OGH 5Ob513/93

OGH5Ob513/9316.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Christoph Georg W*****, geboren am *****, vertreten durch seine Mutter Barbara W*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des ehelichen Vaters Georg W*****, vertreten durch Dr.Christian Obrist, Rechtsanwalt in Zell am See, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 26.Jänner 1993, GZ 22 a R 444/92-18, mit dem der Rekurs des ehelichen Vaters gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am See vom 27.November 1992, GZ P 13/83-15, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes wird aufgehoben.

Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des ehelichen Vaters aufgetragen.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 27.November 1992, P 13/83-15, erhöhte das Erstgericht die dem ehelichen Vater obliegende Unterhaltspflicht dem Minderjährigen gegenüber. Dieser Beschluß wurde am 3.Dezember 1992 postamtlich hinterlegt, weil der eheliche Vater beim Zustellversuch nicht angetroffen worden war. Als Beginn der Abholfrist war auf der Hinterlegungsanzeige der 3.Dezember 1992 angegeben.

Am 21.Dezember 1992 langte beim Erstgericht der von Rechtsanwalt Dr.Christian Obrist als Vertreter des ehelichen Vaters verfaßte, am 18. Dezember 1992 zur Post gegebene Rekurs (ON 16 dA) ein.

Das Rekursgericht wies diesen Rekurs als verspätet zurück, wobei es aussprach, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es nahm aufgrund der dem Rekurs angeschlossenen eidesstattlichen Erklärung des ehelichen Vaters als bescheinigt an, daß dieser am Tag der Hinterlegung aus beruflichen Gründen ortsabwesend war und erst am 4. Dezember 1992 - einem Freitag - nachts nach Hause zurückgekehrt ist, sodaß er die Sendung erst am Montag, dem 7.Dezember 1992 beim Postamt beheben konnte. Bei Beurteilung der Rechtzeitigkeit dieses Rekurses ging das Rekursgericht von der Bestimmung des § 17 Abs 3 ZustG aus. Der in dieser Bestimmung genannte Ausdruck "rechtzeitig" stelle keine inhaltsleere Floskel dar, diesem Ausdruck komme vielmehr für die Auslegung Bedeutung zu. Der Gesetzgeber wolle dem Empfänger nur jenen Schutz zukommen lassen, der notwendig sei, um ihn nicht schlechter zu stellen als Empfänger, denen ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Die Auslegung dieser Bestimmung könne daher nur dahin erfolgen, daß der Empfänger von der Zustellung dann nicht rechtzeitig Kenntnis erlangt habe, wenn er nicht in der Lage gewesen sei, auf die Sendung zum gleichen Zeitpunkt zu reagieren, zu dem ein Empfänger üblicherweise hätte reagieren können, dem nach dem Willen des Gesetzgebers durch Hinterlegung habe zugestellt werden dürfen. Wenn daher der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt habe, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall wäre, so müsse die Zustellung durch Hinterlegung als ordnungsgemäß angesehen werden.

Im vorliegenden Fall sei die Sendung am 3.Dezember 1992 hinterlegt und dieses Datum als Beginn der Abholfrist festgesetzt worden, die Rückkehr des Rekurswerbers sei am Freitag, dem 4.Dezember 1992 erfolgt und die Behebung der Sendung am darauffolgenden Montag, dem 7. Dezember 1992 geschehen, weshalb bei einer rechtswirksamen Zustellung durch Hinterlegung am 3.Dezember 1992 die Rechtsmittelfrist am 17.Dezember 1992 abgelaufen und der vorliegende Rekurs verspätet sei. Im Hinblick auf die Rückkehr am 4.Dezember 1992 - auch wenn diese erst nachts erfolgte - sei davon auszugehen, daß einem Großteil der österreichischen Bevölkerung, die in einem Arbeitsprozeß stehe, die Behebung der zuzustellenden Sendung erst am darauffolgenden Werktag möglich sei, sodaß durch diesen Zustellvorgang der Rekurswerber gegenüber dem Durchschnitt der Empfänger derartiger Sendungen nicht als benachteiligt bezeichnet werden könne. Ihm sei vielmehr die Rechtsmittelfrist in etwa dem gleichen Ausmaß zur Verfügung gestanden, wie dies im Regelfall bei anderen Rechtsmittelwerbern der Fall gewesen wäre. Demnach gelte die Zustellung im Sinne des § 17 Abs 3 ZustG als mit dem Tag der Hinterlegung, welcher zugleich jener Tag sei, an dem die Abholfrist begonnen habe, erfolgt (EvBl 1974/101; Feil, Zustellwesen2 Eisenstadt 1992, Pruggverlag Eisenstadt, Rz 19 zu § 17 ZustG mwN).

Den Ausspruch über die Unzulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht damit, daß zur Bestimmung des § 17 Abs 3 4. Satz ZustG eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vorliege (EvBl 1974/101).

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des ehelichen Vaters, der iS des § 14 Abs 1 AußStrG - für eine analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist hier angesichts der ausdrücklichen Regelung des § 14 Abs 1 AußStrG kein Raum (EvBl 1990/137; 2 Ob 592/90; 1 Ob 631/90; RZ 1991/34; GesRZ 1991, 216; 4 Ob 1557/91) - zulässig und auch berechtigt ist.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß

"rechtzeitig" iS des § 17 Abs 3 ZustG dahin zu verstehen ist, daß dem

Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung

steht, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten

Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre, und daß

dies dann der Fall ist, wenn der Empfänger durch den Zustellvorgang

nicht erst später die Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der

Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung

infolge Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre und unter diesen

Umständen die Zustellung durch Hinterlegung - trotz vorübergehender

Ortsabwesenheit - als ordnungsgemäß angesehen werden muß (SZ 57/34 =

EvBl 1984/101 = JBl 1985, 115 mit Kritik von Schwaighofer, RdW 1984,

367, und Pfersmann, ÖJZ 1987, 109; 7 Ob 636/84; 1 Ob 716/84; 7 Ob 519/92).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung - auf die erwähnten kritischen Bemerkungen braucht hier mangels Relevanz nicht eingegangen zu werden - erweist sich die im Revisionsrekurs erhobene Rüge als berechtigt.

Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens ist davon auszugehen, daß ein Großteil der berufstätigen, tagsüber von der Abgabestelle abwesenden Bevölkerung bei Kenntnis von der postamtlichen Hinterlegung einer gerichtlichen Sendung üblicherweise die Möglichkeit hat, die Sendung jedenfalls an dem der Hinterlegung nächstfolgenden Werktag zu beheben. Im vorliegenden Fall erlangte der Rekurswerber nach dem vom Rekursgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt von der am Donnerstag (3.Dezember 1992) unter Festsetzung des Beginnes der Abholfrist mit dem selben Tag erfolgten postamtlichen Hinterlegung erst am Freitag nachts Kenntnis. Er konnte daher die Sendung frühestens am Monatg, dem 7.Dezember 1992, also zumindest zwei volle Tage später beheben, als dies einem ortsanwesenden erst nach Beendigung der Amtsstunden der Post am Tag der Hinterlegung in seine Wohnung (die Abgabestelle) zurückkehrenden Berufstätigen üblicherweise möglich gewesen wäre. Es kann somit nicht gesagt werden, daß dem Rekurswerber jener Zeitraum zur Ausführung seines Rechtsmittels zur Verfügung stand, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung durch postamtliche Hinterlegung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Kann die Hinterlegung am 3.Dezember 1992 wegen Ortsabwesenheit nicht als gesetzmäßig erfolgt angesehen werden, so gilt der erstgerichtliche Beschluß nicht mit dem Tag als zugestellt, an dem sie erstmals zur Abholung bereitgehalten wurde (§ 17 Abs 3, 3. Satz ZustG), sondern erst mit 7.Dezember 1992 als jenem Tag, an dem der Rekurswerber die hinterlegte Sendung nach seiner Rückkehr zur Abgabestelle beheben konnte (§ 17 Abs 3 letzter Satz ZustG).

Der am 18.Dezember 1992 zur Post gegebene Rekurs des Vaters erweist sich somit als rechtzeitig erhoben, weshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben war. Da der von Rechtsanwalt Dr. Obrist namens des ehelichen Vaters erhobene Rekurs weder von dessen Verfasser noch vom Vater selbst unterfertigt wurde und die Unterschrift des Vaters auf dem dem Schriftsatz angeschlossenen Blatt lediglich die dort abgegebene eidesstattliche Erklärung über seine Ortsabwesenheit am 3. und 4. Dezember 1992, nicht jedoch den Rekurs selbst deckt, kann erst nach Durchführung des vom Rekursgericht zu veranlassenden Verbesserungsverfahrens über den Rekurs entschieden werden. Es mußte daher der Zurückweisungsbeschluß des Rekursgerichtes aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs nach Durchführung des Verbesserungsverfahrens aufgetragen werden.

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