Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei wird stattgegeben. Der angefochtene Beschluß wird insoweit aufgehoben, als mit ihm der Rekurs des Rechtsmittelwerbers gegen die einstweilige Verfügung vom 4.Juni 1992 (ON 40) sowie der Rekurs des Rechtsmittelwerbers gegen die diese einstweilige Verfügung bestätigende Widerspruchsentscheidung vom 4.November 1992 (ON 45 a) zurückgewiesen wurden. Dem Rekursgericht wird die Entscheidung über die zurückgewiesenen Rekurse unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund des Fortfalls der Beschwer aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind Kosten des zu erneuernden Rekursverfahrens.
Text
Begründung
Im Verlauf des Ehescheidungsverfahrens hatte die Klägerin Ende Juli 1991 den auf § 382 Abs 1 Z 8 b EO gestützten Sicherungsantrag gestellt, ihrem Ehemann das Betreten der im gemeinschaftlichen Eigentum beider Streitteile stehenden Liegenschaft mit dem (als Zweitwohnsitz benützten) Haus zu verbieten; in ihrem schriftlichen Antrag begehrte die gefährderte Partei dieses Verbot "für die Dauer des Rechtsstreites..., längstens jedoch bis 31.12.1992". Der Antragsgegner sprach sich in seiner Äußerung gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung aus. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 12.September 1991 wurde auch über den Sicherungsantrag verhandelt. Die gefährdete Partei wiederholte den Antrag und formulierte dazu - ohne jede datumsmäßige Befristung (AS 63) - wörtlich: "Diese einstweilige Verfügung werde für die Dauer des gegenständlichen anhängigen Rechtsstreites beantragt." In der Folge schlossen die Parteien in der Tagsatzung vom 4.November 1991 über den Sicherungsantrag (ebenso wie über einen Antrag im Sinne des § 382 Abs 1 Z 8 a EO) einen Teilvergleich über die Benützung der Liegenschaft mit dem Zweitwohnsitz in der ersten Hälfte des Jahres 1992, wobei die Ehefrau ihren Sicherungsantrag "für den nachfolgenden Zeitraum" ausdrücklich aufrecht erhielt.
Im Zuge der mündlichen Streitverhandlung wurde in der Tagsatzung vom
16. März 1992 die Klägerin als Partei vernommen, während die
Vernehmung des zur Tagsatzung erschienenen Beklagten der auf den
13. Mai 1992 erstreckten Tagsatzung vorbehalten bleiben sollte. Diese
Tagsatzung wurde dann wegen Erkrankung der Prozeßrichterin auf
unbestimmte Zeit erstreckt. Mitte Mai 1992 urgierte die Klägerin
nicht nur die Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen
Streitverhandlung, sondern auch die Entscheidung über ihren
Sicherungsantrag. Hierauf ordnete das Prozeßgericht einerseits eine
Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung unter Ladung beider
Streitteile für den 3.September 1992 an und erließ anderseits am
4. Juni 1992 die einstweilige Verfügung (ON 40), mit der dem Ehemann
"bis zur Rechtskraft des hg Scheidungsverfahrens... verboten (wurde),
das in seinem sowie im Eigentum der klagenden bzw der gefährdeten
Partei stehende Haus in... zu betreten; dies ab dem 1.Juli 1992."
Der Ehemann erhob gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch (ON 41) und Rekurs (ON 42).
Im Rekurs bemängelte er unter anderem, daß die einstweilige Verfügung in Überschreitung des schriftlich gestellten Sicherungsantrages (ON 17) auch für eine Zeit über das Jahresende 1992 hinaus bewilligt worden sei. Er rügte aber auch als Verfahrensmangel, daß die einstweilige Verfügung zwar nach Vernehmung der Klägerin, aber vor einer Vernehmung seiner Person erlassen worden sei. Er erachtete im übrigen auch nach dem vom Prozeßgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt die Voraussetzungen für eine Anordnung im Sinne des § 382 Abs 1 Z 8 b EO als nicht erfüllt.
Nach Vernehmung des Beklagten als Partei in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 8.Oktober 1992 wies das Prozeßgericht mit Beschluß mit 4.November 1992 (ON 45 a) den Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung ab. Auch dagegen erhob der Ehemann Rekurs (ON 45 b). Mit Beschluß vom 25.November 1992 (ON 48) erkannte das Prozeßgericht dem vom Beklagten gegen die einstweilige Verfügung erhobenen Rekurs aufschiebende Wirkung zu.
Die Akten langten hierauf erst am 3.Dezember 1992 mit den beiden Rekursen beim Rekursgericht ein.
Dieses fällte seine Rekursentscheidung am 13.Januar 1993 (ON 45).
Das Rekursgericht hob in teilweiser Stattgebung des vom Antragsgegner gegen die einstweilige Verfügung erhobenen Rekurses die einstweilige Verfügung insoweit als nichtig auf, als das Betretungsverbot für einen Zeitraum über das Jahresende 1992 hinaus bewilligt worden war, und wies den Rekurs im übrigen (also soweit er sich gegen die Erlassung der einstweiligen Verfügung für das zweite Halbjahr 1992 wendete) wegen Wegfalles der Beschwer zufolge zwischenzeitigen Zeitablaufes zurück. Aus derselben Erwägung wies das Rekursgericht auch den gegen die bestätigende Widerspruchsentscheidung ergriffenen Rekurs des Antragsgegners zurück. Dazu sprach das Rekursgericht aus, daß der Entscheidungsgegenstand in Ansehung jedes der beiden Rekurse 50.000 S übersteigt sowie daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Die Klägerin ließ als gefährdete Partei die teilweise Aufhebung der einstweiligen Verfügung unangefochten. Sie brachte vielmehr unmittelbar nach Zustellung der Rekursentscheidung am 25.Februar 1993 einen mit 26.Februar 1993 datierten neuerlichen Sicherungsantrag (ON 51) ein, über den bisher noch nicht entschieden ist.
Der Beklagte ficht als Antragsgegner die rekursgerichtlichen Rechtsmittelzurückweisungen sowie die rekursgerichtlichen Kostenentscheidungen jeweils mit einem auf kostenpflichtige Abweisung des Sicherungsantrages zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.
Rechtliche Beurteilung
Das Verfahren über die Anfechtung der rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschlüsse ist nicht im Sinne des § 402 Abs 1 EO zweiseitig. Zwar hatte das zweitinstanzliche Verfahren zum einen einen Rekurs des Antragsgegners gegen die einstweilige Verfügung und zum anderen einen Rekurs des Antragsgegners gegen eine bestätigende Widerspruchsentscheidung zum Gegenstand; das Rekursgericht hat aber eine Sachentscheidung über diese Rechtsmittel wegen des zufolge Zeitablaufes angenommenen Fortfalls der Beschwer des Rechtsmittelwerbers abgelehnt und die Rechtsmittel zurückgewiesen. Das drittinstanzliche Verfahren über die Anfechtung dieser rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschlüsse hat keinen im § 402 Abs 1 EO genannten Beschluß zum Gegenstand. Die Eingangsworte des § 402 Abs 1 EO: "Hat das Verfahren einen Rekurs gegen... zum Gegenstand" sind im Fall der Anfechtung einer zweitinstanzlichen Entscheidung auf deren Entscheidungsgegenstand sowie auf den an den Obersten Gerichtshof herangetragenen Rechtsmittelantrag zu beziehen und nicht etwa auf den Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung, weil die Ausnahme von der grundsätzlich auch nach der Novellengesetzgebung aufrecht erhaltenen Einseitigkeit des Rekursverfahrens durch den Inhalt und die Bedeutung der jeweils angefochtenen und an ihrer Statt angestrebten Entscheidung abhängen soll (vgl EB zur RV der ZVN 1983, 669 BlgNR XV.GP, 73 zu § 402; isS 4 Ob 509/93). Im Rekursverfahren über eine Zurückweisung des gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung erhobenen Rekurses durch das Rekursgericht wird nicht unmittelbar über den Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung abgesprochen, sondern lediglich über die Richtigkeit der zweitinstanzlichen Formalentscheidung. Ein derartiges Rechtsmittelverfahren ist auch unter Beachtung der Regelung des § 402 Abs 1 EO einseitig.
Die im Revisionsrekurs behandelte Frage nach einer analogen Anwendung
der Regelung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO im Rekursverfahren kann im
vorliegenden Fall deshalb auf sich beruhen, weil die den
rekursgerichtlichen Rechtsmittelzurückweisungen zugrundegelegte
Rechtsansicht über den Wegfall der Beschwer zufolge Ablaufes der
Zeit, für welche die bekämpfte einstweilige Verfügung erlassen worden
war, mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im
Widerspruch steht. Diese vertritt seit mehr als zwei Jahrzehnten
unverändert den Leitsatz, daß ein durch einstweilige Verfügung angeordnetes Verbot auch nach Ablauf der Zeit, für die es erlassen worden war, für den Betroffenen schon im Hinblick auf seine möglichen Ersatzansprüche nach § 394 EO noch einen anfechtungswerten Beschwerdegegenstand darstellen kann (ÖBl 1971,98; GesRZ 1991,106; MietSlg 36.876 uva, zuletzt 1 Ob 21/89).
Aus diesem Grund ist der vom Antragsgegner gegen die rekursgerichtlichen Rechtsmittelzurückweisungen erhobene Rekurs nicht nur zulässig, sondern auch berechtigt.
Das Rekursgericht hat im Sinne der zitierten Rechtsprechung zu Unrecht mit dem Zeitablauf einen Fortfall der Beschwer des Rechtsmittelwerbers verbunden. Die Rechtsmittelzurückweisungen waren daher aufzuheben. Das Rekursgericht wird sich einer Entscheidung über die Rekurse unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu unterziehen haben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO, §§ 78, 402 Abs 4 EO.
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