OGH 10ObS147/92

OGH10ObS147/9230.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr.Wolfgang Dorner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dipl.-Ing.Raimund Tschulik (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Prof.Christine St*****, vertreten durch Dr.Karl Zerner, Dr.Heinrich Vana und Dr.Christine Kolbitsch, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr.Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ruhens der Alterspension und Rückforderung infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Jänner 1992, GZ 32 Rs 206/91-13, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23. Juli 1991, GZ 16 Cgs 35/91-8, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Aus Anlaß des Rekurses wird die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes als nichtig aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufungen der Parteien an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Mit Bescheid vom 22.1.1991 sprach die Beklagte aus, daß von der monatlichen Bruttopension der Klägerin von 13.710 S ab 1.1.1989 (bis 31.12.1989) 3.879,20 S wegen eines Erwerbseinkommens ruhten (§ 94 ASVG) und forderte den Überbezug von 52.679,20 S wegen Verletzung der Meldepflicht (§ 40 ASVG) in monatlichen Teilbeträgen von 1.000 S zurück (§ 107 ASVG), die von der monatlichen Leistung abgezogen würden.

Die dagegen rechtzeitig erhobene Klage richtet sich auf Feststellung, daß die Pension seit 1.1.1989 nicht ruhe, und auf Verurteilung der Beklagten, von der Rückforderung des Überbezuges von 52.679,20 S Abstand zu nehmen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren und die Verpflichtung der Klägerin zum Rückersatz des Überbezuges.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, "vom Ruhen der Pension der Klägerin seit 1.1.1989 und von der Rückforderung des Überbezuges von 44.912,80 S Abstand zu nehmen, ab (Abs 1 des Spruches), verurteilte die Beklagte, von der Rückforderung eines Überbezuges von 7.758,40 S Abstand zu nehmen (Abs 2 des Spruches) und veruteilte die Klägerin, der Beklagten den Überbezug von 44.912,80 S (Rückstand ab März 1989) binnen 14 Tagen zu zahlen (Abs 3 des Spruches).

Gegen die sie beschwerenden Teile des erstgerichtlichen Urteils erhoben beide Parteien Berufung. Die Klägerin beantragte das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern, die Beklagte beantragte, es im Sinn einer gänzlichen Klageabweisung und durch Verpflichtung der Klägerin zum Rückersatz des Überbezuges von 52.679,20 S abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Das Berufungsgericht gab mit Beschluß der Berufung der Klägerin Folge, hob das angefochtene Urteil auf, trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und verwies die Beklagte mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung. Dabei sprach es aus, daß "die Fortsetzung des Verfahrens erst nach Rechtskraft dieses Beschlusses zu erfolgen habe". In der Begründung bezeichnete das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin als berechtigt, die der Beklagten für nicht berechtigt.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und in der Sache selbst iS einer (gänzlichen) Klageabweisung zu entscheiden, allenfalls die Sache - unter Bindung an eine andere Rechtsansicht - zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte erwähnt, daß das Berufungsgericht ihrer Berufung nicht Folge gegeben habe.

Die Klägerin erstattete eine Rekursbeantwortung, in der sie den Rekurs im Ergebnis insofern als berechtigt erachtet, als die Rechtssache iS einer (gänzlichen) Klagestattgebung spruchreif sei, aber im übrigen beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlaß des zulässigen Rechtmittels der Beklagten war die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen im § 477 Abs 1 Z 9 ZPO bezeichneter, von Amts wegen wahrzunehmender Mängel als nichtig aufzuheben.

Daß im Spruch der Berufung der Klägerin Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben, "die beklagte Partei mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen" und auf S 2 der Begründung (AS 64) nur die Berufung der Klägerin, nicht aber die der Beklagten als berechtigt bezeichnet wurde, läßt nicht klar erkennen, ob das Berufungsgericht nur der Berufung der Klägerin Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil nur in dem diese Berufungswerberin beschwerenden Umfang aufgehoben hat, oder ob das Berufungsgericht auch der Berufung der Beklagten hinsichtlich des Eventualantrages Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil auch in dem die Beklagte beschwerenden Umfang, insgesamt also zur Gänze aufgehoben hat. Nur im letztgenannten Fall wäre die vom Berufungsgericht gewählte alleinige Entscheidungsform des Beschlusses richtig (§§ 496 Abs 1, 497 Abs 1 und 499 Abs 1 ZPO). Im erstgenannten Fall hätte das Berufungsgericht nur über die Berufung der Klägerin mit Beschluß entscheiden dürfen, über die Berufung der Beklagten hingegen durch (Teil-)Urteil in der Sache selbst erkennen müssen (§ 497 Abs 1 leg cit). Dies ist für das zu wählende Rechtsmittel von Bedeutung. Gegen einen im Berufungsverfahren ergangenen Beschluß des Berufungsgerichtes ist nach den §§ 514 Abs 1 und 519 Abs 1 Z 2 ZPO der Rekurs zulässig, gegen ein (Teil-)Urteil des Berufungsgerichtes hingegen nach § 502 leg cit die Revision.

Die Fassung der berufungsgerichtlichen Entscheidung ist daher so mangelhaft, daß ihre Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann (§ 477 Abs 1 Z 9 erster Fall ZPO).

Der Spruch der angefochtenen Entscheidung, in dem (nur) der Berufung der Klägerin Folge gegeben und dennoch das (gesamte) erstgerichtliche Urteil aufgehoben wurde, steht aber auch mit sich selbst in Widerspruch (zweiter Fall der zit Gesetzesstelle), weil eine teilweise Bestätigung und die gänzliche Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils einander logisch ausschließen würden.

Die Tatbestände des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO sind nur dann Nichtigkeitsgründe, wenn diesen Mängeln der angefochtenen Entscheidung nicht durch eine vom Obersten Gerichtshof angeordnete Berichtigung (§§ 419 bzw 430 ZPO) abgeholfen werden kann (§ 477 Abs 1 Z 9 letzter Halbsatz iVm § 513 leg cit).

Nach den §§ 419 bzw 430 ZPO könnte jedoch nur die Berichtigung von Schreib- und Rechnungsfehlern oder anderen offenbaren Unrichtigkeiten angeordnet werden. Daß es sich bei den Mängeln der angefochtenen Entscheidung um keine Schreib- und Rechnungsfehler handelt, bedarf keiner weiteren Begründung. Diese Mängel stellen aber auch keine offenbaren anderen Unrichtigkeiten dar. Aus der angefochtenen Entscheidung ist nicht zweifelsfrei zu erkennen, welchen Entscheidungswillen das Berufungsgericht wirklich hatte. Deshalb kann auch von einer evidenten Diskrepanz zwischen dem Entscheidungswillen des Berufungsgerichtes und dem Wortlaut seiner Entscheidung nicht gesprochen werden (Fasching, Komm III 809; ders, ZPR2 Rz 1566f; MGA ZPO14 § 419 E 2, 3).

Aus Anlaß des zulässigen Rechtsmittels der Beklagten war daher die angefochtene Entscheidung als nichtig aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufungen der Parteien an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 477 Abs 1 Z 9 und 526 ZPO).

Sollte das Berufungsgericht in der neuerlichen Entscheidung der Berufung der Beklagten nicht Folge geben, müßte es dafür bei sonstiger Nichtigkeit (§ 477 Abs 1 Z 9 dritter Fall ZPO) Gründe angeben. Ein solches Teilurteil würde lediglich die Pflicht der Klägerin zum Rückersatz einer zu Unrecht empfangenen Leistung betreffen. Im Beschluß nach § 519 ZPO hätte der Ausspruch nach Abs 1 Z 2 leg cit zu lauten: "Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist zulässig."

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