OGH 14Os7/93

OGH14Os7/9330.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.März 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Zawilinski als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ante J* wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall und § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18.September 1992, GZ 10 Vr 1827/92‑54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, und des Verteidigers Dr.Kusatz, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0140OS00007.9300000.0330.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ante J* des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, sowie in der Absicht, sich durch die wiederholte Begehung der schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, nachgenannte Vertragspartner durch die Vorgabe, er sei Erfinder eines bereits unter Patentschutz stehenden Sonnenkollektors, der eine vielfache Verbesserung der Nutzung der Sonnen‑ und Lichtenergie bewirke, er übertrage die Lizenz‑ und Produktionsrechte ausschließlich dem Vertragspartner und verpflichte sich zur Lieferung des "oberen Kollektor‑Glaspaneels", wobei er bereits eine Bestellung der kroatischen Regierung zur Lieferung von zumindest 3.000 Sonnenkollektoren zum Preis von je 7.000 S habe, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zu vermögensschädigenden Handlungen, nämlich zum Abschluß eines Nutzungs‑ und Produktionsvertrages und zur Leistung von Anzahlungen für die Aufnahme der Produktion von Sonnenkollektoren verleitet (Punkt 1 bis 4) bzw. zu verleiten versucht (Punkt 5), und zwar:

1. in der Zeit vom 2.Dezember 1991 bis 13.Februar 1992 in Wien Dr.Sandor K*, Schaden 55.000 DM (= 385.000 S);

2. am 21.Februar 1992 in Graz Johann P*, Schaden 750.000 S;

3. am 9.März 1992 in Graz Erich R*, Schaden 200.000 S;

4. am 3.Juni 1992 in Graz Berechtigte der Firma K*, S* & Co GesmbH, Schaden 500.000 S;

5. im Mai 1992 in Graz Alois F*, beabsichtigter Schaden 500.000 S.

 

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer (nominell) auf die Z 4, 5, 9 lit. a und b (der Sache nach nur lit. a) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Einen Verfahrensmangel im Sinn des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung (S 435/II) des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages (S 405, 407/II) auf (ua) Vernehmung der Zeugen Boro P*, Ing.Slavko B*, Migle S* und Lidiya B* "zum Beweise der Produktion der genannten (?) Werkzeuge (wohl für die Herstellung des "oberen Kollektor‑Glaspaneels") im Gesamtwert von mindestens 300.000 DM" und dafür, daß der Angeklagte "die von ihm geschilderten Investitionen und Arbeiten durchgeführt" habe, wobei den genannten Zeugen "der Auftrag erteilt werden möge, die in ihrem Gewahrsam befindlichen Werkzeuge und sonstigen technischen Unterlagen zur Hauptverhandlung mitzubringen".

Die Verfahrensrüge versagt.

Das Schöffengericht hat nämlich den in Rede stehenden, nicht ausreichend substantiierten Beweisantrag schon deshalb ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten (zu Recht) abgewiesen, weil das relevierte vage Beweisthema die Tatsache, daß der Angeklagte ‑ unbekämpft ‑ (außerdem) nicht vorhandene (Patent‑)Rechte vertraglich vergab und den jeweiligen Vertragspartnern Exklusivrechte zusicherte (S 393, 435/II), gar nicht berührt. Schon diese dem Angeklagten vom Erstgericht in den Betrugsfakten gleichfalls zur Last gelegten Täuschungshandlungen (beim Abschluß der Verträge) stellen für sich allein eine im Sinn des § 146 StGB tatbestandsmäßige Irreführung seiner Geschäftspartner dar, die nach den Urteilsfeststellungen (vgl. insbesondere US 8, 10, 12) eine essentielle Vertragsvoraussetzung betraf, also für die Erbringung ihrer Leistungen sowie dementsprechend für den inkriminierten Vermögensschaden kausal war und darum in Verbindung mit dem weiters als erwiesen angenommenen Vorliegen auch der subjektiven Erfordernisse seine strafrechtliche Haftung wegen Betruges auslöst. Ob der Täter den Getäuschten über alle der zuvor bezeichneten (mehreren) Tatsachen oder nur über einzelne davon irreführt, ist rechtlich ohne Bedeutung, sodaß selbst aus dem etwaigen Wegfall bloß einer dieser Täuschungsvarianten (bei Aufrechtbleiben der anderen) für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen wäre.

Entgegen der in der Mängelrüge (Z 5) behaupteten Unvollständigkeit der Urteilsbegründung bedurfte es keiner gesonderten Erörterung der im Vertrag mit dem Zeugen P* unter Art. 5 Punkt 4 enthaltenen Klausel, wonach "der Erfinder" (gemeint: der Angeklagte) "damit einverstanden ist, die Gesamtkosten für beide Erfindungen im Ausmaß von 500.000 DM ein Jahr nach Produktionsbeginn zurückzuerstatten" (S 43/I). Denn im Hinblick auf die vom Angeklagten beabsichtigte Vertragsauflösung noch vor Produktionsaufnahme (vgl. S 103, 231/I; 397 f/II) konnte der dem Zeugen P* vertraglich zugesicherte Rückerstattungsanspruch gar nicht aktuell werden, war doch hiefür der Produktionsbeginn Voraussetzung, zu dem es aber ‑ unbestrittenermaßen ‑ gar nicht gekommen ist. Die Behauptung, daß der Angeklagte vom Inhalt dieser Klausel keine Kenntnis hatte, stellt im übrigen eine im Nichtigkeitsverfahren unbeachtliche Neuerung dar.

Soweit der Beschwerdeführer nähere Ausführungen zu den Vertragsbedingungen und eine zureichende Begründung für die ihm unterstellte Vertragsverletzung (US 10) vermißt, genügt der Hinweis auf sein Eingeständnis in der Hauptverhandlung, wonach er seine Vertragspflichten gegenüber Johann P* nicht erfüllt und deshalb wegen Vertragsauflösung die Rückerstattung des angezahlten Betrages beabsichtigt habe (S 397, 399/II). Demzufolge waren nähere Erörterungen über etwaige Vertragsverletzungen durch Johann P* gar nicht aktuell. Im Kern wendet der Beschwerdeführer in der Mängelrüge dagegen ein, daß das Schöffengericht (auch) zum Urteilsfaktum 2 der Aussage des Zeugen P* folgte (vgl. insbesondere US 14) und hiedurch (gemäß § 258 Abs. 2 StPO) seine damit im Widerspruch stehende Verantwortung als widerlegt erachtete. Daß aber die Tatrichter den Angaben des Zeugen P* Glauben schenkten und darauf ihre den Beschwerdeführer betreffenden Konstatierungen stützten, stellt einen im Nichtigkeitsverfahren unbekämpfbaren Akt der Beweiswürdigung dar; ein formaler Begründungsmangel kann darin nicht erblickt werden.

In der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) releviert der Beschwerdeführer, daß Betrug zum Nachteil des Zeugen P* (laut Punkt 2 des Urteilssatzes) deshalb ausscheide, weil der dem Genannten vertraglich zugesicherte Rückerstattungsanspruch einen jede Schädigung ausschließenden Deckungsfonds darstelle. Die Beschwerde übersieht jedoch dabei, daß ein präsenter Deckungsfonds begrifflich nur bei der Veruntreuung, nicht aber beim Betrug eine Rolle spielen kann (Leukauf‑Steininger Komm.3 RN 56; Mayerhofer‑Rieder StGB3 ENr. 91 je zu § 146). Abgesehen davon könnte nur der Bestand einer ausreichenden Gegenforderung des Angeklagten für den subjektiven Tatbestand wegen des möglichen Fehlens eines auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes von Bedeutung sein. Davon kann aber nach Lage des Falles schon deshalb nicht gesprochen werden, weil sich der Beschwerdeführer als Schadensäquivalent auf einen (überdies nur bedingt wirksamen) Rückforderungsanspruch des Johann P* und nicht auf eine ihm zustehende (kompensable) Geldforderung beruft.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Weiters wurde der Angeklagte gemäß §§ 366 Abs. 2369 Abs. 1 StPO schuldig erkannt, an die Privatbeteiligten nachstehende Geldbeträge zu bezahlen, nämlich an Dr.Sandor K* 385.000 S, an Johann P* 750.000 S, an Erich R* 200.000 S und an die Firma K*, S* & Co GesmbH 500.000 S.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend den hohen Schaden, die sorgfältige Tatvorbereitung und die verstärkte Tatbildmäßigkeit (ersichtlich gemeint: die zweifache Qualifizierung des Betruges zum Verbrechen); als mildernd hielt es dem Angeklagten den Umstand zugute, daß es in einem Fall beim Versuch blieb.

Mit seiner (Straf‑)Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren teilbedingte Nachsicht an.

Der Strafberufung, die im wesentlichen (bloß) ins Treffen führt, daß der Angeklagte "eine in Brüssel mit der goldenen Medaille ausgezeichnete Erfindung zu realisieren (versucht) habe" und zum Ausdruck bringt, daß eine Risikoaufteilung vorgelegen sei, weshalb das Scheitern nicht nur ihm angelastet werden könne, kommt keine Berechtigung zu.

Bei gewerbsmäßiger Tatbegehung geht die Wiederholung der Tat (zwar) in der Qualifikation der gewerbsmäßigen Begehung auf. Da jedoch die tatsächliche mehrfache Tatwiederholung, mag sie auch bei gewerbsmäßig handelnden Tätern die Regel sein, nicht zu den begrifflichen Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit gehört, kann sie bei der Gewichtung der Strafzumessungsgründe innerhalb des aktuellen Strafrahmens nicht außer Betracht bleiben (Leukauf‑Steininger aaO § 33 RN 5).

Angesichts des hohen Unwertes der dem Berufungswerber zur Last fallenden Betrugstaten entspricht die vom Erstgericht ausgemessene Freiheitsstrafe der personalen Täterschuld und dem Schuldgehalt der Tat; zu einer Strafreduktion bestand demnach kein Anlaß.

Das weitere Begehren auf Gewährung einer bedingte Nachsicht eines Teiles der Freiheitsstrafe gemäß § 43 a Abs. 4 StGB scheitert schon daran, daß die Anwendung dieser Gesetzesstelle voraussetzt, daß eine hohe Wahrscheinlichkeit (und nicht bloß begründete Aussicht) besteht, der Rechtsbrecher werde keine weiteren strafbaren Handlungen begehen. Dies setzt ein eindeutiges und beträchtliches Überwiegen jener Umstände voraus, die auf Seite des Täters dafür sprechen, daß es sich im Hinblick auf sein bisheriges Vorleben, seine Persönlichkeit und sein soziales Verhalten um eine nach menschlichem Ermessen einmalige Verfehlung gehandelt hat, wie dies etwa auf Straftaten aus Konflikts‑ und Krisensituationen zutreffen kann (vgl. Leukauf‑Steininger aaO § 43 a RN 16). Angesichts des Vorlebens des Angeklagten (vgl. US 6) und der Schwere der verschuldeten Rechtsgutbeeinträchtigung, kann vom Vorliegen eines extremen Ausnahmefalls, wie dies für die Anwendung des § 43 a Abs. 4 StGB gefordert wird, keine Rede sein.

Unbegründet ist schließlich auch die Berufung des Angeklagten gegen das Adhäsionserkenntnis.

Entgegen dem Berufungsvorbringen ist die im § 365 Abs. 2 StPO vorgeschriebene Anhörung des Angeklagten zu den von den Privatbeteiligten geltend gemachten Ansprüchen (S 409, 423, 429, 437/II) ohnedies erfolgt; gab doch der Angeklagte in der Hauptverhandlung "zu den Forderungen der Privatbeteiligten" die Erklärung ab (S 437/II), daß er "mit allen Forderungen dem Grunde und der Höhe nach einverstanden ist". Auch dem weiteren Berufungsvorbringen, welches sich in der Behauptung erschöpft, daß "hinsichtlich P* eine Deckung gegeben war" und die Realisierung des Projekts "aus Verschulden der Privatbeteiligten nicht zustandegekommen" sei, fehlt die Eignung, den auf den Verfahrensergebnissen basierenden erstinstanzlichen Privatbeteiligtenzuspruch in Frage zu stellen.

Über die Rechtsmittel des Angeklagten war demnach spruchgemäß zu erkennen.

 

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