Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 23.082,07 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.847,01 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 1.Jänner 1959 bis 1.Juni 1983 beschäftigt. Mit Vertrag vom 22.Mai 1978 wurde dem Kläger eine Pension zugesichert, deren Höhe sich zuletzt auf 41.207 S brutto monatlich belief.
Punkt VII dieses Pensionsvertrages bestimmt unter anderem:
"Die Gesellschaft kann die Pension mit der Wirkung einstellen, daß damit der Anspruch des Dienstnehmers auf Pension sowie die Anwartschaften der Angehörigen auf Versorgungsgenuß bzw die Ansprüche der Angehörigen auf Versorgungsgenuß endgültig erlöschen:
a) wenn nach der Versetzung des Dienstnehmers in den Ruhestand dieser oder ein versorgungsberechtigter Angehöriger desselben sich ohne ausdrückliche Genehmigung der Gesellschaft im Geschäftszweig derselben betätigt......."
Seit 7.Februar 1990 ist die Gattin des Klägers als Leiterin des Personalwesens bei der H***** Gesellschaft mbH, einer Konkurrentin der Beklagten, beschäftigt. Die Beklagte wurde hievon nicht verständigt. Die H***** Gesellschaft mbH ist ebenso wie die Beklagte im wesentlichen damit beschäftigt, Lebensmittel in Kunststoffolien zu verpacken. Anläßlich der Präsentation eines neuen Computerprogramms der H***** Gesellschaft mbH im Mai 1991 erfuhr der bei der Beklagten angestellte E***** L***** von der Tätigkeit der Gattin des Klägers bei dem Konkurrenzunternehmen und teilte dies dem Geschäftsführer der Beklagten mit, der hievon vorher keine Kenntnis gehabt hatte. Mit Schreiben ihres Anwaltes vom 27.September 1991 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß die Pensionszahlungen mit sofortiger Wirkung eingestellt würden; die am 1.Oktober 1991 fällige Pensionszahlung für September 1991 wurde nicht mehr geleistet.
Der Kläger begehrt den Betrag von 255.554 S sA sowie die Feststellung, daß sein Anspruch auf Pension und die Anwartschaften seiner Angehörigen auf Versorgungsgenuß bzw die Ansprüche der Angehörigen auf Versorgungsgenuß aus dem Pensionsvertrag vom 22.Mai 1978 aufrecht sind. Die Einstellung der Pensionszahlungen sei nicht gerechtfertigt, weil bei Anwendung von Treupflichtklauseln ein strenger Maßstab anzulegen sei. Sanktionsfähig seien nur grobe Treueverstöße durch Aktivitäten, die vorsätzlich oder grob fahrlässig ohne berechtigtes Eigeninteresse vorgenommen würden und dem Dienstgeber einen so erheblichen Schaden zufügten, daß ihm das Festhalten am Pensionsvertrag nicht mehr zumutbar sei. Als die Gattin des Klägers ihre Tätigkeit beim Konkurrenzunternehmen aufgenommen habe, habe er selbst über keinerlei Informationen und Kenntnisse verfügt, durch deren Weitergabe er der Beklagten hätte Schaden zufügen können; der Kläger sei bereits vor seinem Ausscheiden am 1. Juni 1983 seit dem 28.April 1982 nicht mehr Geschäftsführer der Beklagten und damit über deren operatives Geschäft nicht mehr informiert gewesen. Seit dem Jahre 1982 habe der Kläger weder Kontakt zu den damaligen Kunden der Beklagten noch Einfluß auf ihre Geschäftsführung. Nach der jahrelangen Absenz aus dem operativen Geschäft und der damit verbundenen völligen Unkenntnis des Marktes sowie dem Verlust sämtlicher Geschäftskontakte habe der Kläger keinerlei Möglichkeiten, Informationen zum Schaden der Beklagten an wen immer weiterzuleiten. Außerdem sei die Gattin des Klägers bereits zum Zeitpunkt seines Eintrittes in die Pension als Leiterin des Personal- und Rechnungswesens bei der T***** AG, einem Konkurrenzunternehmen der Beklagten, mit deren Wissen beschäftigt gewesen. Schließlich sei die Einstellung der Pensionszahlungen verfristet, weil die Beklagte bereits seit 1 1/2 Jahren von der Beschäftigung der Gattin des Klägers bei der H***** GesmbH informiert gewesen sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe mit der Herstellung von Produkten aller Art aus natürlichem, künstlichem und sythetischem Harz sowie aus Zellulose und Zellulosederivaten einen sehr eingeschränkten Unternehmensgegenstand; es gebe nur wenige Unternehmen in Österreich, die ähnliche Produkte erzeugten. Der Kläger habe 24 Jahre für die Beklagte gearbeitet; sein Name werde daher mit den Erzeugnissen und dem Kundenkreis der Beklagten identifiziert. Dies sei auch der Grund für die Aufnahme der Treueklausel in den Pensionsvertrag gewesen. Trotz der neunjährigen Absenz des Klägers aus dem operativen Geschäft müsse angenommen werden, daß seine Gattin nach wie vor einen völligen Marktüberblick besitze und deswegen auch immer wieder bei Konkurrenzunternehmungen eine gehobene Anstellung finde. Erst im Spätsommer 1991 habe die Beklagte erfahren, daß die Gattin des Klägers bei der H***** GesmbH in leitender Position tätig sei. Die Beklagte habe auch nichts davon gewußt, daß die Gattin des Klägers bereits bei dessen Pensionierung in leitender Funktion bei der T***** AG beschäftigt gewesen sei. Die §§ 36 f AngG seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil für den im Ruhestand befindlichen Kläger das Angestelltengesetz nicht gelte.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Verletzung der Treuepflichtklausel durch die Gattin des Klägers sei im Hinblick auf die Höhe der Pensionsansprüche aus dem Pensionsvertrag nicht als Wahrnehmung berechtigter Eigeninteressen des Klägers und seiner Gattin anzusehen; der Beklagten sei die Aufrechterhaltung der Pensionsleistungen nicht zumutbar, weil zu befürchten sei, daß ihr durch den Wissensstand der Gattin des Klägers und die Benützung ihres Namens ein Schaden entstehe bzw. schon entstanden sei. Zwischen der Kenntnis von der Tätigkeit der Gattin des Klägers und der Einstellung der Pensionszahlungen sei kein so langer Zeitraum vergangen, daß ein Verzicht der Beklagten auf diese Sanktion anzunehmen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge; es änderte das Ersturteil dahin ab, daß es dem Leistungsbegehren zur Gänze stattgab und aussprach, daß der Anspruch des Klägers auf Pension sowie die Anwartschaften der Angehörigen auf Versorgungsgenuß aus dem Pensionsvertrag vom 22.Mai 1978 aufrecht sind; hingegen bestätigte es die Abweisung des auf Feststellung des aufrechten Bestehens der Ansprüche der Angehörigen auf Versorgungsgenuß aus dem Pensionsvertrag vom 22.Mai 1978 gerichteten Begehrens. Eine Treuepflicht eines Dritten, wie eines Angehörigen des ehemaligen Dienstnehmers, könne gegenüber dem ehemaligen Dienstgeber des Pensionisten zu dessen Lebzeiten nicht einmal als Fernwirkung aus dem ehemaligen Dienstverhältnis bestehen, solange der Angehörige nicht selbst Versorgungsgenußberechtigter aus dem Pensionsvertrag sei. Die (Unterlassungs-)Verpflichtung der Angehörigen ohne deren Zustimmung sei eine unwirksame Vertragsbestimmung zu Lasten Dritter. Der Versorgungsanspruch der Gattin des Klägers entstehe erst mit dem Tod des Klägers; erst ab diesem Zeitpunkt treffe sie die Verpflichtung aus der Treueklausel. Der Begriff des "versorgungsgenußberechtigten Angehörigen" sei dahin zu verstehen, daß der Angehörige schon selbst Anspruch auf einen Versorgungsgenuß und nicht bloß eine Anwartschaft habe, weil der unmittelbar Pensionsberechtigte noch lebe. Erst wenn der Angehörige die Stellung des Pensionisten einnehme, sei eine gewisse Treuepflicht als Fernwirkung des Dienstverhältnisses zwischen dem unmittelbar Pensionsberechtigten und seinem ehemaligen Dienstgeber denkbar. Durch die Tätigkeit der Gattin des Klägers sei die Treuepflichtklausel daher nicht verletzt worden, so daß dem Kläger die Pension zustehe. Da der Kläger zu seinen Lebzeiten allein Anspruchsberechtigter sei und die Angehörigen nur Anwartschaftsrechte hätten, sei das Ersturteil hinsichtlich der Abweisung des auf Feststellung des aufrechten Bestehens der Ansprüche der Angehörigen auf Versorgungsgenuß gerichteten Begehrens zu bestätigen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß das Betriebspensionsgesetz auf die vorliegende Treuepflichtklausel gemäß Art V Abs 4 Z 3 der Übergangsbestimmungen nicht anzuwenden ist (siehe Schrammel BPG 220, 242; Resch, Treuepflichtklauseln in Betriebspensionsvereinbarungen ecolex 1991, 551 ff und 631 ff [632 f]).
Damit ist aber für die Revisionswerberin nichts gewonnen. Wie der Oberste Gerichtshof in der gleichfalls eine Treuepflichtklausel
betreffenden Entscheidung SZ 61/119 (= Arb 10.742 = ZAS 1989, 171
[kritisch Binder] = DRdA 1990/33 [im wesentlichen zustimmend Resch] =
RdW 1988, 325) ausgesprochen hat, ist die Pensionsvereinbarung als entgeltliches Geschäft zu qualifizieren, bei dem der Dienstnehmer vorgeleistet hat und nun seinem Partner gleichsam auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist (siehe auch Petrovic "Betriebspension und Treuepflicht" in Runggaldier-Steindl, HdB zur betrieblichen Altersversorgung 311 ff [328], sowie Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis 134). Schon aus diesem Grund sind nur grobe Treueverstöße sanktionsfähig, die vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig ohne ein im Vergleich zu den gefährdeten Interessen des Arbeitgebers berücksichtigungswürdiges Eigeninteresse des Arbeitnehmers (zutreffend Resch aaO 552) vorgenommen wurden und dem Arbeitgeber einen derart erheblichen Schaden zugefügt (oder dessen betriebliche Interessen so schwer gefährdet) haben, daß es ihm unzumutbar ist, noch länger am Pensionsvertrag festzuhalten (siehe SZ
61/160 = Arb 10.746 = ZAS 1989/26 [im wesentlichen zustimmend
Petrovic] = DRdA 1990, 361 [kritisch Binder] = JBl 1989, 401 = RdW
1988, 457; siehe auch Welser, Widerrufsvorbehalt und Teilkündigungsvereinbarung bei entgeltwerten Leistungen des Arbeitgebers, DRdA 1991, 1 ff [8], wonach ein vereinbartes Widerrufsrecht nur bei betriebsbezogenen, wichtigen Gründen ausgeübt werden darf; vgl BGH zu der vergleichbaren deutschen Rechtslage vor Inkrafttreten des dBetrAVG in AP 151 zu § 242 BGB Ruhegehalt = BGHZ 55, 274, wonach dem Berechtigten das Ruhegeld wegen Verletzung einer Konkurrenzklausel nur unter der Voraussetzung des Rechtsmißbrauches insbesondere dann vorenthalten werden kann, wenn der Verstoß die wirtschaftliche Grundlage des Pensionsschuldners gefährdet). Schon unter diesem Gesichtspunkt ist der Widerruf des Ruhegenusses allein wegen der Tätigkeit der Ehegattin des Pensionisten bei einem Konkurrenzunternehmen nicht gerechtfertigt, sofern nicht dem Pensionisten selbst treuewidriges Verhalten vorzuwerfen ist, etwa eine erhebliche Schädigung seines ehemaligen Arbeitgebers durch Weitergabe von Information über dessen Betrieb (siehe dazu auch RdW 1986, 42). Die Treuepflichtklausel ist daher jedenfalls unwirksam, soweit sie den durch langjährige Arbeitsleistung und Betriebstreue erdienten Pensionsanspruch des Klägers allein davon abhängig macht, daß seine Ehegattin nicht bei einem Konkurrenzunternehmen tätig ist.
Zu diesem Ergebnis gelangt man auch, wenn man im Rahmen der Auslegung des § 879 ABGB die in den §§ 36 f AngG zum Ausdruck kommenden Wertungen des Gesetzgebers berücksichtigt, da - wie Resch (aaO DRdA 1990, 311 und ecolex 1991, 553) zutreffend aufzeigt - ungeachtet der strukturellen Unterschiede der Treuepflichtklausel zur Konkurrenzklausel erstere in ihrer wirtschaftlichen Wirkung letzterer gleichkommt. Betrachtet man daher den in den §§ 36 f AngG berücksichtigten Grundsatz, daß die Erwerbsfreiheit des Arbeitnehmers nur in einem geringen Ausmaß einer vertraglichen Beschränkung unterworfen werden kann, dann ist die Treuepflichtklausel, jedenfalls soweit sie nicht nur den Pensionsten selbst, sondern seine nur anwartschaftsberechtigte Ehegattin erfaßt, gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig. Da der Ehegatte im Rahmen der Beistandspflicht zur Wahrung und Erhaltung der Voraussetzungen der Pensionsansprüche des anderen Ehegatten verpflichtet ist (siehe EvBl 1983/30), wird durch die vorliegende Treuepflichtklausel auch die Ehegattin des Klägers in ihrer Erwerbsfreiheit eingeschränkt, ohne daß dies durch die wohl nur auf den Pensionsbezieher selbst zutreffende Einkommensersatzfunktion der Pension (siehe Rebhahn zur E DRdA 1991/19 [219]) ausgeglichen würde. Nimmt man schließlich darauf Bedacht, daß der Gesetzgeber nacharbeitsvertragliche Beschränkungen der Erwerbsfreiheit des Arbeitnehmers mit Rücksicht auf die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers in den §§ 36 f AngG nur in engen zeitlichen Grenzen zuläßt (siehe Resch aaO ecolex 1991, 553), dann kommt ein Widerruf im vorliegenden Fall auch wegen der langen Zeitspanne seit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht mehr in Frage.
Zutreffend ist daher das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangt, daß weder der Pensionsanspruch des Klägers noch die Pensionsanwartschaft seiner Gattin erloschen sind.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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