OGH 10ObS79/93

OGH10ObS79/9311.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Margarete Peters (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Friedrich Wienerroither (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Helene R*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Steflitsch, Rechtsanwalt in Oberwart, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Jänner 1993, GZ 32 Rs 175/92-49, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 27. Juli 1992, GZ 16 Cgs 48/91-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das auf Gewährung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.10.1990 gerichtete Klagebegehren ab. Es gelangte zum Ergebnis, daß die am 9.2.1949 geborene Klägerin, die keinen Beruf erlernte, auf Grund des medizinischen Leistungskalküls auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei, wo es noch eine Reihe von Tätigkeiten gebe, die ihr zumutbar wären. So könne sie als Portier oder im Aufsichtsdienst in Großbetrieben, Theatern, Museen und Kulturzentren tätig sein. Invalidität sei daher nicht gegeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Krankenstände von durchschnittlich sechs Wochen im Jahr würden keinen Ausschluß vom allgemeinen Arbeitsmarkt mit sich bringen. Erst ab einem prognostizierten Krankenstand von wenigstens sieben Wochen jährlich könnte allenfalls von einem solchen Ausschluß gesprochen werden. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen seien bei der Klägerin Krankenstände von sechs Wochen im Jahr zu erwarten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (§ 503 Z 2 ZPO) rügt die Klägerin zunächst, daß die Vorinstanzen kein arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt haben, welches notwendig sei, um die Auswirkungen der Leiden der Klägerin auf ihre Arbeitsfähigkeit zu prüfen. Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Die Feststellung des medizinischen Leistungskalküls und der Anforderungen in den Verweisungsberufen gehört ausschließlich dem Tatsachenbereich an. Zur Ermittlung des medizinischen Leistungskalküls wurden vom Erstgericht vier medizinische Sachverständigengutachten eingeholt. Die Lösung der Frage, ob außer den bereits vorliegenden ein weiteres Sachverständigengutachten zu demselben Beweisthema einzuholen gewesen wäre, gehört zur Beweiswürdigung und kann daher mit Revision nicht bekämpft werden (EFSlg 44.107, 55.106, 57.830 ua; 10 Ob S 3/93 ua; Fasching ZPR2 Rz 1910). Auch die Behauptung der Revisionswerberin, ein arbeitsmedizinischer Sachverständiger hätte die voraussehbare Krankenstandsdauer mit mehr als sieben Wochen beurteilt, stellt den untauglichen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen dar. Mit den weiteren Ausführungen in der Mängelrüge, wonach der berufskundliche Sachverständige nicht auf die konkrete Vermittelbarkeit der Klägerin eingegangen sei und außer Acht gelassen habe, daß etwaige Stellen bereits besetzt seien, und wonach keine Feststellungen getroffen worden seien, wie lange die Klägerin bei Ausübung einer verwiesenen Arbeit arbeitsfähig sein werde, werden Feststellungsmängel geltend gemacht, die der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen sind.

Aber auch der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache (§ 503 Z 4 ZPO) liegt nicht vor. In Zukunft trotz zumutbarer Krankenbehandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende leidensbedingte Krankenstände von sechs Wochen jährlich schließen einen Versicherten nicht vom allgemeinen Arbeitsmarkt aus; ein solcher Ausschluß wird nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erst aber einer Krankenstandsdauer von sieben Wochen jährlich angenommen (ausführlich SSV-NF 6/70 und 6/82). Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlaß, hievon abzugehen.

Zu Unrecht rügt die Klägerin auch das Unterlassen einer Feststellung, ob auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich freie Arbeitsstellen vorlägen, die der Klägerin zugänglich seien. Sie bekämpft dabei die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und der herrschenden Lehre, daß das Verweisungsfeld für gemindert erwerbsfähige Hilfsarbeiter mit dem gesamten Arbeitsmarkt ident ist und daß dabei die konkrete Arbeitsmarktsituation, nämlich die Frage, ob der Versicherte tatsächlich einen Dienstposten finden werde, ohne Bedeutung ist. Der Berücksichtigung der konkreten Arbeitsmarktsituation bei Beurteilung der Invalidität steht aber entgegen, daß der Gesetzgeber die Kompetenzbereiche von Unfall- und Pensionsversicherung einerseits und Arbeitslosenversicherung andererseits exklusiv festgelegt hat (ausführlich SSV-NF 6/56 mwN). Die konkreten Arbeitschancen der Klägerin auf dem Arbeitsmarkt in den ihr zumutbaren Verweisungsberufen brauchten daher nicht festgestellt zu werden. Gelingt es der Klägerin nicht, in einem zumutbaren Verweisungsberuf eine freie Stelle zu erlangen, ist sie arbeitslos, aber nicht invalid iS des § 255 Abs 3 ASVG.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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