OGH 7Ob552/93

OGH7Ob552/9326.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichthofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton K*****, vertreten durch Dr.Harald Berger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Nedjeljka K*****, vertreten durch Dr.Franz Linsinger, Rechtsanwalt in St.Johann i.P., wegen Ehescheidung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 30.Dezember 1992, GZ 21a R 23/92-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St.Johann i.P. vom 8.Juli 1992, GZ 1 C 7/92v-12 teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision des Klägers wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 3.623,04 (darin S 603,84 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 10.348,80 (darin S 724,80 USt und S 6.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile gingen miteinander 1979 eine Lebensgemeinschaft ein, der die am 16.6.1984 geborene Cornelia Patricia entsprang. Sie schlossen am 27.11.1987 die Ehe, in der am 29.5.1989 ihr zweites Kind, Reinhold, geboren wurde. Der Kläger neigte schon vor der Eheschließung dem Alkoholabusus zu, dies verstärkte sich im Lauf der Ehe. Er wurde wiederholt gegen die Beklagte tätlich, so "im März 1987", wobei diese einen Lendenwirbelabbruch erlitt, den Kläger aber nicht anzeigte. Während der zweiten Schwangerschaft verschlechterte sich das Verhältnis zwischen den Partnern zusehends. Der Kläger gab der Beklagten mehrfach Ohrfeigen, wodurch diese Blutunterlaufungen im Augenbereich und aufgeplatzte Lippen erlitt. Ab Herbst 1988 verdichteten sich die zunächst verbalen Auseinandersetzungen und diesen folgende Tätlichkeiten, wobei auch die Beklagte zurückschlug. Bei den Streitigkeiten fielen die von den Vorinstanzen im einzelnen festgestellten wechselseitigen Beschimpfungen. Am Muttertag 1991 schlug der Kläger die Beklagte aufs Kiefer. Die Beklagte sperrte den Kläger im Zuge dieser Auseinandersetzungen immer häufiger aus der Ehewohung aus und forderte ihn zum Verschwinden auf. "Da von früh bis abends gestritten wurde" blieb der Kläger immer wieder über das Wochenende von Zuhause weg. Die Beklagte kochte in der Folge nicht mehr für den Kläger, wusch auch nicht mehr seine Wäsche und untersagte ihm, die gemeinsame Waschmaschine zu benützen. Die sexuellen Kontakte der Streitteile endeten im April 1991. Im Mai 1991 zog der Kläger endgültig aus der Ehewohnung aus, nachdem er Tage davor nur auf dem Küchenboden schlafen durfte. Der Kläger hält die Ehe seit Mai 1990, die Beklagte etwa seit April 1991 für zerrüttet.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem beiderseitigen gleichteiligen Verschulden, das Berufungsgericht aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für unzulässig. Während das Erstgericht zum Ergebnis kam, daß beide Streitteile an der Zerrüttung der Ehe in etwa gleicher Weise beigetragen hätten und daß der Verschuldensanteil des einen nicht erheblich von jenem des anderen abweiche, vertrat das Berufungsgericht, die Ansicht, daß der Kläger mit der der Beklagten zugefügten Lendenwirbelverletzung im März 1987 ein Vergehen im Sinne des § 84 Abs 1 StGB begangen habe; die festgestellten Eheverfehlungen der Beklagten hätten im wesentlichen ihren Anfang erst nach jener schweren Verletzung genommen. Auch in der Folge habe der Kläger durch seine wiederholten Tätlichkeiten im Zusammenhang mit seinem Alkoholabusus schwerere Eheverfehlungen als die Beklagte gesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung vom Kläger erhobene Revision ist im Sinn des begehrten Ausspruches eines gleichteiligen Verschuldens berechtigt.

Richtig ist, daß die schwere Verletzung (Absplittung eines Lendenwirbels), die der Kläger der Beklagten im März 1987 zugefügt hat, vor der Eheschließung (27.11.1987) stattfand und daß damit der Schwerpunkt der Begründung des Berufungsgerichtes für den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe wegfällt. Von ausschlaggebender Bedeutung bei der Verschuldensabwägung ist, welche Eheverfehlungen zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geführt haben (MGA ABGB33 § 60 EheG/5). Zutreffend hat das Erstgericht erkannt, daß nur dann, wenn ein sehr unterschiedlicher Grad des Verschuldens hervorkommt, der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten gerechtfertigt ist. Der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensteile muß augenscheinlich hervortreten; das Verschulden des anderen Ehegatten muß fast völlig in den Hintergrund treten (MGA ABGB33 § 60 EheG/10 ff). Nach den Feststellungen trat die Zerrüttung der Ehe durch die während der zweiten Schwangerschaft der Beklagten sich ergebenden andauernden Streitigkeiten, die erst in der Folge zu Tätlichkeiten des Klägers führten, wobei die Beklagte in ihrer Unbeherrschtheit auch zurückschlug, ein. Die dadurch verursachte Steigerung der gegenseitigen Abneigung führte einerseits zu Alkoholexzessen des Klägers, andererseits zu nicht gerechtfertigtem Aussperren des Klägers aus der Ehewohnung und zu einer herabwürdigenden Behandlung des Klägers durch die Beklagte. Es kann unter diesen Umständen keinesfalls gesagt werden, daß das Verschulden der Beklagten an der Zerrüttung der Ehe fast völlig in den Hintergrund tritt. Die zutreffende Entscheidung des Erstgerichtes war daher wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagte ist mit ihrem Berufungsbegehren nicht durchgedrungen, wohl aber der Kläger mit seinem Revisionsbegehren. Es waren ihm daher die Kosten für diese beiden Verfahrensgänge zuzusprechen.

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