OGH 9ObA49/93

OGH9ObA49/939.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Republik Österreich (Post- und Telegraphenverwaltung), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wider die beklagte Partei Ing.Rudolf D*****, Bauleiter, ***** vertreten durch Dr.Hans-Peter Benischke und Dr.Edwin Anton Payr, Rechtsanwälte in Graz, wegen 1,400.000 S, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.November 1992, GZ 8 Ra 63,64/92-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 8.Jänner 1992, GZ 31 Cga 56/91-17, und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Der Beklagte war seit April 1972 bei der Klägerin beschäftigt. Seit Anfang 1973 bis zu seiner Suspendierung im Mai 1988 betreute der Beklagte als Bauleiter Bauvorhaben der Klägerin. Diese Tätigkeit umfaßte die Zusammenstellung der Unterlagen für die Anmeldung des Bauvorhabens bei der Generaldirektion der Post- und Telegraphenverwaltung und bei der örtlichen Baubehörde, die Teilnahme an der Bauverhandlung, die Erstellung des Leistungsverzeichnisses zur Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung, die Sichtung der Anbote, die Erstellung des Preisspiegels für die drei kostengünstigsten Anbote samt sachlicher Kontrolle, den Entwurf des Bauauftrages, die Übermittlung der Arbeitsunterlagen an die Baufirma, die Leitung und begleitende Kontrolle des Bauvorhabens für die Post- und Telegraphenverwaltung, die Abnahme der einzelnen Positionen, die Erstellung und Prüfung von Aufmaßblättern, Regielisten und ähnlichen Abrechnungsunterlagen sowie die Prüfung der Teil- und Schlußrechnungen auf ihre sachliche Richtigkeit.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten S 1,400.000 sA aus dem Titel des Schadenersatzes unter Berufung auf das DHG. Der Beklagte habe seine Verpflichtung, als Bauleiter die Interessen der Post- und Telegrapenverwaltung wahrzunehmen und für eine sparsame und wirtschaftliche Verwendung der Mittel zu sorgen, gröblich mißachtet; er habe bei der laufenden Bauüberwachung und der Kontrolle der Schlußrechnungen der Bauvorhaben Post- und Wählamt H***** sowie der Wählämter S***** und W***** gravierende Fehler gemacht, durch die er der Klägerin einen Schaden von 3,376.000 S zugefügt habe. Hievon würden unter Berücksichtigung des Mäßigungsrechtes nach § 2 DHG 1,4 Mio S geltend gemacht.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß er als Organ im Sinne des § 1 OrgHG anzusehen sei, weil die Errichtung der in der Klage angeführten Bauten auf Grund des Fernmeldeinvestitionsgesetzes und damit in Vollziehung der Gesetze erfolgt sei. Der Beklagte sei von der Klägerin nicht gemäß § 7 OrgHG schriftlich zum Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruches aufgefordert worden, so daß eine wesentliche Klagevoraussetzung fehle. Darüber hinaus sei das angerufene Gericht in seiner Besetzung als Arbeits- und Sozialgericht nicht zur Entscheidung über Ersatzansprüche nach dem OrgHG berufen.

Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil fest, daß die eingeklagte Forderung dem Grunde nach zu Recht bestehe. Der Aufgabenbereich des Beklagten liege im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung, weshalb eine Aufforderung gemäß § 7 OrgHG nicht erforderlich sei.

Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der Berufung des Beklagten das Ersturteil sowie das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Gemäß § 2 FernmeldeG sei der Bund ausschließlich berechtigt, Fernmeldeanlagen zu errichten und zu betreiben. Die Erfüllung dieser Aufgabe erfolge gemäß § 10 FernmeldeG durch die dort genannten Fernmeldebehörden, in erster Instanz durch die Post- und Telegraphendirektion. Soweit daher der Bund Fernmeldeanlagen errichte und betreibe, seien grundsätzlich alle damit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten kraft Gesetzes der Hoheitsverwaltung zuzuordnen. Da die Klägerin den Beklagten nicht gemäß § 7 Abs 1 OrgHG schriftlich zur Anerkennung des geltend gemachten Anspruches aufgefordert habe, sei der Rechtsweg unzulässig.

Gegen diesen Beschluß richtet der Rekurs der Klägerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, die Zulässigkeit des Rechtsweges zu bejahen und die Rechtssache zur meritorischen Entscheidung über die Berufung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kann aus § 2 Abs 1 FernmeldeG, der dem Bund die Errichtung und den Betrieb von Fernmeldeanlagen vorbehält, nicht geschlossen werden, daß die Errichtung derartiger Anlagen in die Hoheitsverwaltung fällt (s Schaginger-Vavra, Das österreichische Fernmelderecht 9; VfSlg 2721/1954; SZ 53/70). Bei Errichtung dieser Anlagen tritt der Bund nicht als Träger staatlicher Gewalt mit Zwangsbefugnissen unter Einsatz der rechtstechnischen Mittel der Verordnung, des Bescheides und der Weisung auf, sondern schließt gleich einem Privaten Rechtsgeschäfte des Zivilrechtes ab; nach der in Rechtsprechung und herrschender Lehre vertretenen Abgrenzung zwischen der Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung nach den dem Staat zur Verwirklichung seiner Aufgaben vom Gesetzgeber bereitgestellten rechtstechnischen Mitteln (siehe VfSlg 3262/1957; 6084/1969; 7078/1973 ua; JBl 1964,569; SZ 45/134; 55/173; 60/156 ua; Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 21 sowie 27 ff; Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 145 f; dieselben, Österreichisches Verfassungsrecht3, 236; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes Rz 560; Schragel KommzAHG2 § 1 Rz 75) fällt die Errichtung von Gebäuden, auch wenn diese Zwecken der Hoheitsverwaltung dienen (vgl Antoniolli-Koja aaO 44 f; Schragel aaO § 1 Rz 83), in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung. Da nach ständiger Rechtsprechung des VfGH im Zweifel Privatwirtschaftsverwaltung anzunehmen ist (s VfSlg 7078/1973 ua; Schragel aaO § 1 Rz 82) und es sich bei der Errichtung eines Gebäudes um einen gegenüber den in diesem Gebäude allenfalls zu verrichtenden hoheitlichen Aufgaben verselbständigbaren Sachverhalt handelt (vgl Raschauer, "Daseinsvorsorge" als Rechtsbegriff, ÖZW 1980, 72 ff [77]), weist die im Rahmen des Baues der gegenständlichen Post- bzw Wählämter entfaltete, der Wahrung der Rechte der Klägerin als Bauherrin dienende Tätigkeit des Beklagten keinen so engen inneren Zusammenhang mit der Besorgung hoheitlicher Aufgaben auf, daß dies die Zuordnung zur Hoheitsverwaltung rechtfertigen würde (siehe auch Schragel aaO § 1 Rz 110 und 112; vgl SZ 53/70)

Die in der von Schaginger-Vavra (Fernmelderecht 9 und 73) zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 29.6.1964, 2 Ob 179/64 (= SZ 37/95) vertretene Auffassung über die weite Anwendung der Haftungsbestimmung des § 22 Abs 2 FMG auf alle mit der Herstellung, Instandhaltung, Änderung oder Aufhebung einer Fernmeldeanlage zusammenhängenden Tätigkeiten wurde in der Entscheidung SZ 43/167 nicht aufrechterhalten; diese Vorschrift sei nur auf Vorgänge anzuwenden, die in den Rahmen des Benützungsrechtes fielen. In der Entscheidung SZ 43/167 wurde eine Fahrt zur Beaufsichtigung der mit der Herstellung einer Fernmeldeanlage betrauten Privatunternehmen zwar nicht nach § 22 Abs 2 FMG beurteilt, aber als hoheitliche Tätigkeit iS des AHG auch im Hinblick darauf qualifiziert, daß sich ein vom Beamten der Post- und Telegraphendirektion auf der Dienstfahrt mitgenommener Bauleiter mit der auf der Baustelle neu angewendeten Methode der Kabelverlegung unter Wasser hätte vertraut machen sollen. Abgesehen davon, daß dieses weite Verständnis der Hoheitsverwaltung mit der zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach im Zweifel Privatwirtschaftsverwaltung anzunehmen sei, nicht vereinbar ist, weist der vorliegende Sachverhalt noch weniger Bezug zum Fernmeldewesen auf, so daß auch aus der Entscheidung SZ 43/167 kein tragfähiges Argument für die Zuordnung der Tätigkeit des Beklagten zur Hoheitsverwaltung zu gewinnen ist.

Dem Rekurs der Klägerin war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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