OGH 11Os15/93

OGH11Os15/936.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. April 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Hager, Dr. Schindler und Dr. Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hautz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl J* und Renate S* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Renate S* sowie die Berufung des Angeklagten Karl J* gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreis‑ (nunmehr Landes‑)gericht Leoben vom 10. November 1992, GZ 10 Vr 1278/91‑59, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Wasserbauer, der Angeklagten Renate S* und der Verteidigerinnen Dr. Mühl und Dr. Sturm‑Wedenig, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Karl J* zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E34436

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Angeklagten Renate S* wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über sie verhängte Freiheitsstrafe auf 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre herabgesetzt wird, wobei der unbedingte Strafteil 6 (sechs) Monate beträgt.

Im übrigen wird dieser Berufung wie auch der Berufung des Angeklagten Karl J* nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Karl J* und Renate S* die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Der * 1958 geborene (beschäftigungslose) Karl J* und die am * 1945 geborene Renate S* wurden aufgrund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB, Renate S* als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach haben (1.) Karl J* am 18. Dezember 1991 in München im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten Wilfried B* als Mittäter unter Verwendung einer Waffe durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, indem er und sein Komplize (im Urteilsspruch namentlich bezeichnete) Angestellte der Raiffeisenbank M* mit Pistolen bedrohten, insbesondere die Öffnung des Tresors erzwangen und daraus in mehreren Währungen einen Bargeldbetrag im Gegenwert von 302.625,31 DM entnahmen, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen und (2.) Renate S* im August 1991 (beginnend) in Eisenerz dadurch zur Ausführung des vorerwähnten schweren Raubes beigetragen, daß sie die bis dahin von Karl J* verwahrte halbautomatische Selbstladepistole der Marke Fegyvergyar, Kaliber 7,65 mit der Nummer 360714 in ihrem PKW versteckte und so von Österreich in die Bundesrepublik Deutschland schmuggelte und dort an Wilfried B* ausfolgte.

Das Urteil enthält weiters einen (in Rechtskraft erwachsenen) Teilfreispruch der Angeklagten Renate S*.

 

Rechtliche Beurteilung

Nur diese Angeklagte bekämpft ihren Schuldspruch mit einer auf § 345 Abs 1 Z 5, 8 und 10 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies - wie auch der Angeklagte J* - den Strafausspruch mit Berufung.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider bedeutete die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Vernehmung des Wilfried B* als Zeuge keine Beeinträchtigung wesentlicher Verteidigungsrechte der Angeklagten. Für die mit der abgelehnten Beweisaufnahme relevierte Frage, ob Renate S* das von Karl J* übernommene Paket mit der Tatwaffe ohne Kenntnis des tatsächlichen Inhalts in die Bundesrepublik Deutschland verbrachte und dort an Wilfried B* ausfolgte, waren primär die Modalitäten der Waffenübergabe durch J* an S* in Eisenerz von entscheidender Bedeutung, die vorweg ohne jene Wahrnehmungsmöglichkeit des damals im Ausland aufhältigen Wilfried B* stattfand. Nichts anderes gilt für die von dem Beweisantrag weiters berührte Frage, ob die ‑ nach der Verantwortung des Karl J* über den Inhalt des übernommenen Pakets vollinformierte (45j verso/I, 709/III, 86/IV) - Renate S* in bezug auf den geplanten Raub von einer für strafbaren Tatbeitrag (§ 12 dritter Fall StGB) hinreichenden Vorstellung geleitet war. Hätte es doch bei der Antragstellung auch dazu der Anführung besonderer (von selbst nicht einsichtiger) Gründe bedurft, aus denen die angestrebte Vernehmung des (derzeit in der Bundesrepublik Deutschland in Strafhaft befindlichen, fluchtgefährlichen und solcherart risikofrei für die inländische Gerichtsbarkeit gar nicht verfügbaren) Zeugen die erhofften Ergebnisse hätte erwarten lassen, dies umso mehr, als Wilfried B* sich im Zuge seiner Vernehmung auf dem Rechtshilfeweg gerade in jenen Punkten der Aussage entschlug, die seine (Halb‑)Schwester Renate S* betrafen (3ff/IV).

Die zur Instruktionsrüge (Z 8) einleitend vermißte Unterscheidung zwischen bedingtem Vorsatz und Fahrlässigkeit hinwieder setzt sich über jene Passagen der Rechtsbelehrung hinweg, in denen das Wesen vorsätzlicher Tatbegehung in einer auch für Laien verständlichen Weise erklärt (124ff/IV) und insbesondere auch unmißverständlich zwischen den Komponenten bedingt vorsätzlichen und bewußt fahrlässigen Verhaltens unterschieden wird (126/IV). Die behauptete entscheidungswesentliche Beirrung der Geschwornen durch die Erläuterungen der Rechtsbelehrung zum Begriff Dispositionsfähigkeit war schon deshalb ausgeschlossen, weil die Problematik der Zurechnungsunfähigkeit im Sinn des § 11 StGB mangels einer darauf abstellenden Fragestellung im konkreten Fall gar nicht aktuell war.

Soweit die Beschwerde weiters eine ausreichende Erklärung der gesetzlichen Kriterien strafbarer Beitragstäterschaft insbesondere durch Bezugnahme auf "neutrale Beispiele" und auf das im konkreten Fall zu beurteilende Tatgeschehen vermißt, überträgt sie der schriftlichen Rechtsbelehrung Aufgaben, die gemäß § 323 Abs 2 StPO der vom Vorsitzenden mit den Geschwornen durchzuführenden Besprechung vorbehalten sind. Gegenstand (nicht der schriftlichen Rechtsbelehrung sondern) dieser mündlichen Besprechung ist es, bei Erörterung der einzelnen Fragen die darin aufgenommenen Gesetzesmerkmale der strafbaren Handlung auf den ihnen zugrundeliegenden Sachverhalt zurückzuführen, die für die Beantwortung der Fragen entscheidenden Tatsachen hervorzuheben und insoweit auch auf die Ergebnisse der Hauptverhandlung hinzuweisen (Mayerhofer‑Rieder StPO3 ENr 14f, 18 zu § 345 Abs 1 Z 8). Da die den Geschwornen hier erteilte schriftliche Belehrung zur Beitragstäterschaft (128f/IV) Art und Umfang strafrechtlich relevanter Hilfeleistung konform mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung erläutert und insbesondere dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit des entsprechenden Tätervorsatzes in Ansehung (bloß) der wesentlichen Merkmale der geförderten Straftat (129/IV) in sachgerechter Weise Rechnung trägt, erweist sich der dazu erhobene Vorwurf ihrer Unrichtigkeit als unbegründet.

Auch die Beschwerdebehauptung, die Rechtsbelehrung könnte die Geschwornen zu der Auffassung irregeleitet haben, daß das Tatverhalten der Angeklagten bereits "Mittäterschaft" bedinge, erweist sich nach der Aktenlage als eine jedweder konkreten Stütze entbehrende Spekulation.

Der von der Beschwerde vermißte Hinweis darauf, daß sich die Tat "zumindest im Vorbereitungsstadium befunden haben mußte", stellt auf ein (vermeintliches) Kriterium strafbaren Tatbeitrages ab, das im Gesetz keine Deckung findet. Mag auch der Tatbeitrag in der Praxis häufig im Vorbereitungsstadium der geförderten Tat einsetzen, so hängt die Strafbarkeit der Beitragshandlung nicht von ihrer zeitlichen Nähe zur Tatausführung ab, weil ein tatunterstützender Beitrag sowohl vor als auch während der Deliktsausführung strafbar sein kann (Leukauf‑Steininger StGB3 RN 48 zu § 12).

Was schließlich zur Tatsachenrüge (Z 10 a) vorgebracht wird, vermag insgesamt keine Bedenken ‑ geschweige denn solche erheblichen Grades ‑ gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Daß sich die Geschwornen bei der Wahrheitsfindung auf jene Verfahrensergebnisse stützten, wonach sich die Angeklagte im Interesse ihres als für bewaffnete Überfälle auf Geldinstitute anfällig erkannten Halbbruders Wilfried B* zu der inkriminierten Verbringung einer Faustfeuerwaffe in die Bundesrepublik Deutschland entschloß, stellt einen Akt richterlicher Beweiswürdigung dar, der in keiner Richtung Mängel in der Bedeutung des zuletzt relevierten Nichtigkeitsgrundes erkennen läßt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als insgesamt unbegründet zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte gemäß § 143 erster Strafsatz StGB über Karl J* sechs Jahre Freiheitsstrafe und über Renate S* unter Anwendung des § 41 Abs 1 Z 3 StGB drei Jahre Freiheitsstrafe, wovon gemäß § 43a Abs 4 StGB ein Teil von zwei Jahren für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Dabei waren bei J* fünf einschlägige Vorstrafen, bei der Angeklagten S* kein Umstand erschwerend, mildernd hingegen bei J* das reumütige Geständnis, der damit verbundene Beitrag zur Wahrheitsfindung, die teilweise Schadensgutmachung durch Zustandebringung der Raubbeute und die Verleitung durch Wilfried B*, bei S* ihr bisher ordentlicher Lebenswandel, der auffallende Widerspruch der Tathandlung zu ihrem sonstigen Verhalten und ihre durch das familiäre Naheverhältnis zu B* ausgelöste untergeordnete Tatbeteiligung.

Gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO wurde überdies die bedingte Entlassung des Karl J* zu AZ 20 BE 72/89 des Kreisgerichtes Leoben widerrufen. Dieser Beschluß blieb unbekämpft.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten eine Strafherabsetzung, Renate S* zudem eine uneingeschränkte bedingte Strafnachsicht an. Nur der Berufung der Angeklagten S* kommt teilweise Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe zwar bei beiden Angeklagten vollzählig erfaßt, in ihrem Gewicht jedoch nur bei Karl J* zutreffend gewürdigt. Bewaffnete Banküberfälle der in Rede stehenden Art zählen zu den gravierendsten Formen kapitaler Eigentumsdelinquenz mit permanenter Aktualität. Es bedarf daher keiner weiteren Erörterung, daß die Erreichung des Strafzwecks in diesem Kriminalitätsbereich aus general‑ wie spezialpräventiver Sicht den Ausspruch von Sanktionen erforderlich macht, die dem besonderen Tatunrecht und dem akzentuierten gesellschaftlichen Störwert entsprechend Rechnung tragen. Diesem Erfordernis wird die hier über den Angeklagten J* verhängte Freiheitsstrafe in angemessener Weise gerecht. Unter Bedachtnahme auf die vorliegend aktuelle gesetzliche Strafdrohung von fünf bis 15 Jahren erweist sich die über diesen ‑ durch die bisherigen Vollzugserfahrungen unbeeindruckten ‑ Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe als nicht überhöht. Seine massive unmittelbare Raubbeteiligung läßt auf der Grundlage der vorerwähnten Strafzumessungsgründe die angestrebte weitere Annäherung der ausgesprochenen Freiheitsstrafe an die Untergrenze der gesetzlichen Strafdrohung nicht zu. Die im Tatverhalten der Zweitangeklagten zum Ausdruck kommende Bereitschaft zur Mitwirkung an schweren Straftaten ohne Rücksicht auf die mit dem eigenen Tatbeitrag verbundene Riskenerhöhung für potentielle Tatopfer steht zwar der von S* begehrten weitgehenden Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (bis hin zu einer umfassenden bedingten Strafnachsicht) entgegen, weil der im Bewußtsein der Anfälligkeit des (wenn auch) Halbbruders Wilfried B* für Schußwaffengebrauch zur persönlichen Bereicherung über die Staatsgrenze hinweg effektuierten Bereitstellung der zur Raubtat eingesetzten Faustfeuerwaffe doch ein beträchtliches Maß an Täterschuld und Tatunrecht zukommt. Der bisher ordentliche Lebenswandel und der Umstand jedoch, daß sich Renate S* ersichtlich primär aus falsch verstandener verwandtschaftlicher Bindung zu Wilfried B* zu ihren Tathandlungen hinreißen ließ, sprechen allerdings in Verbindung mit der Nachhaltigkeit erstmaliger Vollzugserfahrungen dafür, daß den hier aktuellen Straferfordernissen aus sowohl spezial‑ als auch generalpräventiver Sicht schon durch eine reduzierte Strafdauer von zweieinhalb Jahren und einen (unter Beibehaltung der Anwendung des § 43a Abs 4 StGB) herabgesetzten nicht bedingt nachgesehenen Teil der Strafe von sechs Monaten hinreichend Rechnung getragen wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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