OGH 7Ob543/93

OGH7Ob543/9326.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Claudia H*****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie für den 10.Wiener Gemeindebezirk als besonderer Sachwalter infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 15. Jänner 1992, GZ 44 R 1107/91-102, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 6.November 1991, GZ 8 P 655/88-93, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der Beschluß des Rekursgerichtes dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Die am 16.8.1975 geborene mj.Claudia H***** wohnt bei ihrer Mutter. Ihr Vater ist auf Grund des Beschlusses des Erstgerichtes vom 26.3.1986 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 2.000,-

verpflichtet. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 13.2.1989 wurden der Minderjährigen gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG Vorschüsse in Titelhöhe für die Zeit vom 1.1.1989 bis 31.12.1991 weitergewährt.

Mit Beschluß vom 6.11.1991 hat das Erstgericht von Amts wegen die Vorschüsse ab 1.10.1991 auf S 1.600,- monatlich herabgesetzt. Es stellte fest, daß die Minderjährige seit 9.9.1991 eine Krankenpflegeschule besuche und ein Taschengeld von S 2.255,-

vierzehnmal jährlich sowie ein Verpflegsgeld von S 59,- pro Tag erhalte; zusätzlich würden Berufskleidung und Lehrmittel im Wert von S 1.920,- monatlich zur Verfügung gestellt. Das Erstgericht vertrat die Ansicht, daß die Minderjährige mit ihrem Einkommen von durchschnittlich S 4.400,- im Monat und mit weiteren Unterhaltsleistungen seitens des Vaters von S 1.600,- ihre finanziellen Bedürfnisse durchaus befriedigen könne.

Die zweite Instanz gab dem Rekurs des Unterhaltssachwalters Folge und behob den erstgerichtlichen Beschluß ersatzlos. Sie sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Minderjährige erreiche nicht einmal mit dem zuletzt gewährten Vorschuß von S 2.000,- monatlich den Richtsatz für die Mindestpensionshöhe nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb und lit b ASVG, der als Orientierungshilfe für die Selbsterhaltungsfähigkeit heranzuziehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zulässig und auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in der inzwischen ergangenen Entscheidung des verstärkten Senates von 26.8.1992, 1 Ob 560/92 = EvBl 1993/12 zur Frage der Gewährung von Unterhaltsvorschüssen neben Eigeneinkünften Minderjähriger ausgeführt, daß das Gericht gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG zu prüfen hat, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsverpflichtung unter Bedachtnahme auf die geänderten Verhältnisse noch fortbesteht. Nur soweit danach der Unterhaltsanspruch herabzusetzen wäre, sind auch die Vorschüsse teilweise zu versagen bzw. gemäß § 19 Abs 1 UVG entsprechend herabzusetzen. Gänzlich zu versagen bzw. gemäß § 20 Abs 1 Z 4 lit b UVG einzustellen sind die Unterhaltsvorschüsse dagegen nur, wenn der Minderjährige infolge der geänderten Verhältnisse selbsterhaltungsfähig geworden ist. Bei einfachen Lebensverhältnissen ist das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf die Leistungen des geldunterhaltspflichtigen und des betreuenden Elternteils im Verhältnis zwischen dem Durchschnittsbedarf der Altersgruppe, welcher der Minderjährige angehört, und dessen Differenz zur Mindestpensionshöhe im Sinn des § 293 Abs 1 lit a sublit bb und b ASVG anzurechnen.

Letzterem Grundsatz widerspricht die im angefochtenen Beschluß vertretene Ansicht des Rekursgerichtes, daß die Differenz zwischen dem zitierten ASVG-Richtsatz und dem Eigeneinkommen des Kindes maßgebend sei, weil damit das Eigeneinkommen des Kindes ausschließlich zugunsten des betreuenden Elternteils und zu Lasten des Geldunterhaltspflichtigen angerechnet wird.

Wie in der zitierten Entscheidung ist auch hier von einfachen Lebensverhältissen auszugehen, da der in Deutschland lebende Vater arbeitslos ist und die Untergerichte unter Anwendung der Anspannungstheorie von einer der im Titel festgelegten Unterhaltsverpflichtung entsprechenden Leistungsfähigkeit des Vaters ausgegangen sind. Nach Abzug des vom Rekursgericht angenommenen Eigeneinkommens der Minderjährigen von S 4.400,- von dem vom Rekursgericht zutreffend als Richtwert für die Selbsterhaltungsfähigkeit herangezogenen ASVG-Richtsatz (für die fragliche Zeit vierzehnmal jährlich S 6.000,-), verbleibt ein von beiden Elternteilen zu deckender Unterhaltsanspruch von S 2.600,-. Bei Berücksichtigung des Umstandes, daß das vom Erstgericht festgestellte Verpflegsgeld von S 59,- wohl nur an Schultagen, nicht aber an schulfreien Tagen ausbezahlt wird, reduziert sich jedoch das anzunehmende monatliche Durchschnittseinkommen der Minderjährigen im fraglichen Zeitraum auf etwa S 3.800,-. Der noch offene Unterhaltsanspruch errechnet sich demnach mit etwa S 3.200,-.

Bei gleichteiliger Anrechnung der Einkünfte der Minderjährigen (Verhältnis des Durchschnittsbedarfs = damals S 3.690,- zum ASVG-Richtsatz) reduziert sich daher der Unterhaltsanspruch der Minderjährigen, soweit er auf Geldzahlung durch ihren Vater gerichtet ist, selbst dann auf jenen Betrag, den ihr das Erstgericht noch zugebilligt hat, wenn das Eigeneinkommen der Minderjährigen niedriger als vom Rekursgericht angesetzt wird.

In Stattgebung des Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien war deshalb der erstgerichtliche Herabsetzungsbeschluß wiederherzustellen.

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