Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Ein zwischenzeitig verstorbener, mehrfach vorbestrafter Betrüger (in der Folge als Kunde bezeichnet) kaufte am 19.4.1990 bei der klagenden Gesellschaft, die einen KFZ-Handel betreibt, einen PKW Opel Corsa, der im Leasingweg finanziert werden sollte. Die Vertragspartner einigten sich auf einen Kaufpreis von S 134.000 abzüglich des Wertes eines Eintauschfahrzeuges von S 45.000. Der Restbetrag von S 89.000 sollte von einer Leasingfirma beglichen werden. Am selben Tag erhielt die klagende Partei von einer Leasingfirma in Salzburg einen Finanzierungsbestätigung.
Bereits am nächsten Tag wandte sich der Kunde an die beklagte GesmbH & Co KG, die ebenfalls einen Autohandel betreibt, um einen Mazda 323 zu kaufen und ebenfalls im Leasingweg zu finanzieren. Er erklärte dem Verkäufer der beklagten Partei, daß er den Kauf des Opel Corsa schon bereue, worauf dieser den Ankauf des Opel Corsa zusagte. Der Kunde erwähnte auch, daß der Opel Corsa über eine Leasingfirma finanziert werde. Diese stellte am 20.4.1990 der beklagten Partei eine Finanzierungsbestätigung betreffend den Mazda 323 für den Kunden mit dem Ersuchen aus, die klagende Partei davon in Kenntnis zu setzen, daß der von dem Kunden bestellte Opel Corsa an die beklagte Partei zu fakturieren sei. Diesem Ersuchen kam die beklagte Partei nicht nach. Die klagende Partei wurde weder von der Leasingfirma noch von der beklagten Partei von diesen Abmachungen verständigt.
Der Verkäufer der beklagten Partei händigte dem Kunden einen Barbetrag von S 89.000 mit dem Auftrag aus, ihm der klagenden Partei für den Opel Corsa zu übergeben und das Fahrzeug samt Typenschein zu bringen. Der Kunde behielt den Betrag von S 89.000 aber für sich und brachte die klagende Partei, die im Leasinggeschäft damals völlig unerfahren war und nicht wußte, daß der Typenschein üblicherweise der finanzierenden Leasingfirma und nicht dem Leasingnehmer übergeben wird, dazu, ihm den Opel Corsa samt leerem Typenschein auszufolgen, den er anschließend der beklagten Partei übergab. Diese verkaufte den Opel Corsa weiter, obwohl sie in der Zwischenzeit erfahren hatte, daß die klagende Partei daran Eigentumsvorbehalt geltend macht.
Die klagende Partei begehrt nun die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von S 93.000 mit der Begründung, sie habe an den Kunden den PKW Opel Corsa verkauft und die beklagte Partei habe diesen PKW trotz Kenntnis des Eigentumsvorbehalts der klagenden Partei daran und der Tatsache, daß der Kunde den PKW nicht bezahlt habe, für den Ankauf eines PKW in Zahlung genommen und weiterverkauft habe. Unter Berücksichtigung des vom Kunden der klagenden Partei übergebenen Eintauschfahrzeuges errechne sich ein restlicher Kaufpreis von S 89.000; dazu komme ein Betrag von S 4.000 für das von der klagenden Partei eingebaute Radio.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, bestritt ihre Zahlungsverpflichtung und wendete ein, sie habe den Kaufpreis von S 89.000 an den Kunden mit dem Auftrag übergeben, den PKW Opel Corsa zu bezahlen. Da ihr der Eigentumsvorbehalt der klagenden Partei nicht bekanntgegeben worden sei, habe sie in gutem Glauben davon ausgehen können, daß ein solcher nicht vereinbart worden "bzw durch gänzliche Zahlung des Kaufpreises ... erloschen" sei; infolge Übergabe des Fahrzeugs an den Kunden habe sie gutgläubig Eigentum an diesem Fahrzeug erworben. Eine vertragliche Beziehung zwischen den Streitteilen habe nicht bestanden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die beklagte Partei an dem PKW Opel Corsa gemäß § 367 ABGB Eigentum erworben habe; sie habe aus dem Umstand, daß dem Kunden von der klagenden Partei nicht bloß das Fahrzeug, sondern auch der leere Typenschein anvertraut worden war, schließen dürfen, daß der Kunde den Kaufpreis tatsächlich bezahlt habe und damit der Eigentumsvorbehalt der klagenden Partei erloschen sei. Die Unterlassung der Verständigung der klagenden Partei entsprechend der Anweisung in der Finanzierungsbestätigung der Leasingfirma an die beklagte Partei begründe keine Zahlungsverpflichtung ihrerseits, da es an einer vertraglichen Beziehung zwischen den Streitteilen fehle.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Zur Entscheidungsbegründung führte es aus: Ein Eigentumsvorbehalt der klagenden Partei an dem PKW sei nicht wirksam vereinbart worden. Aus dem unbestrittenen Sachverhalt ergebe sich diesbezüglich nur, daß ein entsprechender Hinweis auf der von der klagenden Partei an den Kunden ausgestellten Rechnung enthalten war und daß die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes branchenüblich sei; beides reiche aber nicht aus, um den von der klagenden Partei behaupteten Eigentumsvorbehalt zu begründen. Zustandekommen und Gültigkeit des Eigentumsvorbehaltes bedürften der Einigung der Vertragsparteien schon im Kaufvertrag; die Begründung eines Eigentumsvorbehaltes durch Vermerk auf der Faktura oder auf dem Lieferschein sei nicht nur schuldrechtlich, sondern auch sachenrechtlich wirkungslos (Bydlinski in Klang2 IV 2, 470 ff; OGH in RdW 1987/5). Auch die Branchenüblichkeit könne den konkreten Nachweis über die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes nicht ersetzen (Bydlinski aaO 473 ua). Da ein wirksamer Eigentumsvorbehalt der Klägerin beim Verkauf des Opel Corsa nicht zustandegekommen sei, erübrige sich die Prüfung der Frage, ob die beklagte Partei gutgläubig Eigentum erworben habe. Es stehe fest, daß die klagende Partei den PKW an den Kunden übergeben habe, sodaß dieser mangels Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes Volleigentümer geworden sei. Daraus folge weiters, daß die beklagte Partei aufgrund der vertraglichen Vereinbarung mit dem Kunden und der nachfolgenden Übergabe des PKW ebenfalls Eigentümerin des Opel Corsa geworden sei. Die klagende Partei könne daher aus dem behaupteten Eingriff in ihr vorbehaltenes Eigentum gegen die beklagte Partei weder einen Verwendungs-, noch einen Schadenersatzanspruch ableiten. Auch aus der unterlassenen Verständigung der klagenden Partei über die Abmachungen zwischen der Leasingfirma und der beklagten Partei lasse sich ein Direktanspruch zwischen den Streitteilen nicht konstruieren. Die Vereinbarung zwischen der Leasingfirma und der beklagten Partei sei als Erfüllungsübernahme iS des § 1404 ABGB zu qualifizieren. Das gleiche gelte, wenn man das Verständigungsersuchen der Leasingfirma an die beklagte Partei als Anweisung auffasse. Mangels Einbeziehung der klagenden Partei in die Vereinbarungen zwischen der Leasingfirma und der beklagten Partei hafte diese nur gegenüber ihrem Vertragspartner, der Leasingfirma, für die unterlassene Verständigung der Klägerin. Ein vertraglicher Haftungsanspruch zwischen den Streitteilen scheide daher aus. Ein deliktischer Schadenersatzanspruch der klagenden Partei sei schon mangels Schadens zu verneinen: Die klagende Partei habe nach wie vor eine Finanzierungsforderung gegenüber der Leasingfirma, da deren Verpflichtungserklärung ihr gegenüber durch deren Abmachungen mit der beklagten Partei nicht wirksam außer Kraft gesetzt worden seien. Daß diese Forderung nicht einbringlich wäre, habe die klagende Partei nie behauptet.
Die Revision an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, daß zur Frage, ob Branchenüblichkeit der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes die konkrete Vereinbarung ersetze, soweit ersichtlich, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, in Abänderung des angefochtenen Urteils dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungsantrag.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zwar geht die Revisionswerberin mit keinem Wort auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ein, ob Branchenüblichkeit eines Eigentumsvorbehalts die konkrete Vereinbarung ersetze, sondern setzt - offenbar in Verkennung der Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes - mit dem Erstgericht, das diese Ansicht aber nicht näher begründete, voraus, daß ein Eigentumsvorbehalt zwischen der klagenden Partei und dem Kunden gültig zustandegekommen sei, und meint deshalb, daß die Frage der Gutgläubigkeit der beklagten Partei beim Erwerb des Opel Corsa zu prüfen (und zu verneinen) sei. Da die klagende Partei aber auch andere erhebliche Rechtsfragen, wenn auch nur im Rahmen der Ausführung ihrer Rechtsrüge (siehe S. 3-5 der Revision), aufgeworfen hat (insbesondere die nach dem Sorgfaltsmaßstab beim Erwerb von Gegenständen, die üblicherweise unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden, und inwieweit sie aus den Auftrag der Leasingfirma an die beklagte Partei als unmittelbar begünstigte Dritte anzusehen ist), muß die Rechtssache aus Anlaß dieser zulässigen und ordnungsgemäß ausgeführten Revision nach allen Seiten hin rechtlich überprüft werden.
Aus den vom Berufungsgericht ausgeführten, auf Bydlinski (in Klang2 IV/2, 473) gestützten Gründen (ebenso Aicher in Rummel ABGB I 2 Rz 28 zu § 1063) ist allerdings zu verneinen, daß Branchenüblichkeit einer Vertragsklausel (hier bezüglich des Eigentumsvorbehalts beim Verkauf eines Kfz auf Kredit) deren Vereinbarung ersetzt, wovon offenbar das Erstgericht ausgeht (wie sich aus dessen Ausführungen im Urteil zur Beweiswürdigung S. 13 unten/S.14 oben ergibt). Wenn im Autohandel Eigentumsvorbehalt vereinbart zu werden pflegt, so hat dies für die - vielleicht nur wenigen - Kaufverträge keine Bedeutung, in denen das nicht der Fall ist; der Kunde kann vielmehr gerade dann damit rechnen, daß ihm diese Klausel erspart geblieben ist. Eine bloße "Vertragssitte", dh die Übung, bestimmte Klauseln vertraglich regelmäßig zu vereinbaren, ist als solche kein Auslegungsmittel. Umsoweniger ist es möglich, eine, sei es auch dispositive Gesetzesnorm wie § 1063 ABGB dadurch, daß sehr viele Vertragschließende sie abbedingen, auch für jene zu verdrängen, bei denen das nicht der Fall ist. (Davon zu unterscheiden ist allerdings die in der Revision aufgeworfene Frage, ob der Dritte bei Erwerb von Gegenständen, die üblicherweise unter Eigentumsvorbehalt verkauft werden, zu besonderer Sorgfalt verpflichtet ist; hiezu siehe unten.) Richtig folgerte das Berufungsgericht auch, daß zur Begründung des Eigentumsvorbehalts ein nach Abschluß des Kaufvertrages erstmals auf der Rechnung enthaltener diesbezüglicher Vermerk nicht ausreicht (SZ 52/120; 55/134 ua).
Das Berufungsgericht nimmt aber - offensichtlich aktenwidrig - an, daß ein entsprechender Hinweis auf einen Eigentumsvorbehalt erstmals in der an den Kunden ausgestellten Rechnung vom 24.4.1990, Beilage ./C, enthalten war, denn es ergibt sich bereits aus dem in seiner Echtheit unbekämpft gebliebenen Kaufantrag des Kunden betreffend den PKW Opel Corsa vom 19.4.1990 (Beilage ./A), daß unter Punkt VII ein Eigentumsvorbehalt des Verkäufers vereinbart wurde. Dieser Kaufantrag ist allerdings formell an eine andere Firma gerichtet, von der sich die klagende Partei den PKW gegen Begleichung des Kaufpreises besorgt hatte (siehe Ersturteil S. 8); nach ihrem Vorbringen ließ sie sich alle Rechte aus dem Vertrag gegen den Kunden zedieren.
Da hierüber und über die behauptete Zession der Ansprüche keine Feststellungen getroffen wurden, die Frage der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts aber entscheidungswesentlich ist, müssen die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und dem Erstgericht hierüber ergänzende Feststellungen aufgetragen werden. Hiebei wird von der klagenden Partei darzulegen sein, worauf sie die behauptete Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts mit dem Kunden in concreto stützt.
Sollte sich aus im fortgesetzten Verfahren zu treffenden Feststellungen ergeben, daß der Eigentumsvorbehalt nicht schon bei Abschluß des Kaufvertrages vereinbart wurde, muß das Klagebegehren abgewiesen werden; das Berufungsgericht hat die Rechtssache für diesen Fall zutreffend beurteilt. Die klagende Partei kann weder aus der Erfüllungsübernahme der Verpflichtung der Leasingfirma durch die beklagte Partei (Ertl in Rummel ABGB I2 Rz 2 f zu § 1404) noch aus dem Ersuchen der Leasingfirma vom 20.4.1990, die klagende Partei davon in Kenntnis zu setzen, daß der vom Kunden bestellte PKW Opel Corsa an die beklagte Partei zu fakturieren sei, unmittelbare Rechte ableiten, gleichgültig, ob man dieses Ersuchen als Anweisung (vgl Ertl aaO Rz 1 zu § 1402) oder als Auftrag ansieht; ein echter Vertrag zugunsten der klagenden Partei (§ 881 Abs 2 ABGB) kann in diesem Ersuchen nämlich nicht erblickt werden.
Sollte sich jedoch aus den ergänzenden Feststellungen ergeben, daß ein Eigentumsvorbehalt rechtzeitig und gültig zwischen dem Kunden und der klagenden Partei vereinbart bzw ein schon wirksam begründet gewesener auf diese überbunden wurde, ist die Frage des gutgläubigen Eigentumserwerbs durch die beklagte Partei nochmals zu überdenken:
Das Erstgericht (S. 14 f) bejahte diesen; das Berufungsgericht (S. 6) ließ diese Frage als nicht entscheidungswesentlich offen. Nach den bisherigen Feststellungen und dem Zugeständnis der beklagten Partei in ihrer Revisionsbeantwortung (S.2 f), daß ihr bekannt war, daß der Opel Corsa noch nicht bezahlt und noch Eigentum der klagenden Partei gewesen sei, als sie dem Kunden S 89.000 in bar zu dessen Bezahlung gab, ist Gutgläubigkeit der beklagten Partei zu verneinen: es ist ihr zumindest leichte Fahrlässigkeit - und diese genügt nach herrschender Ansicht, um einen gutgläubigen Erwerb ihrerseits vom Vertrauensmann (Kunden) des wahren Eigentümers zu verhindern (Spielbüchler in Rummel ABGB I 2 Rz 1 zu § 326 iVm Rz 5 zu § 367 mwN) - vorzuwerfen, wenn sie unter den gegebenen Umständen von einem Erlöschen des Eigentumsvorbehalts durch Bezahlung des Kaufpreises ausging; sie hat zu sorglos gehandelt, wenn sie dem Kunden den Kaufpreis bar zwecks Begleichung bei der klagenden Partei ausfolgte und sich mit der Übergabe des PKWs samt Typenschein begnügte, sich jedoch weder vom Kunden eine Quittung der klagenden Partei über die erfolgte Bezahlung des Kaufpreises vorweisen ließ sich mit dieser in Verbindung setzte (vgl die bei Spielbüchler aaO Rz 3 zu § 368 angeführten Fälle, insb JBl 1986, 234; 1988, 311; SZ 23/379 ua).
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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