Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
In Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichtes wird das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe wieder hergestellt, daß die Ersatzpflicht der beklagten Partei umfänglich mit ihrer Schadenersatzverpflichtung gegenüber den Hinterbliebenen nach den Vorschriften des österreichischen Rechtes begrenzt ist.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 50.290,80 (darin S 8.381,80 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 24.929,40 (S 2.154,90 USt und S 12.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist staatlich geprüfter Berg- und Schiführer. Er führte vom 19. bis 23.3.1988 eine Personengruppe von 16 Schweizern gegen Entgelt auf Schitouren in den Stubaier Alpen.
Am 23.3.1988 unternahm er mit dieser Gruppe eine Tour von der Franz-Senn-Hütte aus über den Bergglasferner zum "Wilden Hinterbergl". Bei der Abfahrt, für die der Beklagte eine andere Route als die Aufstiegsroute wählte, nämlich jene über den Turmferner, löste sich eine Schneebrettlawine, die mehrere Teilnehmer und den Beklagten erfaßte. Dabei wurden einige Personen zum Teil schwer verletzt und Hugo S***** wurde zur Gänze verschüttet und getötet.
Das Unglück geschah in etwa 2500 m Seehöhe auf einem Steilhang, der vom Rücken einer Randmoräne, auf dem sich die Gruppe zunächst gesammelt hatte, talwärts zu einem weiteren Moränenrücken führte. Von der Standposition der Gruppe aus gesehen hätte die Möglichkeit bestanden, nach links auf dem Moränenrücken ca 50 m bis zum Markierungsstein des Sommerweges weiter und von dort aus abzufahren. Diese Variante wäre die wesentlich lawinensicherere gewesen. Wegen der relativ geringen Schneelage und herausragender Steine wählte der Beklagte jedoch die Abfahrt direkt über den Steilhang. Die in der Alpenvereinskarte eingetragene Tour "Auf das Wilde Hinterbergl" verläuft dort überhaupt anders: sie weicht dem Moränenrücken und dem Unglückshang zur Gänze aus.
Der vom Beklagten gewählte Steilhang neigt sich nach Nord-Osten und ist windexponiert. Er ist 60 bis 100 m breit und zwischen der oberen Begrenzung durch den Moränenrücken und dem Hangfluß (Übergang in eine flachere Mulde) ca 250 m lang. Das Profil in der Fallinie ist im oberen Hangteil, auf dem die Lawine abbrach, konvex. Ab dem Moränenrücken beträgt die Hangneigung zunächst 38 Grad, dann wird der Hang bis zu 45 Grad steil. Er ist der sichtbar steilste Hang der Umgebung. Seine Topographie zeigt ein wenig ausgeprägtes Relief von Rücken und Mulden, die mit Schnee gefüllt und ausgeglichen waren. In der Fallinie ist keine Gliederung - z.B. durch Terrassen oder Stufen - vorhanden.
In der Umgebung des Hanges betrug die mittlere Schneehöhe ca. 1,2 m. Im Hang lag jedoch wesentlich mehr Schnee. Vor allem in den Mulden lagerte der Schnee bis zu 2,3 m hoch. Daher mußten Schneeinfrachtungen stattgefunden haben.
Die Schneedecke bestand zur Gänze aus trockenem Schnee, der an der oberen Anrißlinie der Lawine ca 50 cm über dem Boden eine Schmelzharschschichte von 1-2 cm aufwies. Darüber lagerte verfilzter Altschnee in Höhe von 60 cm aus vier Schneefallperioden und darauf wiederum eine neue Schneedecke von etwa 10 cm. Unterhalb der Schmelzharschschichte befanden sich bereits in aufbauender Umwandlung begriffene Altschneekristalle mit Korngrößen von 4-5 mm (Schwimmschneeschichten). Dieser Schwimmschnee hatte sich vor allem in größeren Seehöhen und in Schattenhängen gebildet, obwohl im Winter 1987/88 keine intensive und langandauernde Kälteperiode aufgetreten war.
Die beiden dem Unfallstag unmittelbar vorangehenden Schneefallperioden ab Mitte März 1988 brachten mit 30-40 cm Neuschneesumme nur so geringen Schneezuwachs, daß daraus keine nennenswerte Lawinengefahr entstand. Die Temperaturentwicklung seit Mitte März 1988 verminderte grundsätzlich die Lawinengefahr. Das Wetter am Unfallstag war für die Tour geeignet. Laut Wetter- und Lawinenlagebericht war der Süden bzw der inneralpine Raum begünstigt.
Dem Beklagten war vor dem Einfahren in den Hang klar, daß dort in den Mulden Schnee eingeweht worden war. Er sprach - wie auch sonst - nicht mit den Gruppenmitgliedern darüber, ob um den Hang herum gefahren werden solle. Er machte sich über eine Lawinengefahr vor dem Einfahren in den Hang keine Gedanken. Das Befahren des Hanges sollte nach Anweisung des Beklagten einzeln, und zwar jeweils auf ein Stockzeichen von ihm, erfolgen. Die Einzelfahrt ordnete er routinemäßig an. Als Sammelplatz bezeichnete er den unterhalb des Hanges liegenden schneefreien Moränenrücken. Den schwächeren Teilnehmern riet er, in seiner Spur zu fahren.
Der Beklagte fuhr als erster bis zum Sammelplatz ab. Nachdem weitere fünf Tourenmitglieder abgefahren waren, trat Ernst H***** die Abfahrt an. Er kam nach wenigen Schwüngen zu Sturz. Noch während er im Steilhang mit dem Anschnallen der Schi beschäftigt war, fuhr Hugo S***** in den Hang ein, ohne auf das Handzeichen des Beklagten zu warten. Plötzlich löste sich knapp oberhalb von Ernst H***** ein Schneebrett, das auf der Schmelzharschschicht abglitt und die beiden im Hang befindlichen Schifahrer mitriß. 6 - 8 m hangwärts riß diese Lawine nochmals eine etwa gleichmächtige Schicht mit, sodaß an dieser Stelle die gesamte Abbruchhöhe etwa 1,5 m betrug. Die Lawine breitete sich am Hang über ca 70 m aus und fuhr als trockene Fließlawine zu Tal; dabei der Hauptarm entlang jenes Moränenrückens, auf dem die bereits abgefahrenen Schifahrer warteten.
Es ist nicht feststellbar, ob Hugo S***** schon vor dem Abgang der Lawine stürzte und wodurch die Lawine letztlich ausgelöst wurde; es ist denkbar, daß Hugo S***** von der Spur abkam und in einen Bereich geriet, der nicht so stabil war.
Vor dem Antritt der Tour erkundigte sich der Beklagte beim Hüttenwirt der Franz-Senn-Hütte über die Schneesituation und hörte den Wetterbericht ab. Ein neuerliches Abhören des Lawinenwarndienstes, den er zuletzt drei Tage vorher gehört hatte, erachtete er für nicht erforderlich, weil sich seiner Meinung nach die Witterungsverhältnisse nicht geändert hatten. Aus dem vom Hüttenwirt vor Antritt der Tour angefertigten, vom Beklagten begutachteten Schneeprofil ergab sich, daß sich in Bodennähe Schwimmschneeschichten befanden, die aber durch gut verfestigte Altschneeschichten abgedeckt waren. Daß Schwimmschneeschichten in Bodennähe bestanden, war dem Beklagten jedenfalls klar, weil der Winter schneearm war.
Auch wenn am Talboden nahe der Franz-Senn-Hütte in einem Schneeprofil wenig Schwimmschnee zu finden war, mußte bei Hängen im Nordsektor mit stark aufgebauten und mächtigen Schwimmschneeschichten gerechnet werden.
Am Umfallstag lautete der Lagebericht des Lawinenwarndienstes des Amtes der Tiroler Landesregierung wie folgt:
"Vom Dienstag auf Mittwoch sind im Raum Nordalpen, Kitzbühler und Zillertaler Alpen 15 - 20 cm Schnee gefallen. Die übrigen Landesteile verzeichnen in höheren Lagen 3 - 15 cm Schneezuwachs. Laut Wetterdienst ist heute mit inneralpinen Auflockerungen zu rechnen. In 2000 m steigen die Temperaturen wieder von -7 Grad auf -2 Grad C, in 3000 m von -13 Grad auf -7 Grad C. Auf den höher gelegenen Straßen und Wegen Tirols muß an exponierten Stellen im Bereich nicht entladener Lawinenstriche mit einer örtlich mäßigen Lawinengefahr gerechnet werden. In den inneralpinen Seitentälern und in Osttirol verursacht die Tageserwärmung und Sonneneinstrahlung vereinzelt Feuchtschneelawinen.
In den Tourengebieten ist örtlich eine erhebliche Schneebrett- und Lockerschneelawinengefahr zu beachten. Die Windverfrachtungen in kammnahen, vor allem ostseitigen Steilhängen und die tageszeitlich bedingten Feuchtschneelawinen in diesen Lagen erfordern bei Touren erhöhte Vorsicht".
Für den Lawinenabgang waren folgende Faktoren maßgebend:
Während sich noch steilere Hänge über 45 Grad schon bei geringen Schneemengen von selbst entladen, sammeln sich bei unter 45 Grad liegenden Neigungen größere Schneemassen an, die mit geringerer Stabilität als latent gefährliche Schneebretter am Hang liegen bleiben. Zusatzspannungen (Schifahrer) wirken sich ungünstiger aus als im flacheren Gelände. Das konvexe Profil im oberen Teil des Hanges verschärft die Gefährlichkeit, weil in diesem Bereich eine Zugzone in der Schneedecke entsteht. Die Lage des Hanges unterhalb des Moränenrückens verursacht Schneeansammlungen, deren Mächtigkeit von oben nach unten wächst, wodurch die Zugzone und damit die Bruchanfälligkeit bei Zugspannungen noch mehr zunimmt. Ungünstig war auch das Relief in Querrichtung mit Mulden und Rücken, weil durch die wechselnden Schneehöhen zusätzliche Spannungen entstehen. Kritisch ist weiter die Orientierung des Hanges nach Nord-Osten, weil hier die Schwimmschneebildung am schnellsten und am stärksten ausgeprägt und die Selbststabilisierung der Schwimmschneeschicht am langsamsten erfolgt. Diese Effekte wurden durch die Höhenlage wegen der niedrigen Temperatur verstärkt.
Durch die Länge und Breite sowie die in Fallinie praktisch fehlende Gliederung des Hanges können große Schneemassen gleichzeitig in Bewegung geraten, die durch die Steilheit rasch auf große Geschwindigkeit beschleunigt werden, so daß die Lawinenkräfte sehr groß werden. Eine sogenannte Schußflucht in den Hang ist nicht möglich.
Die klagende Partei ist als Unfallversicherer Hugo S*****s auf Grund der Bestimmungen des Schweizerischen Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG) verpflichtet, an die Witwe und das Kind des Hugo S***** eine Hinterlassenenrente zu zahlen.
Die klagende Partei begehrte die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für ihre nach dem UVG zu erbringenden Leistungen an die Hinterbliebenen, deren Ansprüche gemäß Art 41 UVG auf sie übergegangen sei. Der Beklagte habe den Unfall dadurch verschuldet, daß er nicht das von einem für die Sicherheit der Gruppe verantwortlichen Schiführer zu verlangende Maß an vorausblickender Vorsicht angewendet habe. Er hätte den Hang überhaupt umfahren und eine weniger gefährliche Route wählen müssen. Zudem habe er die Teilnehmer nicht einmal über das Risiko informiert.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er bestritt jeglichen Schuldvorwurf und wendete zudem ein: Den Getöteten treffe das Alleinverschulden oder zumindest ein Mitverschulden, weil er in den Hang eingefahren sei, ohne das Handzeichen des Beklagten und das Räumen des Hanges durch den gestürzten Ernst H***** abzuwarten. Außerdem sei die klagende Partei gemäß Art 47ff und 50 der schweizerischen Verordnung über die Unfallversicherung (UVV) nicht verpflichtet, Versicherungsleistungen zu erbringen, weil es sich um einen Nichtberufsunfall handle, der auf ein Wagnis zurückzuführen sei. Im übrigen sei das Feststellungsbegehren nicht berechtigt, weil bereits Leistungen erbracht worden seien.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Beklagte habe gegen § 7 Abs 2 und 4 des Tiroler Bergführergesetzes verstoßen. Er hätte die sicherere Abfahrtsroute im Nahbereich des Unfallshanges wählen müssen. Er hätte den Hang als geprüfter und ortskundiger Berg- und Schiführer schon auf Grund der Steilheit des Hanges, der darin befindlichen Schneeverwehungen und der Kenntnis von den bodennahen Schwimmschneeschichten als potentiellen Lawinenhang erkennen und die Gruppe zumindest über das Risiko aufklären müssen. Dem Mitverschuldenseinwand sei zu entgegnen, daß der Beklagte den Beweis für die Kausalität des Verhaltens Hugo S***** für den Lawinenabgang nicht erbracht habe. Das Feststellungsinteresse sei zu bejahen. Hugo S***** habe sich keinem zu einer Kürzung oder Verweigerung der Versicherungsleistung Anlaß gebenden Wagnis im Sinne der UVV ausgesetzt, zumal er das Risiko durch die Beiziehung eines geprüften Berg- und Schiführers minimiert habe.
Das Berufungsgericht wies in Abänderung des erstgerichtlichen Urteils das Klagebegehren ab. Es holte von Amts wegen ein Gutachten eines Sachverständigen für Alpinistik und alpinen Schilauf zur Frage ein, ob und bejahendenfalls mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad eine Lawinengefahr für den Beklagten unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Kenntnisse eines Berg- und Schiführers in Lawinenkunde erkennbar gewesen sei. Diese Beweisergänzung wurde von der klagenden Partei in der Berufungsverhandlung als Verfahrensmangel gerügt.
Das Berufungsgericht führte auf Grund dieses Gutachtens in seinem Urteil im wesentlichen aus:
Der durchschnittliche Berg- und Schiführer habe gute Kenntnisse über die Ursachen eines Lawinenabganges, auch über dessen Vorhersehbarkeit, nicht aber die Kenntnisse eines Wissenschaftlers dieses Sachgebietes. Trotz Kenntnis des Beklagten von den großen Schneemengen im Hang und des Vorliegens einer Schwimmschneeschichte als schwachen Fundaments habe er insbesondere wegen des hinsichtlich der Lawinengefahr günstigen Temperaturverlaufes seit Mitte März 1988 annehmen können, daß die gut verfestigten Altschneeschichten der Gesamtschneedecke im gesamten Gebiet ausreichend Festigkeit geben würden. Die große gefestigte Schneemenge über der Schwimmschneeschichte habe er eher positiv ansehen können. Der Beklagte habe auch berechtigt annehmen können, daß die Schneeschichten trotz der Schmelzschicht-Lamelle angesichts des verstrichenen langen Zeitraumes eine Verbindung untereinander eingegangen seien. Nach den Kenntnissen eines durchschnittlichen Berg- und Schiführers habe er auch aus der Steilheit des Hanges keine konkrete, das stets gegebene Restrisiko übersteigende Lawinengefahr ableiten können. In der Ausbildung zum Bergführer werde darauf hingewiesen, daß auch steile Hänge nicht von vorneherein lawinengefährdet seien, vielmehr müsse die jeweilige Schnee- und Wetterlage zur Beurteilung der Lawinengefahr herangezogen werden.
Das Berufungsgericht kam von diesen als "ergänzende Feststellungen" bezeichneten Erwägungen ausgehend zu dem Ergebnis, daß das Erstgericht dem Beklagten zu Unrecht eine Fehleinschätzung zur Last gelegt habe. Die vom Erstgericht übernommene Ansicht des in erster Instanz beigezogenen Sachverständigen für Lawinenkunde, daß der Hang wegen seiner Steilheit, des konvexen Profils, der großen Ausdehnung und der fehlenden Abstützung nur bei einwandfrei lawinensicherer Lage ("Firntour") befahren werden dürfe, entspreche nicht dem Kenntnis- und Ausbildungsstand eines durchschnittlichen Bergführers. Diesem werde gelehrt, daß es keine "Lawinenhänge" per se, sondern nur "Lawinenzeiten" gebe. Auch der im Sinn des § 1299 ABGB als Maßfigur gedachte Berg- und Schiführer hätte das allenfalls ex ante erkennbare Restrisiko in Kauf genommen, um einerseits die steinige Alternativabfahrt zu vermeiden und andererseits eine im Hinblick auf den Fahrgenuß zweifellos befriedigendere Neuschneeabfahrt zu ermöglichen.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.
Die geltendgemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt allerdings nicht vor, weil die Bestellung eines Sachverständigen aus einem anderen Fachgebiet, die gemäß §§ 183 Abs 1 Z 4, 363 Abs 2 ZPO keines Parteienantrages bedurfte, darauf beruhte, daß das Ersturteil nach Ansicht des Berufungsgerichtes an sekundären Feststellungsmängeln hinsichtlich des Ausbildungsstandes eines Berg- und Schiführers leide. Die Verfahrensergänzung durch das Berufungsgericht entspricht dem § 496 Abs 1 Z 3, Abs 3 ZPO, wonach in einem solchen Fall das Berufungsgericht die seiner Meinung nach erforderliche Ergänzung grundsätzlich selbst vorzunehmen hat. Das Berufungsgericht wich auch nicht von dem als Feststellung zu wertenden Teil der erstgerichtlichen Ausführungen ab, sondern stellte bloß ergänzende Erwägungen über den Durchschnittsstandard eines Berg- und Schiführers an.
Der Umstand, daß das Berufungsgericht dem im Berufungsverfahren gestellten Antrag der klagenden Partei auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen nicht entsprochen hat, betrifft nach ständiger Rechtsprechung eine im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbare Frage der Beweiswürdigung (MGA, JN/ZPO14, § 503 ZPO E 60ff, 66). Dies trifft auch auf die Rüge zu, das Berufungsgericht habe sich mit der Aussage des Zeugen Hans Hartmann nicht entsprechend auseinandergesetzt.
Kollisionsrechtlich ist zunächst festzuhalten, daß die Untergerichte die Frage der Haftung des Beklagten gegenüber den durch den Unfall geschädigten Personen zutreffend nach österreichischem Recht beurteilt haben (§ 36 IPRG in Konkurrenz mit § 48 IPRG), das als maßgebendes Deliktstatut grundsätzlich für alle Fragen der Schadenshaftung wie insbesondere die hier relevierten Fragen nach dem Bestehen eines Haftungsgrundes (Verschulden), dem Mitverschulden, der Kausalität und den haftungsrelevanten Eigenschaften des allenfalls zum Ersatz Verpflichteten gilt (Schwimann in Rummel2 II, § 78 IPRG Rz 6; 8 Ob 568/89).
Der hier unbestritten feststehende gesetzliche Forderungsübergang der Berechtigten auf die klagende Partei als Versicherer ist hingegen dem Schweizerischen Versicherungsvertragsrecht als Sachrecht jener Rechtsordnung zu unterstellen, die die Leistungspflicht des Versicherers verfügt und damit den Zessionsgrund geliefert hat (Schwimann aaO, vor § 35 IPRG Rz 7a mwN).
Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß der Beklagte als gegen Entgelt engagierter, geprüfter Berg- und Schiführer dem Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB unterliegt und ihm nach § 1298 ABGB der Beweis obliegt, daß er die nach § 1299 ABGB geforderte objektive Sorgfalt eingehalten hat. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht darauf hingewiesen, daß die Bestimmung des § 7 des Tiroler Bergführergesetzes als generelle, sich ohnehin aus den vertraglichen Sorgfaltspflichten ergebende Sorgfaltsanordnung keinen besonderen Einfluß auf die Lösung dieses Falles hat (vgl hiezu Michalek, Schadenersatzrechtliche Verantwortung des Bergsteigers - Haftungsstrukturen in Gefahrengemeinschaften, 159).
Die Entscheidungen der Vorinstanzen divergieren in der Auffassung, welche Anforderungen iSd § 1299 ABGB an den Ausbildungsstand und an das Wissen eines Berg- und Schiführers auf dem Gebiet der Lawinenkunde zu stellen sind und inwieweit von ihm zu erwarten ist, daß er sein Wissen im Zuge einer Tour in die Praxis umsetzt.
Es ist zwar einleuchtend, daß auch sehr steile und auch sonst mit lawinenbegünstigenden Eigenschaften ausgestattete Hänge bei ganz bestimmten Schneeverhältnissen relativ lawinensicher sind. Es mag daher durchaus dem Ausbildungsstand eines Berg- und Schiführers entsprechen, daß die Steilheit und sonstige geologische Beschaffenheit eines Hanges für sich allein noch nicht unter jeden Umständen gegen dessen Befahrung spricht.
Es kann auch dahingestellt bleiben, inwieweit der Berg- und Schiführer als Praktiker an den Erkenntnissen der Wissenschaft über die Auswirkungen der wechselnden Witterungsverhältnisse im Laufe eines ganzen Winters auf den Aufbau der Schneedecke, auf die verschiedenartigen physikalischen Veränderungen der Schneekristalle, auf das Zusammenspiel der Spannungskräfte im Schnee usw teilzuhaben hat. Freilich zeigt die Tatsache, daß er vor dem Antritt der Tour ein Schneeprofil zu seiner Information begutachtete und von den Schwimmschneeschichten in Bodennähe wußte, daß der Beklagte insoweit nicht gänzlich ungebildet war.
Indessen liegt auch für den Laien, der keinerlei Vorkenntnisse in Lawinenkunde besitzt, die Überlegung nahe, daß die einzelnen Schichten des Schneeaufbaues an einer bestimmten Stelle noch keineswegs darauf schließen lassen, daß sie in anderen Höhenlagen von gleicher Stärke und Beschaffenheit sein müssen. Der Umstand, daß nach dem vom Beklagten herangezogenen Schneeprofil die auf Gefahren hinweisende Schmelzharschschicht durch gut verfestigte Altschneeschichten abgedeckt war, konnte ihm daher keine Sicherheit dafür bieten, daß die Schneedecke auch an anderer, insbesondere an höher gelegener Stelle nicht wesentlich mächtiger und weit weniger eingebunden sein könnte.
Auch wenn auf der Hand liegt, daß von einem Berg- und Schiführer bei der vorweg anzustellenden Prüfung der Lawinengefahr keineswegs jene aufwendigen Untersuchungen erwartet werden können, die nach einem derartigen Unfall angestellt werden, gibt es doch gewisse, relativ einfach zu handhabende Hilfsmittel, die eine Prognose ermöglichen. Neben dem Schneeprofil, das der Beklagte hier offenbar zu positiv beurteilt hat, sind dies zunächst vor allem die Meldungen des örtlichen Lawinenwarndienstes, die der Beklagte schon drei Tage lang nicht mehr gehört hatte. Der Lawinenwarndienst wies am Unglückstag auf eine örtlich zum Teil erhebliche Lawinengefahr und auf die Gefährlichkeit von Kammlagen und ostseitigen Steilhängen hin. Es mag zwar sein, daß der Lawinenwarndienst von erfahrenen Tourengehern als zu vorsichtig eingestuft wird und im konkreten Fall eher auf jenen Teil der Tiroler Bergwelt zu beziehen war, die in der vorangegangenen Nacht mit größeren Neuschneemengen bedeckt wurden als jenes Gebiet, durch das die Route der hier zu beurteilenden Tour führte. Das Verhalten des Beklagten, sich von vorneherein überhaupt nicht um die aktuellen Meldungen des Lawinenwarndienstes zu kümmern, ja diese nicht einmal abzuhören, vermag dies jedoch nicht zu entschuldigen. Der Inhalt dieser Meldungen hätte vom Beklagten zumindest als Warnung aufgefaßt werden müssen, die geologischen und geographischen Gegebenheiten eines Hanges aufmerksam zu beachten und nicht völlig gedankenlos jedes Gelände zu befahren.
Ein weiteres Hilfsmittel, eine Tour möglichst sicher zu gestalten, ist die Heranziehung altbewährter Tourenkarten. Der Umstand, daß die auf der Alpenvereinskarte eingezeichnete Route dem Unglückshang weiträumig ausweicht, obwohl er offenbar schifahrerisch besonders reizvoll ist, hätte dem Beklagten ebenfalls ein Warnsignal sein müssen.
Vor allem aber können die Erwägungen des Berufungsgerichtes über die bei einem Berg- und Schiführer vorauszusetzenden Kenntnisse und Fähigkeiten den Beklagten nicht vom Vorwurf befreien, den konkreten Hang auf Grund seiner eindeutig und ohne jeden technischen Aufwand erkennbaren Merkmale nicht als potentiell gefährlich eingestuft zu haben. Unabhängig von Intensität und Sinnhaftigkeit des zur professionellen Berufsausübung erforderlichen Ausbildungslehrganges sind vom Berg- und Schiführer zumindest einfache Grundkenntnisse über das Entstehen einer Lawine und die sie begünstigenden Parameter zu erwarten. Einfache physikalische Grundbegriffe sind auch ohne wissenschaftliche Ausbildung zu durchschauen und in der Praxis anzuwenden. Dazu gehört zweifelsohne die Erkenntnis, daß die Labilität der Schneedecke mit der Steilheit des Hanges, seiner räumlichen Ausdehnung, seiner mangelnden Untergliederung und der Intensität der in ihm angehäuften Schneemassen zunimmt. Weiters zeigt schon die nicht nur Spezialisten vorenthaltene Beobachtung in der verschneiten Bergwelt, daß die Schneedecke besonders leicht dort abbricht, wo das flachere Hangstück in ein steileres übergeht. Aber auch die in ihren Ursachen unschwer nachzuvollziehende Tatsache, daß sich andauernde Kälte ungünstig auf den Abbau und auf die Verfestigung von Schwimmschneeschichten auswirkt und daher hochgelegene Schattenhänge als gefährlicher einzustufen sind als Hänge in wärmeren Lagen, müßten jedem, der sich auch nur oberflächlich mit Lawinenkunde befaßt, bekannt sein.
Dem Erstgericht ist daher in der Ansicht beizupflichten, daß dem Beklagten die latente Lawinengefahr auffallen hätte müssen und er dementsprechend den Hang überhaupt hätte meiden müssen. Der Umstand, daß gerade solche Hänge mit entsprechender Steilheit, Weite und Länge, mit Tiefschnee und optisch glatter Oberfläche für anspruchsvollere Schifahrer besonders reizvoll sind, befreit den Beklagten nicht von seiner zivilrechtlichen Haftung. Der Zwiespalt, der sich einerseits aus der Toleranz der Gesellschaft gegenüber sportlichen Risken zugunsten sportlicher Befriedigung und andererseits aus der zunehmenden Tendenz im Unglücksfall immer einen Verantwortlichen zu suchen und zu finden ergibt (vgl Pichler, der Lawinenunfall zwischen toleriertem Risiko und rechtlicher Schuld, ZVR 1987, 33), klingt auch in der Berufungsentscheidung an. Angesichts der hier vorhanden gewesenen Alternative, auf einem bedrohlichen Lawinenhang eine reizvolle, Tiefschneefahrt zu genießen oder auf eine weniger ansprechende, ja sogar beschwerliche Route auszuweichen, mußte ein verantwortungsvoller Tourenführer die Entscheidung zugunsten der letzteren Möglichkeit treffen. Die Sorge um die Sicherheit der Gruppe muß dem Bestreben vorangehen, ihr sportlich besonders befriedigende Abfahrten zu bieten.
Dem Getöteten ist kein Mitverschulden anzulasten. Der Beklagte hat die von ihm geführte Personengruppe vor dem Befahren des Hanges nicht auf dessen Gefährlichkeit hingewiesen, keine Verhaltensanweisungen im Fall eines Lawinenabganges erteilt und die Anordnung der Einzelfahrt nicht begründet. Diese Anordnung konnte daher von den Teilnehmern im Hinblick auf die Steilheit und die Schwierigkeit des Hanges durchaus in dem Sinn verstanden werden, daß damit Kollisionen der abfahrenden Schifahrer vermieden werden sollten. Die Gefährlichkeit des Hanges mußte dem Getöteten im Gegensatz zu seinem Führer nicht auffallen. Abgesehen von dem geringeren Sorgfaltsmaßstab, der auf die Teilnehmer anzuwenden ist (§ 1297 ABGB), durfte der Getötete als ausländischer Urlaubsgast darauf vertrauen, daß der österreichische, ortskundige, geprüfte Berg- und Schiführer die Gruppe nur bei entsprechend sicheren Schnee- und Witterungsverhältnissen auf die jeweils dem Können der Teilnehmer angepaßte Tour führt. Er durfte auch darauf vertrauen, daß der Tourenführer alle zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpft, um eine Lawinengefahr vorherzusehen und die Gruppe nur durch aller Voraussicht nach lawinensicheres Gelände führt. Als Einzelnem in der Gruppe blieb ihm im Interesse einer sinnvollen Abwicklung auch gar nicht viel Spielraum für eigenständige Entscheidungen. Der Getötete mußte nicht damit rechnen, daß der Führer einen Hang befährt, bei dem mit einem Lawinenabgang schon dann zu rechnen ist, wenn sich zwei Personen gleichzeitig im Hang befinden. Er hätte zumindest erwarten dürfen, daß der Führer unmißverständlich auf eine solche Gefahr hinweist.
Zu prüfen bleibt der Einwand des Beklagten, die klagende Partei habe gemäß Art 50 der Schweizerischen Verordnung über die Unfallversicherung (UVV) keine Leistungen zu erbringen.
Die Frage der Leistungspflicht der klagenden Partei als schweizer Versicherer ist, wie bereits ausgeführt, nach schweizerischem Recht zu beurteilen, so daß das Erstgericht zu Recht eine Prüfung des Sachverhaltes im Sinne des Art 50 UVV vorgenommen hat.
Diese Bestimmung findet sich im 3. Kapitel der Verordnung, das mit "Kürzung und Verweigerung von Versicherungsleistungen" überschrieben ist. Er trägt die Überschrift "Wagnisse" und lautet:
"Bei Nichtberufsunfällen, die auf ein Wagnis zurückgehen, werden die Geldleistungen um die Hälfte gekürzt und in besonders schweren Fällen verweigert (Abs 1).
Wagnisse sind Handlungen, mit denen sich der Versicherte einer besonders großen Gefahr aussetzt, ohne die Vorkehrungen zu treffen oder treffen zu können, die das Risiko auf ein vernünftiges Maß beschränken. Rettungshandlungen zugunsten von Personen sind indessen auch dann versichert, wenn sie an sich als Wagnisse zu betrachten sind (Abs 2)".
Wagnis und Verschulden sind begrifflich zu unterscheiden. Während Verschulden einen Vorwurf einschließt und somit eine moralische Wertung darstellt, wird beim Wagnis gefragt, ob auch Unfälle bei besonders großen Gefahren, denen der Versicherte ausweichen könnte, von den Prämienzahlern finanziert werden sollen. Das Wagnis orientiert sich an der Größe der Gefahr. Es kann selbst dann gegeben sein, wenn der Handelnde alle praktisch in Frage kommenden Vorsichtsmaßnahmen getroffen hat. Trotzdem enthält das Wagnis, so wie es von der gemäß § 3 IPRG zu berücksichtigenden Rechtsprechung in der Schweiz umschrieben wird, Elemente, die einem Verschulden gleichkommen. Dies trifft etwa dann zu, wenn eine Handlung von vorneherein als nicht schützenswert, etwa weil unsinnig, angesehen wird, oder wenn die Handlung mit zu großen objektiven Gefahren für Leib und Leben verbunden ist, da sie auch unter günstigsten Umständen nicht auf ein vernünftiges Maß reduziert werden können, wobei zu fragen ist, ob der Versicherte ausreichend vorgegangen ist, zum Beispiel ob er bei einer Klettertour gut ausgerüstet war oder nicht. Trotzdem beruht das Wagnis in seinem Kern auf einer Risikobeurteilung und nicht in erster Linie auf einer moralischen Wertung (Maurer, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 501, 507ff mit Belegstellen aus der Schweizerischen Rechtsprechung).
Nach diesen Beurteilungskriterien ist dem Getöteten zugutezuhalten, daß er Mitglied einer von einem professionellen Berg- und Schiführer geführten Gruppe war, wodurch das Risiko sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht - hier ist auf obige Ausführungen zum Mitverschulden zu verweisen - auf ein durchaus tolerierbares Maß gesenkt wurde. Die Teilnahme an einer solchen Tour ist keineswegs risikoreicher als etwa die Teilnahme an einer geführten Klettertour und mit einer einsamen Begehung der winterlichen Gletscherregion nicht zu vergleichen.
Auch bei Einbeziehung der Erwägung, daß auch nur einzelne Ausschnitte aus einem Unternehmen, das noch kein Wagnis sein mag, als Wagnis gewertet werden können (Maurer, aaO, S 511f führt zB eine Klettertour an, bei der der Versicherte von der üblichen Route abwich, um einen exponierten Felskopf zu erklettern, ohne dafür ausgerüstet oder ausgebildet zu sein), kann das Befahren des Hanges aus den bereits oben dargelegten Gründen nicht als solches bezeichnet werden.
Im Hinblick auf einen allfälligen Leistungsstreit war zu bedenken, daß die Höhe der Leistungspflicht der Versicherung nach dem UVG nicht mit dem Umfang des ihr zustehenden Regresses identisch sein muß. Dieser kann nicht weiter gehen als der nach österreichischem Recht zu beurteilende Schadenersatzanspruch der Hinterbliebenen gegen den Beklagten (Gamerith in Rummel2 II § 1358 Rz 6), sodaß der erstgerichtliche Spruch entsprechend zu modifizieren war.
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