OGH 2Ob598/92

OGH2Ob598/9211.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Josef R*****, 2. Johanna R*****, beide vertreten durch Dr.Ekkehard Beer, Rechtsanwalt in Innsbruck als bestellter Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Dr.Heinz S*****, vertreten durch Dr.Hugo Haslwanter, Rechtsanwalt in Telfs, wegen Leistung und Feststellung (Revisionsstreitwert S 3,652.297,20 sA) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. September 1992, GZ 1 R 179/92-11, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. April 1992, GZ 16 Cg 33/92-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von S 30.338,42 (darin enthalten S 5.056,40 Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger war vormals Alleineigentümer der Liegenschaft EZ *****. Mit Schenkungsvertrag vom 13.9.1980 übergab er diese Liegenschaft seinem Sohn Franz R*****. Mit Vertrag vom 21.12.1981 räumte dieser den Klägern das Veräußerungs- und Belastungsverbot an der Liegenschaft ein. Mit Übergabsvertrag vom 24.2.1986 übereignete Franz R***** die Liegenschaft seiner Frau H*****. Mit der Errichtung der Vertragsurkunde war der Beklagte beauftragt, wobei das Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Kläger weiterhin bestehen bleiben sollte. In dem vom Beklagten verfaßten Notariatsakt wurde lediglich ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Franz R*****, nicht aber zugunsten der Kläger aufgenommen, weil der Beklagte der Ansicht war, daß das zugunsten der Kläger einverleibte Belastungs- und Veräußerungsverbot auch nach Übertragung der Liegenschaft weiterhin Gültigkeit habe. In der Folge wurde Franz R***** mit seinem Unternehmen, der C***** GesellschaftmbH zahlungsunfähig. Über letztere wurde das Konkursverfahren eröffnet und DDr.Hubert F***** zum Masseverwalter bestellt. Dieser schloß mit Franz und H***** R***** einen Vergleich, wonach sich diese zur Zahlung eines Betrages von S 5,000.000 an den Masseverwalter verpflichteten. Zur Besicherung eines Teilbetrages von S 2,500.000 sollte H***** R***** ihre Liegenschaft EZ ***** verpfänden, wozu auch Franz R***** seine Zustimmung erteilte. Über Antrag des Masseverwalters wurde die gegenstandslos gewordene Eintragung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes zugunsten der Kläger gelöscht und das Pfandrecht für die Forderung des Masseverwalters im Konkurs über das Vermögen der Firma C***** GesellschaftmbH von S 2,500.000 samt 12 % Verzugszinsen und einer Nebengebührenkaution von S 300.000 vor dem Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten des Franz R***** einverleibt. Aufgrund eines über Antrag des Masseverwalters eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahrens wurde die Liegenschaft EZ ***** am 5.11.1990 versteigert und dem Meistbieter zugeschlagen.

Die Kläger begehren die Zahlung eines Betrages von S 3,352.297,20 sA sowie die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Nachteile, die ihnen aufgrund des Kunstfehlers des Beklagten bei Vertragserrichtung entstehen werden, aus dem Titel des Schadenersatzes. Die Kläger hätten ihren Sohn zur Errichtung eines Hauses Arbeitsleistungen und Bargeldbeträge in Höhe von insgesamt S 3,352.297,20 zukommen lassen, wobei dieser Betrag gegen jederzeitiges Verlangen zurückerstatten gewesen sei. Als Sicherstellung für diese Forderung sei zugunsten der Kläger ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt worden. Auch bei Übertragung der Liegenschaft an die Schwiegertochter sei es primär die Sorge der Kläger gewesen, daß ihre Ansprüche gesichert bleiben. Franz und H***** R***** seien nunmehr zahlungsunfähig und nicht mehr in der Lage, die von den Klägern gewährten Leistungen rückzuerstatten. Den Klägern sei daher ein Schaden in Höhe des Klagsbetrages entstanden, weil die Liegenschaft nicht versteigert worden wäre, wenn das Belastungs- und Veräußerungsverbot zu ihren Gunsten grundbücherlich vermerkt worden wäre.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung, daß die Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes keinerlei Verwertungsrechte bzw Einflußmöglichkeiten auf die Liegenschaft enthalte und daher nicht Gegenstand eines Vermögensrechtes sein könne. Die Kläger hätten somit durch das Verhalten kein Recht verloren, das einen Wert darstelle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf noch nachstehenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt:

Die Kläger beabsichtigten, ihren Sohn Franz R***** mit ihren weiteren Kindern vermögensrechtlich gleichzustellen und ihm deshalb die Liegenschaft EZ ***** schenkungshalber zu übertragen und darauf ein Haus zu errichten. Es wurde daher vereinbart, daß die beiden weiteren Kinder als auch die Kläger einen bestimmten Geldbetrag zur Errichtung eines Wohnhauses zur Verfügung stellen, Franz R***** weitere Darlehen zur Finanzierung des Hauses aufnimmt und der Erstkläger die Organisation des Hausbaues übernimmt und weitere handwerkliche Leistungen einbringt. Die Kläger trachteten, daß dieser durch den Hausbau geschaffene Vermögenswert über ihren Tod hinaus dem Sohn Franz R***** und allenfalls dessen Kindern zugute kommt und der Beschenkte nicht willkürlich über diesen Wert verfügen könne. In diesem Sinne wurde ihnen ein Belastungs- und Veräußerungsverbot mit Vertrag vom 21.12.1981 gleichzeitig mit der Einräumung eines Fruchtgenußrechtes an den Einnahmen aus der Vermietung der Kleinwohnungen in dem auf der L:iegenschaft errichteten Haus gewährt und grundbücherlich sichergestellt. Nicht daran gedacht war, daß die Kläger Ansprüche für ihre Arbeitsleistung bei Errichtung des Hauses und ihre finanzielle Mitwirkung gegenüber Franz R***** jemals geltend machen. Es wurde keine Vereinbarung getroffen, daß Franz R***** zu irgendeinem Zeitpunkt an seine Eltern (die Kläger) aufgrund deren Leistungen für die Hauserrichtung Zahlungen zu erbringen habe. Franz R***** beabsichtigte im Februar 1986 die Liegenschaft seiner Gattin zu übertragen. Die Kläger sollten auf ihr eingeräumtes Fruchtgenußrecht an den Mieteinnahmen des Wohnhauses verzichten; das Belastungs- und Veräußerungsverbot sollte aber auch nach Übertragung der Liegenschaft an H***** R***** weiterbestehen. Der Beklagte hatte aber in dem errichteten Übergabsvertrag irrtümlich ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten der Kläger nicht aufgenommen und diese sowie Franz und H***** R***** in der Meinung bekräftigt, daß das Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten der Kläger weiter fortbestehe. Nach Löschung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes im Konkurs über das Vermögen der Firma C*****GesellschaftmbH wurde den Klägern bekannt, daß dieses unwirksam geworden war. Die Kläger wandten sich an den Beklagten, der seinen Fehler eingestand, den Vorfall seiner Haftpflichtversicherung meldete und den Klägern zu verstehen gab, daß er für einen allfällig eingetretenen Schaden aufzukommen bereit sei. Die Liegenschaft wurde schließlich zwangsversteigert und dem Meistbieter zugeschlagen. Der Versteigerungserlös wurde zur Abdeckung hypothekarisch sichergestellter Pfandgläubiger und zur teilweisen Befriedigung der Forderung des Masseverwalters zugewiesen.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß das Belastungs- und Veräußerungsverbot an sich keinen selbständigen Vermögenswert darstelle, der zu Schadenersatzleistungen verpflichte. Es sei nicht zu erkennen, inwieweit den Klägern ein vermögensrechtlicher Nachteil entstanden sei und in Zukunft entstehen könne. Wenngleich dem Beklagten ein Fehler unterlaufen sei, für den er dem Grunde nach gemäß § 1299 ABGB einzustehen habe, sei mangels Nachweises eines Schadens das Klagebegehren abzuweisen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es bejahte die grundsätzliche Haftung des Beklagten auch gegenüber den Klägern, weil es für ihn klar sein mußte, daß seine Auskunftserteilung und die damit zusammenhängende Vertragsgestaltung auch im Interesse der Berufungswerber erfolge. Der von den Klägern behauptete Schaden, nämlich die Sicherung eines allfälligen Rückerstattungsanspruches der von ihnen getätigten Aufwendungen für die Schaffung des Appartementhauses gegenüber ihrem Sohn sei aber nicht kausal und nicht adäquat, weil der Zweck des zugunsten der Kläger bestehenden Belastungs- und Veräußerungsverbotes nicht darin gelegen sei, ihnen einen vorzugsweisen Zugriff auf die Liegenschaft zu gestatten oder Rechte aus dem seinerzeitigen Übergabsvertrag an den Sohn zu besichern. Dies stünde auch mit dem üblicherweise verfolgten Zweck eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes nicht im Einklang, das mangels besonderer Vereinbarung im allgemeinen wohl nur zur Sicherung des Familienbesitzes diene. Da das Belastungs- und Veräußerungsverbot den Begünstigten nur eine nachhaltige Einflußnahme auf das dem Eigentümer im Sinn des § 362 ABGB zustehende Verfügungsrecht gewähre, aber keine Zuwendung eines Vermögenswertes darstelle und der von den Klägern behauptete Zweck der Vereinbarung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes nicht erwiesen sei, sei den Klägern der Nachweis eines konkreten vermögensrechtlichen Schadens nicht gelungen; auch das Entstehen eines weiteren vermögensrechtlichen Schadens sei nicht möglich, weshalb das Feststellungsbegehren zu Recht abgewisen worden sei.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage, ob ein Verbotsberechtigter einen Vermögensschaden gegen den Vertragsverfasser, der ein derartiges Belastungs- und Veräußerungsverbot einräumen hätte sollen, geltend machen könne und ob für diesen ein Schaden überhaupt eintreten könne, oberstgerichtliche Judikatur nicht vorliege.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision der Kläger. Sie beantragen, es dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zur Frage, ob durch die Unterlassung der Aufnahme eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes durch einen Vertragsverfasser in einem Übergabsvertrag ein von diesem den Begünstigten zu ersetzender Schaden erwachsen kann, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorhanden ist. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerber verweisen darauf, daß sie durch den Verlust des zu ihren Gunsten eingeräumten Belastungs- und Veräußerungsverbotes einen vermögensrechtlichen Nachteil erlitten hätten, für welchen der Beklagte zu haften habe.

Der Oberste Gerichtshof erachtet jedoch diese Rechtsmittelausführungen nicht für stichhältig, hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils für zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

Im einzelnen ist dazu noch auszuführen:

Nach § 1293 ABGB wird unter Schade jeder Nachteil, welcher jemandem an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist, verstanden. Ein Nachteil am Vermögen ist jede Vermögensveränderung nach unten (Verminderung der Aktiven bzw Erhöhung der Passiven), der kein entsprechendes Äquivalent gegenübersteht (Reischauer in Rummel2 ABGB, Rz 5 zu § 1293; JBl 1987, 388; RdW 1989, 221). Dieser weite Schadensbegriff des ABGB umfaßt daher jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse besteht als an dem bisherigen (Wolff in Klang2 VI, 1).

Durch die Unterlassung der Aufnahme des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten der Kläger in den zwischen ihrem Sohn und seiner Ehegattin geschlossenen Schenkungsvertrag ist aber eine Vermögensveränderung der Kläger nicht eingetreten. Das Belastungs- und Veräußerungsverbot verpflichtet den Belasteten lediglich zur Unterlassung einer Verfügung über die Sache durch Belastung oder Veräußerung; es erlischt mit dem Tod des Berechtigten oder der Veräußerung der Sache (Spielbüchler in Rummel ABGB2 Rz 15 zu § 364 c; Koziol-Welser9 II, 48; SZ 61/11). Es stellt aber als solches kein Vermögensobjekt dar (Klang in Klang2 II, 184), sondern ist ein höchstpersönliches und nicht verwertbares Recht (SZ 17/156). Der Begünstigte hat nämlich vom Unterbleiben der Veräußerung oder Belastung allein keinen Vorteil; die Bedeutung des Verbotes ist nur im Zusammenhang mit anderen Rechtslagen zu bestimmen. Insbesondere kann es erbrechtliche Erwartungen dadurch sichern, daß die Sache im Vermögen des belasteten Liegenschaftseigentümers bleibt und dadurch nach dessen Ableben dem Verbotsberechtigten zufällt (SZ 62/2). Es dient aber nicht dem Zweck, dem Verbotsberechtigten einen vorzugsweisen Zugriff auf die Liegenschaft zu gestatten oder seine Rechte aus dem Übergabsvertrag zu besichern (SZ 61/11).

Nach diesen Grundsätzen ist daher den Klägern durch die Unterlassung der Aufnahme des Belastungs- und Veräußerungsverbotes in dem vom Beklagten verfaßten Übergabsvertrag zunächst kein unmittelbarer Vermögensnachteil entstanden, weil dieses Verbot kein unmittelbar verwertbares Recht darstellt und eine Änderung ihres Vermögens nicht stattgefunden hat.

Auch der Ansicht der Revisionswerber, ihnen sei durch den Kunstfehler des Beklagten ein Vermögensnachteil enstanden, kann nicht gefolgt werden.

Nach den Feststellungen diente das den Klägern eingeräumte Belastungs- und Veräußerungsverbot ausschließlich zur Sicherung des Familienbesitzes, nicht aber zur Besicherung der von ihnen im Rahmen des Familienverbandes getätigten Aufwendungen. Deren Rückerstattung war im übrigen gar nicht vorgesehen, sodaß dem Belastungs- und Veräußerungsverbot eine einen Rückforderungsanspruch sichernde Bedeutung gar nicht zukommen konnte. Ist aber eine derartige Sicherungsfunktion des Belastungs- und Veräußerungsverbotes zu verneinen, so kann der Wegfall dieses Verbotes - auch wenn er vom Beklagten verschuldet sein sollte - einen darauf gestützten Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten nicht begründen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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