OGH 15Os40/93

OGH15Os40/9327.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Mai 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kirschbichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Bernhard R***** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 15, 127, 128 Abs. 1 Z 2, 130, zweiter Satz, erster Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 20.Jänner 1993, GZ 23 Vr 1631/92-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr.Bierlein, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das ansonsten unberührt bleibt,

a) im Punkt 2 des Freispruchs, ferner

b) in der Nichtannahme gewerbsmäßiger Tatbegehung und

c) demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung)

aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird

1. zu a) gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Bernhard R***** ist schuldig, er hat am 7.Dezember 1992 in M***** in der Kirche des Stiftes fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, aus einem Opferstock in einem der Religionsübung dienenden Raum mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versucht.

Er hat (auch) hiedurch - vorbehaltlich der endgültigen rechtlichen Beurteilung im zweiten Rechtsgang - das Vergehen des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127 und 128 Abs. 1 Z 2 StGB begangen.

2. zu b) und c) die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

III. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die auch den Strafausspruch erfassende kassatorische Entscheidung verwiesen.

IV. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Bernhard R***** des Vergehens des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127 und 128 Abs. 1 Z 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 2.November 1992 in B***** in der Klosterkirche einen Gelddiebstahl aus einem Opferstock versuchte; vom Anklagevorwurf, auch am 29.November 1992 in der Kirche in S***** (1.) und am 7.Dezember 1992 im Stift M***** (2.) ähnliche Opferstockdiebstähle versucht zu haben, wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Darüberhinaus verneinten die Tatrichter die dem Angeklagten von der Anklagebehörde zur Last gelegte Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung.

Die Freisprüche und die Nichtannahme der erwähnten Qualifikation bekämpft die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde, die nominell auf § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützt wird; die Berufung der Anklagebehörde richtet sich gegen das ihrer Ansicht nach zu geringe Strafausmaß. Der Angeklagte beruft wegen zu hoher Bestrafung.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kann teilweise Berechtigung nicht abgesprochen werden.

Mit Bezugnahme auf den Freispruch vom Vorwurf des versuchten Opferstockdiebstahls in der Sitftskirche M***** (2.) stellte das Erstgericht fest, daß der Angeklagte diese Kirche mit dem Vorsatz betrat, Geld aus dem Opferstock zu stehlen. Als er mit einer Stabtaschenlampe in den Einwurfschlitz des Opferstocks leuchtete, um sich zu überzeugen, ob sich darin Bargeld befinde, wurde er von einem Geistlichen betreten, der ihn veranlaßte, die Kirche zu verlassen. Rechtlich beurteilte das Schöffengericht diesen Sachverhalt als (noch) nicht strafbare Vorbereitungshandlung, weil das festgestellte Verhalten des Angeklagten noch nicht so ausführungsnah gewesen sei, "daß verläßlich festgestellt werden konnte, daß er die entscheidende Hemmstufe zur Tatbegehung schon überwunden hatte" (US 7).

Diese Beurteilung erweist sich als verfehlt, wie die Staatsanwaltschaft zu Recht ins Treffen führt. Allerdings liegt diesbezüglich kein Feststellungsmangel in der Bedeutung der Z 10, wie die Anklagebehörde vermeint, sondern der Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO vor, weil die erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen ausreichen, das Verhalten des Angeklagten als strafbaren Versuch und nicht - wie das Erstgericht rechtsfehlerhaft vermeint - als straflose Vorbereitungshandlung zu beurteilen.

Gemäß § 15 Abs. 2 StGB ist eine Tat versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen oder einen anderen dazu zu bestimmen (§ 12), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Bei einem - wie vorliegend - Ausführungsversuch ist eine Handlung dann der Ausführung unmittelbar vorangehend, mithin ausführungsnah, wenn sie - spezifisch bezogen auf jenes Tatbild, auf dessen Verwirklichung der Tätervorsatz gerichtet ist - sowohl nach ihrer aktionsmäßigen als auch nach ihrer zeitlichen Beziehung im unmittelbaren Vorfeld der Ausführung dieses Tatbilds gelegen ist, was immer dann zutrifft, wenn sie mit dieser in einem derart sinnfälligen Zusammenhang steht, daß sie direkt auf diese ausgerichtet ist und es nach den zielgewollten Vorstellungen des Täters keiner nennenswerten weiteren örtlichen, zeitlichen oder manipulativen Etappen bedarf, um in diese überzugehen (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 15 RN 6 ff).

Der Tatplan des Angeklagten war darauf ausgerichtet, Geld aus dem Opferstock zu stehlen. Daß der Angeklagte auch in diesem Fall mit vollem Diebstahlsvorsatz handelte, hat das Erstgericht festgestellt (US 7). Bezogen auf die mithin gewollte Geldwegnahme war aber das Hineinleuchten in den Opferstock, um festzustellen, ob (und wo) sich darin Bargeld befindet, aus objektiver Sicht eine Handlung, die sowohl nach ihrer aktionsmäßigen als auch nach ihrer zeitlichen Beziehung im unmittelbaren Vorfeld der Ausführung des geplanten Diebstahls lag und auch ohne Zwischenschaltung nennenswerter örtlicher, zeitlicher oder manipulativer Etappen in diese übergehen sollte.

Das Verhalten des Angeklagten ist daher nicht mehr als bloße Vorbereitungshandlung, sondern als Diebstahlsversuch zu beurteilen.

Da das Schöffengericht alle für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen Feststellungen getroffen hat, war der rechtsirrig erfolgte Freispruch zu kassieren und sogleich in der Sache selbst dahin zu erkennen, daß der Angeklagte auch im Faktum Stift M***** - vorbehaltlich der endgültigen Beurteilung im zweiten Rechtsgang in Ansehung der ihm angelasteten gewerbsmäßigen Tatbegehung - das Vergehen des versuchten schweren Diebstahls nach §§ 15, 127, 128 Abs. 1 Z 2 StGB begangen hat.

Die Nichtannahme gewerbsmäßiger Begehung des Diebstahls begründete das Schöffengericht ersichtlich (lediglich) damit, daß bloß eine versuchte Tat vorliege (US 6). Abgesehen davon, daß das Vorliegen bloß einer Tat (für sich allein) noch keine tragfähige Grundlage für die Verneinung einer auf gewerbsmäßige Tatbegehung gerichteten Absicht zu bilden vermag, ist dieser Begründung durch den mit diesem Urteil gefällten weiteren Schuldspruch die Grundlage entzogen. Das Erstgericht wird daher im erneuerten Verfahren ausreichende Feststellungen dahin zu treffen haben, ob der Angeklagte die beiden Diebstahlsversuche in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung von solchen Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Dabei wird auch das Gesamtverhalten des Täters unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und der Begleitumstände des Falles zu beurteilen sein (vgl Leukauf-Steininger, Komm3 § 70 RN 3, 4).

Da sohin noch nicht feststeht, ob der Angeklagte die (versuchten) Opferstockdiebstähle gewerbsmäßig begangen hat und demnach auch noch nicht beurteilt werden kann, nach welcher gesetzlichen Bestimmung die Strafe über ihn auszumessen sein wird, war auch der Strafausspruch aufzuheben und es waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren Berufungen darauf zu verweisen.

Unbegründet ist die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch, sofern sie den Freispruch im Faktum 1 betrifft. Hier machten die Aussage des Zeugen K*****, daß sich der Angeklagte am Opferstock "zu schaffen machte", es dem Erstgericht in der Tat unmöglich, nähere Feststellungen dahin zu treffen, welche tatsächlichen Handlungen der Angeklagte gesetzt hat, um beurteilen zu können, ob bereits eine der Ausführung der Tat unmittelbar vorangehende Handlung vorliege. Demnach haftet dem Urteil in diesem Punkt der von der Anklagebehörde relevierte Feststellungsmangel nicht an, sodaß diesbezüglich die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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