Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Intanz.
Text
Begründung
Mit Übergabsvertrag vom 29.August 1978 übertrug die Klägerin je ein Drittel ihres bisherigen Alleineigentums an der Liegenschaft EZ 77 KG ***** ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter. Als Gegenleistung für die Übergabe wurden die Verpflichtungen der Übernehmer zur Gewährung des ausschließlichen Wohnrechtes der Klägerin wie im bisherigen Umfang im Wohnhaus auf dieser Liegenschaft, das Recht zur Benützung des Hofes, des Gartens, der Nebengebäude und der Wirtschaftsräume, das Recht auf Pflege, Vornahme von Besorgungen und des Herbeischaffens von Lebensmitteln und Bedarfsgütern im Fall von Krankheit oder Alter, ein ortsübliches Begräbnis und die laufende Graberhaltung und -betreuung vereinbart.
Mit Bescheid vom 8.März 1979 hatte die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft die der Klägerin zu ihrer Witwenpension gewährte Ausgleichszulage ab 1. September 1978 auf S 628,80 und ab 1.Jänner 1979 auf S 684,70 monatlich herabgesetzt und außerdem einen Überbezug von S 2.165,90 zurückgefordert. In dem über die Klage gegen diesen Bescheid eingeleiteten Verfahren vor dem Schiedsgericht der Sozialversicherung für Niederösterreich schlossen die Parteien am 5.September 1979 einen Vergleich, wonach sich die Beklagte verpflichtete, von der Rückforderung des genannten Überbezuges Abstand zu nehmen und der Klägerin ab 1.September 1978 eine Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß lediglich unter der Anrechnung eines Wohnrechtes zu gewähren.
Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 14.März 1990 stellte die Beklagte die Ausgleichszulage ab 1.Jänner 1990 mit monatlich S 1.716,50 neu fest. Dabei bewertete sie die Anrechnung des Wohnrechtes nach den Richtlinien der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland mit 10 % des Wertes eines vollen Ausgedinges, also mit S 231,40 monatlich.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage brachte die Klägerin vor, die Beklagte habe bei der Berechnung der Ausgleichszulage unzutreffenderweise das ihr mit Übergabsvertrag vom 29.August 1978 ausbedungene Wohnrecht in Anrechnung gebracht. Die von ihr in der teilweise übergebenen Liegenschaft benützten Räumlichkeiten würden ihrem Drittelanteil entsprechen; die auf diese Wohnräumlichkeiten entfallenden Kosten habe sie zur Gänze zu tragen, weshalb sie keinen Vorteil aus dem sogenannten Wohnrecht habe. Der seinerzeit geschlossene Vergleich sei rechtswidrig und unzulässig, weil danach ein Einkommen angerechnet werden sollte, das sie tatsächlich nicht habe. Sie beantragte zunächst die Fortsetzung des vor dem Schiedsgericht der Sozialversicherung für Niederösterreich geführten Verfahrens wegen Unwirksamkeit des Vergleiches und die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin ab 1.September 1978 eine Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß ohne Anrechnung weiterer Einkünfte zu gewähren und von einer Rückforderung eines Überbezuges Abstand zu nehmen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Mit dem angefochtenen Bescheid sei die Ausgleichszulage ab 1.Jänner 1990 unter Berücksichtigung des der Klägerin mit Übergabevertrag eingeräumten lebenslänglichen Wohnrechtes berechnet worden.
Das Erstgericht wies mit Beschluß das Klagebegehren für den Zeitraum vom 1.September 1978 bis 31.Dezember 1989 und hinsichtlich der Rückforderung des Überbezuges zurück. Mit Urteil wies es das weitere Klagebegehren, die Beklagte sie schuldig, keine weiteren Einkünfte der Klägerin zur Berechnung des gesetzlichen Ausmaßes der Ausgleichszulage anzurechnen, ab. Es stellte fest, daß die Klägerin alle Kosten, die mit dem Wohnen im Zusammenhang stehen, anteilig selbst trägt. In seiner rechtlichen Beurteilung führte es zunächst aus, daß das Klagebegehren in jenem Umfang zurückzuweisen sei, als es nicht im angefochtenen Bescheid Deckung finde. Das Begehren auf Abstandnahme von Anrechnungen für die Zeit vom 1.September 1978 bis 31. Dezember 1989 sei auch wegen der verglichenen Rechtssache zurückzuweisen gewesen. Das übrige Klagebegehren sei abzuweisen. Die Klägerin bezweifle nicht die Richtigkeit der Berechnungen der Ausgleichszulage, sondern bestreite, daß ein Wohnrecht in Anrechnung zu bringen sei. Der Klägerin sei zuzugeben, daß die Anrechnung des Wohnrechtes aus rechtlicher Sicht nicht unbedenklich sei. Es stehe nämlich fest, daß sie schon bisher im später übergebenen Haus als Eigentümerin wohnhaft gewesen sei und daß sich am Umfang dieses Wohnrechtes nichts weiter geändert habe als dessen Rechtsgrund. Im Besitz- und Einkommenstand der Klägerin gegenüber der Zeit vor der Übergabe sei durch den Übergabsvertrag keine Veränderung eingetreten. Sie übe ihr nunmehriges vertragliches Wohnrecht nach der faktischen Übergabe ebenso aus wie ihr bisheriges Recht auf Wohnen als Eigentümerin; zusätzliche Einnahmen wegen der Übergabe kämen ihr nicht zu. Dennoch sei damit für die Klägerin nichts gewonnen, weil § 153 Abs 3 GSVG die Neufeststellung der Ausgleichszulage nur für den Fall der Änderung der Sach- und Rechtslage gestatte, von einer solchen aber hier keine Rede sein könne, so lange der genannte gerichtliche Vergleich bestehe. Der bekämpfte Bescheid betreffe nur die Höhe, nicht aber den Grund der Anrechnung des Wohnrechtes.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die Beklagte habe mit dem angefochtenen Bescheid die Höhe der Ausgleichszulage gemäß § 153 Abs 2 GSVG neu festgestellt. Diese Feststellung sei nicht erfolgt, weil sich die für die Zuerkennung der Ausgleichszulage maßgebende Sach- und Rechtslage geändert hätte, sondern weil eine Änderung des Ausmaßes in der Pensionsleistung erfolgt sei. Da der bekämpfte Bescheid nicht die Grundlage der Anrechnung betreffe, zur Höhe der in Anrechnung gebrachten Beträge kein Vorbringen erstattet und diese ziffernmäßig auch gar nicht in Frage gestellt worden sei, habe das Erstgericht zutreffend das Klagebegehren, wonach die Beklagte ab 1.Jänner 1990 der Klägerin eine Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß ohne Berücksichtigung weiterer Einkünfte zu leisten habe, abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist berechtigt.
Wenngleich in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt wird, die Sozialversicherungsanstalt habe die Ausgleichszulage gemäß § 153 Abs 2 GSVG neu festzustellen, wenn sich die Verhältnisse ändern, die für die Feststellung einer zuerkannten Ausgleichszulage maßgebend waren und daß eine solche maßgebliche Einkommensänderung auch die jeweils mit dem Jahresersten wirksame Erhöhung von Pensionen und Renten sei, handelt es sich doch in Wahrheit um eine Neufeststellung der Ausgleichszulage nach § 153 Abs 3 GSVG. Diese Betrachtung entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, wonach schon eine Veränderung der Pensionshöhe als Bestandteil des Einkommens einerseits und der geänderten Richtsatzbeträge andererseits auf Grund einer Pensionsanpassung die Neufeststellung der Ausgleichszulage rechtfertigt, d.h. daß in einem solchen Fall das Feststellungsverfahren vollständig neu aufzurollen und das Vorliegen sämtlicher entscheidungswesentlicher Grundlagen ohne Bindung an die Grundlagen früherer Entscheidungen neu zu überprüfen ist (SSV-NF 4/6 mit weiteren Nachweisen). Hat aber demnach eine Neufeststellung der Ausgleichszulage zu erfolgen, dann ist entgegen der Ansicht der Vorinstanzen auch keine Bindung an den seinerzeit vor dem Schiedsgericht der Sozialversicherung für Niederösterreich geschlossenen, die Anrechnung eines Wohnrechts betreffenden Vergleich gegeben. Die Frage der Anrechnung des Wohnrechtes ist daher neu zu prüfen.
Es trifft zu, daß einem Pensionisten erbrachte Leibrentenzahlungen, aber auch Sachleistungen in Geldeswert wie zB ein Wohnrecht, ausgleichszulagenrechtlich relevant sind und daß es darauf, ob solche Leibrentenleistungen oder zB ein Wohnrecht als Gegenleistung für die Überlassung eines Vermögenswertes des Pensionsberechtigten oder unabhängig von einer solchen Vermögensübertragung, zB auf Grund einer Schenkung oder letztwilligen Verfügung geleistet werden, wegen des fürsorge(sozialhilfe)rechtsähnlichen subsidiären Charakters der Ausgleichszulage nicht ankommt. Dieser verbietet es, einen Pensionsberechtigten, dessen Wohnbedürfnis durch ein Wohnrecht gedeckt ist, ausgleichszulagenrechtlich so zu behandeln wie einen Pensionisten, der über keine solche geldwerten Einkünfte verfügt und daher zur Wahrung des sozialversicherungsrechtlichen Existenzminimums auf einen entsprechenden Ausgleich angewiesen ist. Ein Pensionsberechtigter, dessen Pension den Richtsatz nicht erreicht, ist zwar nicht zur Verwertung seines Vermögens verpflichtet und kann daher nicht gezwungen werden, Kapital zinsbringend anzulegen oder sein Vermögen zB gegen Leibrente oder Ausgedingsleistungen zu veräußern. Wenn er jedoch sein Vermögen aktiviert und dadurch Einkünfte in Geld oder Geldeswert erzielt, dann sind diese bei der Feststellung der Ausgleichszulage als Einkommen zu berücksichtigen. Daß die Benützung einer Wohnung durch den Pensionisten im eigenen Haus ausgleichszulagenrechtlich nicht berücksichtigt wird, wohl aber das Recht, dieselbe Wohnung nach Veräußerung des Hauses unentgeltlich zu bewohnen, beruht darauf, daß es sich nur im zweiten Fall um Einkünfte in Geldeswert handelt. Das ist auch sachgerecht, weil der Hauseigentümer sein Haus auf Grund seines Eigentumsrechtes bewohnt und dafür auch alle Lasten zu tragen hat (10 Ob S 129/92 = SSV-NF 6/141 - in Druck).
Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß die Klägerin nach wie vor Dritteleigentümerin der Liegenschaft ist und jene Wohnräume weiterhin bewohnt, die sie auch bisher als Alleineigentümerin benützt hatte. Dazu kommt, daß sie nach den Feststellungen alle Kosten, die mit ihrem Wohnen auf dieser Liegenschaft in Zusammenhang stehen, selbst trägt. Obwohl ein Wohnrecht auch zu Gunsten eines Miteigentümers der Liegenschaft begründet werden kann (MietSlg 34.059), handelt es sich doch bei dem der Klägerin eingeräumten Wohnrecht seinem Wesen nach eher um die Benützungsregelung einer gemeinschaftlichen Sache.
Ausgleichszulagenrechtlich ist der Fall der Klägerin nicht anders zu behandeln als die Benützung einer Wohnung durch einen Hauseigentümer, der das Haus auf Grund seines Eigentumsrechts bewohnt und dafür auch alle Lasten zu tragen hat. Dieses Wohnrecht ist daher ausgleichszulagenrechtlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Mit Rücksicht auf das unbestimmte Klagebegehren und das Fehlen jeglicher Feststellungen zur Pensionshöhe der Klägerin ist auch die Höhe ihres Ausgleichszulagenanspruchs mit den Parteien zu erörtern, wozu es einer Verhandlung in erster Instanz bedarf. In Stattgebung der Revision waren daher die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sozialrechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.
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