norm, wie hier das Marktordnungsgesetz, die Anmeldung einer Vereinbarung beim Kartellgericht vorsieht, ohne über das Verfahren abweichende Regelungen zu treffen. Nach _ 9 Abs 1 AußStrG kann Rekurs erheben, wer sich durch die Verfügung der ersten Instanz über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet. Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist daher ein schlüssig behaupteter Eingriff in die geschätzte Rechtssphäre (SZ 42/176; SZ 50/41 ua). Unter einer anfechtbaren Verfügung ist eine auf die Erzeugung von Rechtswirkungen gerichtete prozessuale Willenserklärung des Gerichtes zu verstehen, deren Abänderung oder Aufhebung das dagegen erhobene Rechtsmittel bezweckt. Bei der Prüfung in dieser Richtung ist kein kleinlicher Maßstab anzulegen. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist mangels ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung nur dort abzulehnen, wo die Rechtsstellung der Beteiligten nicht gefährdet ist (SZ 50/41 mwN; zu allen Okt 11/90; Okt 38/90 uva).

Durch den angefochtenen Beschluß wird die Rechtsstellung der Rekurswerberin nicht verändert. Der Beschluß des Vorsitzenden des Kartellgerichtes enthält außer der nicht angefochtenen Zwischenerledigung (_ 101 KartG) gemäß Punkt 2. nur den deklarativen Ausspruch, daß die von der Antragstellerin gemäß _ 15 a Abs 3 MOG vorgenommene Anmeldung einen Antrag auf Genehmigung eines Kartells enthalte. Der Vorsitzende des Kartellgerichts trifft Entscheidungen, außer in den im Kartellgesetz sonst vorgesehenen Fällen (vgl Barfuß-Auer, Kartellrecht4, 113 FN 1) nur dann allein, wenn eine Partei dies beantragt. Da dies hier nicht der Fall ist, hat der Vorsitzende des Kartellgerichtes aufgrund der Anmeldung nach _ 15 a Abs 3 MOG nicht abschließend zu prüfen, in welcher Form und aufgrund welcher Voraussetzungen das Kartellgericht über eine solche Anmeldung zu entscheiden hat. Da dem Vorsitzenden - anders als etwa im Verfahren nach _ 57 KartG - keine über Zwischenerledigungen hinausgehenden Kompetenzen zukommen, greift seine Rechtsansicht im Rahmen der verfügten Zwischenerledigung, daß nur die Eintragung eines Kartells genehmigt und damit nicht untersagt werden könne, der künftigen Beschlußfassung durch das Kartellgericht nicht vor. Erst das Kartellgericht wird über die Anmeldung zu entscheiden und dabei vorher zu prüfen haben, ob die in _ 15 a Abs 3 MOG vorgesehene Nichtuntersagung einer Genehmigung nach _ 23 KartG gleichkommt oder eine im Kartellgesetz selbst nicht geregelte besondere Form der Entscheidung nach _ 15 a Abs 3 MOG ist, ob ein Kartell vorliegt und zu genehmigen ist oder ob die Anmeldung mangels Vorliegens eines Kartells zurückzuweisen ist.

Der angefochtene Beschluß greift in die Rechtsstellung der Antragstellerin in keiner Weise ein. Die Verpflichtung zur Anmeldung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz; ob die Anwendung der geltenden Vertragsinhalte bis längstens 30.6.1994 ohne Rechtsfolgen zulässig ist, hängt nur von dieser Anmeldung (unter der Voraussetzung der späteren Nichtuntersagung der Eintragung), aber nicht von einer Verfügung des Vorsitzenden des Kartellgerichtes ab. Damit ist aber die Rekurswerberin durch den angefochtenen Beschluß nicht beschwert.

Der Rekurs ist daher zurückzuweisen. Mangels meritorischer Prüfung dieser Kartellrechtssache ist auch der Antrag der Rekurswerberin, _ 15 a Abs 3 MOG wegen Verfassungswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, gegenstandslos.

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