Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:
"Die dem Minderjährigen für die Zeit vom 1.7.1989 bis 30.6.1992 gewährten Unterhaltsvorschüsse werden mit Wirkung 1.8.1991 auf monatlich S 1.000 herabgesetzt.
Der Übergenuß ist in monatlichen Raten a S 200 einzubehalten."
Text
Begründung
Der Minderjährige wohnt bei seiner Mutter. Sein Vater ist ab 1.5.1985 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 2.250 verpflichtet (ON 45). Mit Beschluß vom 17.7.1989 (ON 57) bewilligte das Erstgericht dem Minderjährigen einen Unterhaltsvorschuß gemäß § 3 Z 1 und 2 UVG in Titelhöhe bis 30.6.1992. Seit 1.8.1991 bezieht der Minderjährige als Kochlehrling unter Einbeziehung der Sonderzahlungen eine Lehrlingsentschädigung von S 4.950 im Monat.
Das Erstgericht setzte mit Beschluß vom 23.9.1991 (ON 73) den Unterhaltsvorschuß ab 1.8.1991 auf monatlich S 1.550 herab und ordnete die Einbehaltung des Übergenusses in monatlichen Raten von S 200 an.
Das Rekursgericht gab den Rekursen des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien und des Minderjährigen nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der "Durchschnittsbedarf" heranwachsender Jugendlicher liege in der Größenordnung einer Pension in Richtsatzhöhe einschließlich anteiliger Sonderzahlungen. Das eigene Einkommen des Kindes sei nicht nur auf den Geldunterhalt, sondern auch auf die Betreuungsleistungen im mütterlichen Haushalt anzurechnen; durch den Geldunterhalt seien nur zwei Drittel der Differenz abzudecken. Im Jahr 1991 betrage diese Differenz bei einem Richtsatz von S 7.000 daher S 1.400, ab 1.1.1992 bei einem Richtsatz von S 7.300 jedoch S 1.600. Der vom Erstgericht festgesetzte Vorschußbetrag entspreche daher für einen längeren Zeitraum durchaus dem restlichen Geldbedarf des Minderjährigen. Eine weitere Herabsetzung sei hingegen auf Grund der Belastbarkeit des Vaters nicht vorzunehmen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes von den Grundsätzen der Entscheidung des verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes vom 26.8.1991, 1 Ob 560/92, zur Frage, in welchem Ausmaß das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf den in Geld zu leistenden Unterhalt anzurechnen ist, abweicht; er ist auch berechtigt.
Die - bisdahin in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht einheitlich gelöste - Frage, ob das auf die Unterhaltsleistung anrechenbare Eigeneinkommen des Kindes von dem in § 6 Abs 1 UVG verankerten sozialversicherungsrechtlichen Richtsatz abzuziehen und nur der Unterschiedsbetrag als Vorschuß zu gewähren oder ob zu ermitteln ist, mit welchem Betrag die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht trotz der eigenen Einkünfte des Minderjährigen noch weiter besteht, und der gewährte Vorschuß bloß dem Ergebnis dieser Prüfung anzupassen ist, beantwortete der verstärkte Senat im Sinne der zweiten Lösungsvariante, also dahin, daß im Fall eines Eigeneinkommens des Kindes gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG zu prüfen ist, ob und bejahendenfalls in welcher Höhe die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsverpflichtung unter Bedachtnahme auf die geänderten Verhältnisse noch fortbesteht; nur so weit danach der Unterhaltsspruch herabzusetzen wäre, sind auch die Vorschüsse teilweise zu versagen oder gemäß § 19 Abs 1 UVG entsprechend herabzusetzen. Zu einer gänzlichen Versagung oder Einstellung der Unterhaltsvorschüsse kommt es nur dann, wenn der Minderjährige infolge der geänderten Verhältnisse selbsterhaltungsfähig geworden ist. Bei der Ermittlung der Selbsterhaltungsfähigkeit, für deren Beurteilung sich keine allgemein gültigen Regeln aufstellen lassen, kann nach der Rechtsprechung (SSV-NF 3/39; SZ 63/101; RZ 1992/3; 1 Ob 560/92 ua) bei einfachen Lebensverhältnissen - also vor allem in Fällen, in welchen der geschuldete Unterhaltsbetrag wegen des Einkommens des Unterhaltsschuldners oder dessen Sorgepflichten verhältnismäßig gering ist - der Richtsatz für die Gewährung einer Ausgleichszulage im Sinne des § 293 Abs 1 lit a sublit bb und lit b ASVG als Richtschnur dienen.
Die weitere - hier entscheidungswesentliche - Frage, in welchem Ausmaß das Eigeneinkommen des Minderjährigen auf den in Geld zu leistenden Unterhalt anzurechnen ist, beantwortete der verstärkte Senat entgegen der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung dahin, daß diese Anrechnung bei einfachen Lebensverhältnissen zu gleichen Teilen zu erfolgen hat.
Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes: Mit einem durchschnittlichen monatlichen Einkommen von S 4.950 im Jahr 1991 und von S 5.150 im Jahr 1992 ist der Minderjährige noch nicht als selbsterhaltungsfähig anzusehen. Sein gesamter Unterhaltsanspruch reduziert sich aber auf Grund dieses Einkommens im Hinblick auf die für die genannten Jahre geltenden Richtsätze für die Gewährung einer Ausgleichszulage von S 7.000 und S 7.300 in den für die Vorschußgewährung maßgebenden Zeitraum auf rund S 2.000; so weit er jedoch auf Geldzahlung durch seinen Vater gerichtet ist, verringert er sich - bei gleichteiliger Anrechnung seiner Einkünfte - auf S 1.000. Wegen der geänderten Verhältnisse kann daher nur mehr dieser Betrag im fraglichen Zeitraum durch Unterhaltsvorschüsse gesichert werden.
Dem Revisionsrekurs war somit Folge zu geben und der Unterhaltsvorschuß gemäß § 5 Abs 1, § 6 Abs 1 und § 19 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 Z 1 UVG auf monatlich S 1.000 herabzusetzen. Einer Veränderung der Rückzahlungsrate für den Übergenuß bedurfte es hingegen nicht.
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