OGH 15Os31/93

OGH15Os31/9327.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.Mai 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Schindler und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kirschbichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz Peter S***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach __ 15, 201 Abs. 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 24.November 1992, GZ 2 b Vr 4878/92-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiß, des Angeklagten und der Verteidigerin Dr.Strommer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß _ 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Franz Peter S***** wurde mit dem bekämpften Urteil des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach __ 15, 201 Abs. 2 StGB (Urteilsfaktum A.) und des Vergehens der Amtsanmaßung nach _ 314, erster Deliktsfall, StGB (Urteilsfaktum B.) schuldig erkannt.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen gab sich der Angeklagte am 25.Februar 1992 in Wien um ca. 15.30 Uhr gegenüber der Prostituierten Helga E*****, die im Bereich des Stadionparkplatzes im Wiener Prater in einem dort abgestellten PKW am Lenker dieses Fahrzeuges vereinbarungsgemäß einen Mundverkehr vornehmen wollte, als Polizeibeamter aus, veranlaßte sie zur Übergabe ihrer Kontrollkarte und maßte sich dadurch die Ausübung eines öffentlichen Amtes an (Urteilsfaktum B.). Dem Angeklagten gelang es anschließend, während der unbekannte PKW-Lenker mit dem Fahrzeug wegfuhr, Helga E***** unter dem Vorwand, sie auf die Wachstube zu bringen, zum Einsteigen in seinen PKW, in dem er auf der Rückbank einen Schäferhund mitführte, zu bewegen und unter Ausnützung der Situation dazu zu bringen, mit der unbezahlten Vornahme eines Mundverkehrs zu beginnen. Seiner Aufforderung, anstatt des Mundverkehrs daraufhin einen Geschlechtsverkehr vorzunehmen, kam die Zeugin aber aus Angst vor dem Angeklagten nicht mehr nach; vielmehr wollte sie aus dem Fahrzeug flüchten. Dabei konnte sie auch zweimal die Beifahrertür einen Spalt öffnen. Der Angeklagte versuchte daraufhin durch Anwendung von Gewalt Helga E***** zur Vornahme und Duldung eines Beischlafes zu nötigen, indem er sie jeweils an ihrer Jacke zurückzog, wodurch die von der Zeugin geöffnete Beifahrertür jeweils wieder ins Schloß fiel (Urteilsfaktum A.). Erst als sich ein Radfahrer dem PKW näherte, konnte Helga E***** (beim dritten Versuch zu entrinnen) hilfeschreiend aus dem PKW des Angeklagten entkommen.

Rechtliche Beurteilung

Der auf _ 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 9 lit. a StPO (die Anführung der Z 10 anstelle der Z 9 lit. a am Beginn der Rechtsmittelschrift beruht ersichtlich auf einem Versehen) gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Soweit in der Mängelrüge (Z 5) vorgebracht wird, der Angeklagte habe "um ca. 15.15" Uhr nach seinem Arbeitschluß um 14.36 Uhr noch nicht am Tatort sein können, übergeht die Beschwerde die aktengetreue (S 13) Feststellung, wonach die Tat (erst) um etwa 15.30 Uhr verübt wurde (US 9). Die nach den Behauptungen des Angeklagten vom Arbeitsplatz in der im 8.Bezirk gelegenen Skodagasse (S 21) mit einem Autobus der Linie 13 A zur Wohnung in der im 6.Bezirk gelegenen Gumpendorferstraße (Nr. 36) zurückgelegte Wegstrecke und jene von dort mit einem PKW in den Prater läßt sich aber erfahrungsgemäß im Zeitraum von etwa einer Stunde durchaus bewältigen. Es bedurfte demnach insoweit keiner näheren Erörterung im angefochtenen Urteil. Dies ganz abgesehen davon, daß sich der Angeklagte im Verfahren erster Instanz gar nicht ausdrücklich damit verantwortete, aus zeitlichen Gründen nicht als Täter in Frage zu kommen, sondern lediglich behauptete, am Tag der Tat zur Tatzeit wie auch sonst immer mit den Hunden seiner Lebensgefährtin (oder einem davon) in der Nähe der Wohnung seiner Lebensgefährtin spazierengegangen zu sein.

Eine unvollständige oder widersprüchliche Urteilsbegründung liegt aber auch nicht darin, daß - wie der Beschwerdeführer meint - jener Teil der Aussage der Zeugin E***** nicht erörtert worden sei, in dem sie dargelegt habe, auf welche Art ihr von einem unbekannt gebliebenen Radfahrer das (zur Ausforschung des Angeklagten führende) Kennzeichen des vom Täter benützten Fahrzeuges mitgeteilt wurde. Ein erörterungsbedürftiger Widerspruch in der Aussage der Zeugin liegt - dem Beschwerdevorbringen zuwider - insoweit nämlich gar nicht vor.

Nachdem die Zeugin vorerst die Frage der Vorsitzenden des Schöffensenates, ob der Radfahrer die Kennzeichen des vom Täter benützten Kraftfahrzeuges "aufgeschrieben und ihr dann gegeben habe" (bloß allgemein) bejaht hatte, ergänzte sie ihre Aussage über weiteres Befragen nach Einzelheiten dahin, daß der Radfahrer die Kennzeichennummer des Kraftfahrzeuges abgelesen und aufgeschrieben habe und anschließend das Kennzeichen "langsam angesagt" habe, worauf sie die Daten in ihr Notizbuch eingetragen habe (S 59). Damit präzisierte die Zeugin bloß, daß die von ihr vorerst nicht näher geschilderte "Übergabe der Kennzeichendaten" durch deutliche unmittelbare (mündliche) Mitteilung des Radfahrers erfolgte.

In der Tatsachenrüge (Z 5 a) unternimmt die Beschwerde insgesamt lediglich den Versuch, nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nach wie vor unzulässigen Schuldberufung die Angaben der vom Erstgericht für glaubwürdig erachteten Belastungszeugin E***** als bedenklich darzustellen. Der Beschwerdeführer vermag aber nicht - wie dies für eine gesetzmäßige Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes erforderlich wäre (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 _ 281 Z 5 a E 2) - schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen menschlichen Erfahrung, also intersubjektiv, erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen ließen.

Schließlich geht auch die Rechtsrüge des Angeklagten (Z 9 lit. a) fehl, in der er vorbringt, die festgestellte Kraftanwendung sei derart unerheblich gewesen, daß sie nicht dem für _ 201 Abs. 2 StGB erforderlichen Tatbestandsmerkmal der Gewaltausübung unterstellt werden könne.

Der Angeklagte übersieht dabei, daß beim Verbrechen der (minderschweren) Vergewaltigung nach _ 201 Abs. 2 StGB jede Art von Gewalt im Sinn des Einsatzes einer nicht ganz unerheblichen physischen Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermuteten Widerstandes ausreicht; einer besonderen Intensität der Kraftanwendung bedarf es nicht (vgl. Leukauf-Steininger Komm.3 _ 201 RN 19). Denn als Begehungsmittel des _ 201 Abs. 2 StGB genügt "normale" Gewalt, mithin im Rahmen des dreistufigen Gewaltbegriffes des Strafgesetzbuches - neben der "erheblichen Gewalt" (_ 84 Abs. 3, 142 Abs. 2 StGB) und der "schweren Gewalt" (_ 201 Abs. 1 StGB) - die unterste Stufe und daher die leichteste Form der strafrechtlichen noch relevanten Gewaltanwendung (vgl. EvBl. 1992/79).

Davon ausgehend haftet dem Ersturteil der behauptete Rechtsirrtum nicht an. Das Schöffengericht hat vielmehr auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zutreffend das Vorliegen der - vom Vorsatz des Angeklagten umfaßten (arg. "dadurch" US 6 11.Zeile) und dem Gewaltbegriff des _ 201 Abs. 2 StGB entsprechenden - Anwendung einer nicht ganz unerheblichen physischen Kraft zur Überwindung des Widerstandes der einen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten ablehnenden Zeugin E***** bejaht, hat doch der Angeklagte die Zeugin mit dem Vorsatz, sie zur Duldung oder Vornahme eines Beischlafes mit ihm zu nötigen, zweimal derart an der Jacke zurückgehalten, daß der dieser Kraftanwendung widerstrebenden (US 6) Zeugin dadurch eine Flucht aus dem Fahrzeug unmöglich gemacht wurde (und hiedurch überdies die bereits jeweils einen Spalt geöffnete Beifahrertür wieder ins Schloß fiel). Entgegen der Rechtsmeinung des Angeklagten schließt der Umstand, daß die Jacke der Zeugin beim Zurückhalten nicht zerriß und es der Zeugin schließlich beim dritten Versuch doch gelang, angesichts eines herannahenden Radfahrers hilferufend aus dem Fahrzeug zu flüchten, die Annahme einer relevanten Gewaltanwendung nicht aus.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach _ 201 Abs. 2 StGB unter Anwendung des _ 28 (Abs. 1) StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd den Umstand, daß es bei der Vergewaltigung beim Versuch blieb, und den "nicht überaus hohen Grad der angewandten Gewalt". Eine bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht hielt es angesichts des getrübten Vorlebens des Angeklagten und seiner neuerlichen Delinquenz nur rund 3/4 Jahre nach endgültiger Entlassung aus einer Freiheitsstrafe für nicht vertretbar.

Der eine gänzliche oder teilweise bedingte Strafnachsicht, hilfsweise eine Herabsetzung des Strafausmaßes anstrebenden Berufung des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Zu den festgestellten Strafzumessungsgründen ist vorerst anzumerken, daß ein "nicht überaus hoher Grad der angewendeten Gewalt" keinen besonderen Milderungsgrund (iSd _ 34 StGB) darstellt; wohl aber kann der mindere Grad der - eine nicht ganz unerhebliche physische Kraft darstellenden - Gewalt bei der Gewichtung der Strafzumessungsschuld iS der allgemeinen Grundsätze des _ 32 Abs. 3 StGB Beachtung finden.

Unzutreffend ist das Berufungsvorbringen, die Vorstrafen seien "in erster Linie vermögensrechtlicher Natur". Die gravierendste der Vorstrafen - 1979: 10 Jahre Freiheitsstrafe - wurde nämlich wegen massiver Gewalttätigkeitsdelikte (Raub unter Einsatz eines Fleischermessers, Vergewaltigung der beim Raub erheblich verletzten Frau, Freiheitsentziehung und Nötigung) verhängt. Dazu kommt, daß der Angeklagte bereits 1973 wegen des Verbrechens der Notzucht nach _ 125 StG 1945 verurteilt worden war, wobei er auch damals durch die Vorspiegelung, Kriminalbeamter zu sein, der Perlustrierungen durchzuführen hätte, Gelegenheit zur Tat schuf (Inhalt des Aktes AZ 15 Vr 227/73 des Kreisgerichtes Wels).

Der ins Treffen geführte Umstand, daß der Angeklagte durch Verbüßung einer Freiheitsstrafe aus dem "Umfeld" einer Beschäftigung in geordneten Verhältnissen herausgerissen werde, ist Folge seiner sich wiederholenden Delinquenz, die eine bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht nicht mehr gestattet.

Das Erstgericht hat ein der personalen Täterschuld und dem Unwert der Tat entsprechendes Strafausmaß gefunden, das nicht reduktionsbedürftig ist, und im Hinblick auf das einschlägig schwer getrübte Vorleben des Angeklagten, das eine günstige Prognose nicht mehr zuläßt, mit Grund das Vorliegen der Voraussetzungen der __ 43 Abs. 1 und 43 a Abs. 3 StGB verneint.

Auch der Berufung war somit ein Erfolg zu versagen.

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