OGH 4Ob28/93

OGH4Ob28/9318.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Schönherr, Barfuß, Torggler und Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei M*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Paul Doralt und Dr.Wilfried Seist, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 490.000) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 18. Dezember 1992, GZ 6 R 276/92-16, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 11.September 1992, GZ 5 Cg 362/91-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 19.069,20 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 3.178,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Klägerin und Beklagte vertreiben als Einzelhändler Elektrogeräte. Die Klägerin wirbt mit der "K*****-Tiefstpreisgarantie". Danach wird dem Kunden die Preisdifferenz und noch zusätzlich ein Tiefstpreisbonus von 3 %, bei Großgeräten mindestens S 250, vergütet, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Händler bei prompter Lieferfähigkeit ein originalverpacktes Markengerät um einen mehr als 0,5 % unter dem K*****-Tiefstpreis liegenden Preis anbietet.

Am 24.10.1991 wurde der "M***** Markt" der Beklagten eröffnet. An diesem Tag erschienen Mitarbeiter der Klägerin in diesem neuen Geschäftslokal, um verschiedene Preise festzustellen und durch Diktieren oder Aufschreiben festzuhalten. Der Marktleiter der Beklagten teilte den Mitarbeitern der Klägerin mit, daß es ihnen zwar freistehe, das Geschäftslokal zu besuchen, daß aber systematische Preiserhebungen mit einem Diktiergerät oder durch schriftliches Aufzeichnen nicht geduldet würden. Gegen 19.00 Uhr desselben Tages kamen Mitarbeiter der Klägerin neuerlich in das Geschäftslokal der Beklagten; sie begannen nach dem Kauf von zwei CDs damit, Preise schriftlich zu notieren. Auch diese Personen wurden aufgefordert, systematische Preiserhebungen zu unterlassen. Auch am 22. und am 27.11.1991 wurden Personen, welche die Klägerin mit Preiserhebungen beauftragt hatte, von Mitarbeitern der Beklagten veranlaßt, die Preiserhebungen einzustellen und das Geschäftslokal zu verlassen.

Die Klägerin begehrt, der Beklagten zu untersagen, von der Klägerin mit dem Ermitteln von Verkaufspreisen der Beklagten beauftragte Personen beim Aufschreiben der festgestellten Preise zu behindern, insbesondere sie aufzufordern, das Geschäftslokal der Beklagten sofort zu verlassen, sofern sich diese Personen nicht anders verhalten als andere an den Preisen der Beklagten interessierte Kunden und den Geschäftsbetrieb der Beklagten durch die Preiserhebungen nicht ungebührlich störten. Die Klägerin stellt auch ein Veröffentlichungsbegehren.

Um ihre Tiefstpreisgarantie einhalten zu können, müsse die Klägerin die von den wichtigsten Mitbewerbern für die gängigsten Geräte verlangten Preise laufend erheben. Die in das Geschäft der Beklagten entsandten Mitarbeiter der Klägerin hätten sich völlig unauffällig, wie normale Interessenten, verhalten und den Geschäftsbetrieb der Beklagten nicht gestört.

Nach einhelliger deutscher Rechtsprechung könne sich ein Unternehmer, der seine Geschäftsräume dem allgemeinen Verkehr eröffnet hat, legitimen Kontrollmaßnahmen weder durch Hinweis auf sein Hausrecht noch durch Berufung auf eine vertragliche Unterlassungspflicht entziehen. Nach österreichischer Rechtsprechung sei der Einsatz von Testkäufern zulässig, wenn sie sich nicht anders als gewöhnliche Interessenten verhielten. Die Beklagte verhindere, daß die Erhebungsorgane der Klägerin Preise aufschreiben; das komme einem Hausverbot gleich.

Die Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Sie habe für Mitarbeiter der Klägerin kein generelles Hausverbot verhängt, doch sei sie nicht bereit, systematische Preiserhebungen zu dulden. Damit würde die Klägerin nicht diskriminiert; das von der Beklagten ausgesprochene Verbot systematischer Preiserhebungen gelte ganz allgemein. Weder die Klägerin noch ihre Mitarbeiter wollten bei der Beklagten einkaufen; der Beklagten komme im übrigen keine Monopolstellung zu.

Die Einschränkung des Hausrechtes aus wettbewerbsrechtlichen Gründen gelte nur für Mitbewerber, die im Geschäftslokal begangene Wettbewerbsverstöße aufdecken wollen; nur insoweit sei maßgebend, ob sich der Testkäufer wie ein "gewöhnlicher" Kunde verhält. Die Testbeobachtungen der Klägerin hätten den ausschließlichen Zweck, die Preise der Beklagten systematisch zu erheben, um dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Dies zu dulden und damit gerade die Wettbewerbsfähigkeit des Mitbewerbers zu fördern, sei die Beklagte nicht verpflichtet. Die Mitarbeiter der Klägerin verhielten sich im übrigen nicht wie normale Interessenten, die sich für den Preis eines oder allenfalls einiger Produkte, nicht aber für die Preise einer gesamten Abteilung oder der Geräte einer bestimmten Marke interessierten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Hausrecht sei aus wettbewerbsrechtlichen Gründen eingeschränkt. Mitbewerbern dürfe das Betreten der Geschäftsräume zu Testkäufen und Testbeobachtungen nicht untersagt werden, wenn Kontrollorgane die Vertragstreue und die Einhaltung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften überprüfen wollen. Die systematischen Preiserhebungen durch Mitarbeiter der Klägerin lägen aber weder im Interesse der Allgemeinheit noch bezweckten sie, eventuelle Wettbewerbsverstöße der Beklagten aufzudecken. Die Tiefstpreisgarantie zwinge die Klägerin nicht, selbst durch Erhebungen aktiv zu werden. Systematische Preiserhebungen bei anderen seien keine wettbewerbsrechtliche Notwendigkeit, welche die Beklagte dulden müßte. Das Hausrecht könne nicht eingeschränkt werden, um es einem Mitbewerber zu ermöglichen, eine Werbemaßnahme erfolgreich durchzuführen.

Die Preisbildung eines Unternehmens bedürfe im Wettbewerb eines gewissen Schutzes. Die systematische Preiserhebung durch ein Konkurrenzunternehmen lege die Unternehmensstrategie offen; andere Unternehmen könnten sich darauf einstellen, und zwar auch dann, wenn sich das Unternehmen im Wettbewerb lauter verhalte.

Der Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht nicht Folge; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die Revision zulässig sei. Das Hausrecht werde aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nur dann eingeschränkt, wenn durch Testbeobachtungen die Vertragstreue und die Einhaltung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften überprüft werden sollen. Es komme dabei nicht nur auf das Verhalten der Testpersonen, sondern auch auf ihr Motiv an. Das UWG wolle auch den Verbraucher und die Allgemeinheit schützen, allerdings nur dadurch, daß es den Wettbewerb rein halten wolle. Weder das Interesse der Allgemeinheit an einem niedrigen Preisniveau noch der Wunsch der Klägerin, zur bestmöglichen Einhaltung ihrer Tiefstpreisgarantie ließen es gerechtfertigt erscheinen, bei den Mitbewerbern Erhebungen anzustellen. Die Klägerin müsse auch nicht selbst aktiv werden; sie habe das schon vorhandene Wissen zu nützen, um den niedrigsten Preis verlangen zu können.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, ist das Hausrecht aus wettbewerbsrechtlichen Gründen eingeschränkt. Wer ein Ladengeschäft eröffnet, bringt für den allgemeinen Verkehr zum Ausdruck, daß er grundsätzlich an jeden Kunden Waren verkaufen will. Zu welchem Zweck der Kunde die Ware kauft, ist dabei ohne Belang. Ein Unternehmer, der seine Geschäftsräume dem allgemeinen Verkehr eröffnet hat, kann sich daher legitimen Kontrollmaßnahmen nicht durch Berufung auf sein Hausrecht entziehen (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht17 § 1 dUWG Rz 245, 247; BGH GRUR 1979, 859; GRUR 1966, 564; siehe auch SZ 63/90). Seine Duldungspflicht gilt aber nur gegenüber Testpersonen, die sich nicht anders verhalten als sonstige Verkehrsteilnehmer in solchen oder ähnlichen Fällen (ÖBl 1986, 9; BGH GRUR 1991, 843; OLG Nürnberg GRUR 1982, 571).

Die Revisionswerberin will daraus ableiten, daß eine Testbeobachtung unabhängig von ihrem Zweck schon dann zulässig sei, wenn sich die Testperson unauffällig verhält; sie beruft sich dabei auf die Entscheidungen OLG Nürnberg GRUR 1982, 571 und SZ 63/190). In diesen beiden Entscheidungen wird zwar ausgesprochen, daß der Geschäftsinhaber sein Geschäft auch Personen eröffnet, die nur zum Waren- und Preisvergleich kommen; damit sind aber ersichtlich nur Personen gemeint, die einen Kauf beabsichtigen und sich daher mit dem Angebot vertraut machen wollen. Daß der Geschäftsinhaber auch die Beobachtung seiner Preise durch einen Mitbewerber dulden müßte, der dies im eigenen Interesse tut, ist den genannten Entscheidungen nicht zu entnehmen. Ebensowenig geht daraus hervor, daß allein das Verhalten und nicht auch das Motiv der Testperson ausschlaggebend ist. In der Entscheidung SZ 53/190 ist die Berechtigung des vom Geschäftsinhaber ausgesprochenen Hausverbots vielmehr mit der tragenden Begründung bejaht worden, daß er nicht Personen zum Eintritt eingeladen habe, die nicht beabsichtigen, mit ihm Geschäfte zu schließen oder wenigstens vorbereitend seine Waren anzusehen.

Im vorliegenden Fall hatten die von der Klägerin entsandten Testpersonen - läßt man den "Alibikauf" von zwei CDs außer acht - nicht die Absicht, mit der Beklagten zu kontrahieren; ihr Interesse lag allein darin, das Preisniveau der Beklagten festzustellen, damit die Klägerin ihre "Tiefstpreisgarantie" durch eine entsprechende Preisgestaltung einhalten kann. Dieses wettbewerbsrechtliche Interesse der Klägerin hat aber nichts mit der Frage zu tun, ob sich die Beklagte im Wettbewerb lauter verhält. Nur insoweit ist aber eine Einschränkung des Hausrechtes aus wettbewerbsrechtlichen Gründen vertretbar. Dem Geschäftsinhaber steht einerseits das Hausrecht zu, anderseits ist er auch verpflichtet, die Regeln des lauteren Wettbewerbs einzuhalten. Für die Wirksamkeit dieser Verpflichtung ist es wesentlich, daß ihre Einhaltung überprüft werden kann. Dazu sind Testkäufe und Testbeobachtungen unerläßlich; der Geschäftsinhaber muß sie im Interesse eines lauteren Wettbewerbs trotz seines Hausrechts dulden, dessen Stärke sich aber wiederum darin zeigt, daß er Testpersonen seines Geschäftes verweisen kann, wenn sie durch ihr Verhalten den normalen Geschäftsablauf stören (s. BGH GRUR 1991, 843 - nicht genehmigtes Photographieren durch Testpersonen ist regelmäßig wettbewerbswidrig; vgl auch SZ 63/8 - Testkäufer mit Tonband).

Mit dem systematischen Erheben der Preise der Beklagten haben sich die Erhebungsorgane der Klägerin nicht wie "gewöhnliche" Käufer verhalten. Wer die Preise mehrerer Anbieter vergleicht, weil er (zB) ein Elektrogerät anschaffen will, erhebt die Preise dieses Gerätetyps, nicht aber die einer gesamten Abteilung oder sämtlicher Geräte eines Herstellers.

Das systematische Erheben des Preisniveaus der Beklagten durch die Klägerin diente auch nicht dazu zu prüfen, ob sich die Beklagte wettbewerbswidrig verhält; daß die Klägerin die Voraussetzungen dafür schaffen wollte, eine allfällige Werbung der Beklagten mit Preisgegenüberstellungen zu überprüfen, wird erstmals in der Revision behauptet. Nach dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt diente die Preiserhebung nicht dem Interesse an der Reinhaltung des Wettbewerbs, wie es durch das UWG geschützt ist (Koppensteiner2 II 239). Da die Beklagte das Hausrecht nicht dazu benützt hat, sich einen Freiraum für unkontrolliertes wettbewerbswidriges Handeln zu schaffen (s. Anm Ohlgrat zu BGH GRUR 1979, 859 [861]), liegt, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, kein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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