OGH 12Os141/92(12Os142/92)

OGH12Os141/92(12Os142/92)28.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Jänner 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Markel, Mag.Strieder und Dr.Mayrhofer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag.Röder als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian Roland R***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 30. September 1992, GZ 8 Vr 737/91-28, sowie über die Beschwerde gegen den zugleich gefaßten Beschluß gemäß § 494 a Abs 1 Z 2, Abs 7 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das hinsichtlich der rechtskräftigen Teilfreisprüche unberührt bleibt, und der zugleich gefaßte Beschluß gemäß § 494 a Abs 1 Z 2, Abs 7 StPO werden aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Verfahren vor dem Einzelrichter an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung und mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 31.Jänner 1963 geborene Christian Roland R***** wurde des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 10.August 1991 in Neukirchen an der Enknach (seinem Bruder) Robert R***** durch Schläge Rißquetschwunden am Kinn und an den Lippen zugefügt.

Rechtliche Beurteilung

Das angefochtene Urteil enthält außerdem rechtskräftige Freisprüche von weiteren (teils die sachliche Zuständigkeit des Schöffengerichtes begründenden) Anklagevorwürfen.

Der Angeklagte bekämpft seinen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies den Strafausspruch mit Berufung und den zugleich gefaßten Beschluß gemäß § 494 a Abs 1 Z 2, Abs 7 StPO mit Beschwerde.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt schon Berechtigung zu, soweit im Rahmen der (sachlich durchwegs auf die Z 9 lit b gestützten) Rechtsrügen sinngemäß Feststellungsmängel hinsichtlich der für eine abschließende Beurteilung der Notwehr- bzw Putativnotwehrproblematik erforderlichen Tatsachengrundlagen geltend gemacht werden.

Nach den wesentlichen tatrichterlichen Feststellungen kam es zwischen dem Angeklagten und seinem Bruder Robert R***** zu einer zunächst bloß verbalen Kontroverse, weil letzterer eine Beteiligung des Angeklagten an einer Fahrzeugbeschädigung vermutete. Erst als Robert R***** einen Stein ergriff und damit Christian Roland R***** durch einen Schlag gegen den Kopf (leicht) verletzte, eskalierte das Streitgespräch zu jenen Tätlichkeiten, die zu den hier inkriminierten Verletzungsfolgen führten. Das angefochtene Urteil geht in diesem Zusammenhang davon aus, daß der (schlagbedingt verletzte) Angeklagte in Zorn geriet, "sodaß er Robert R***** erfaßte und es in der Folge zu einer Rauferei kam, in deren Verlauf der Angeklagte und Robert

R***** jeweils in Verletzungsabsicht aufeinander einschlugen..... im Zuge des Handgemenges in eine Wiese stürzten......", wo der Angeklagte "abermals in Verletzungsabsicht dem Robert R***** mehrere Schläge" versetzte. Die Verantwortung des Angeklagten, den körperlichen Angriff seines Bruders lediglich abgewehrt zu haben, lehnte das Erstgericht im wesentlichen mit der Begründung als unglaubwürdig ab, daß die "gegenseitigen Aggressionshandlungen" (auch aus der Sicht einer im Beweisverfahren erörterten Tonbandaufzeichnung einer Bemerkung des Angeklagten, wonach Robert R***** den "Kürzeren gezogen habe" und "bei ihm gefallen sei") als bewußtes Kräftemessen im Sinn einer beiden Kontrahenten die Berufung auf Notwehr verschließenden "Rauferei" zu verstehen sei (177, 179).

Schon angesichts der (im Sinn der Verantwortung des Angeklagten und der ihn entlastenden Aussage seiner Gattin Katharina R*****, entgegen den Angaben der in den Urteilsgründen - dessenungeachtet - als "überaus verläßlich" beurteilten Zeugin Waltraud S*****) als erwiesen angenommenen Tatsache, daß es Robert R***** war, der die tätlichen Aggressionen (einseitig) durch Zuschlagen mit einem Stein gegen den Kopf des Angeklagten exzessiv eröffnete, hätte die Verneinung jedweder den Angeklagten favorisierender Notwehrsituation detaillierter Feststellungen zu jenen Tatsachen bedurft, die die Annahme einer in ihrer strafrechtlichen Relevanz von der vorausgegangenen körperlichen Attacke unabhängigen, isolierten Gewaltreaktion auf einen bereits abgeschlossenen und solcherart nicht mehr abwehrbedürftigen Angriff gerechtfertigt hätte. Daß die gravierenden Modalitäten der tätlichen Aggressionseröffnung durch Robert R***** - die Erwiesenheit eines allfälligen Innehaltens des Angreifers nach der ersten Schlagführung vorausgesetzt - das Erfordernis entsprechender Tatsachenfeststellungen (auch) zur Problematik einer im konkreten Fall nicht vorweg auszuschließenden Putativnotwehr (§ 8 StGB) aktualisiert, versteht sich von selbst (Folgeverhalten des Angreifers insbesondere auch hinsichtlich des Schlagwerkzeugs).

Da sich sohin zeigt, daß schon aufgrund des erörterten Beschwerdevorbringens die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung (vor dem nunmehr sachlich zuständigen Einzelrichter) nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war über die Nichtigkeitsbeschwerde in nichtöffentlicher Sitzung spruchgemäß zu erkennen (§ 285 e StPO).

Mit seinen hiedurch gegenstandslos gewordenen Rechtsmitteln war der Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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