OGH 2Ob46/92

OGH2Ob46/9221.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas O*****, vertreten durch Dr.Barbara John-Rummelhardt, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Elfriede K*****, und 2. ***** Versicherungs-AG, ***** beide vertreten durch Dr.Karl Stockreiter, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 301.644,66 sA und Feststellung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28.April 1992, GZ 12 R 54/92-90, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 14.November 1991, idF des Ergänzungsurteiles vom 23.Jänner 1992, GZ 27 Cg 747/86-78 und 82, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie unter Einbeziehung unangefochten gebliebener und in Rechtskraft erwachsener Teile insgesamt zu lauten haben:

"Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei S 139.979,33 samt 4 % Zinsen seit 16.7.1986 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Es wird festgestellt, daß die beklagten Parteien der klagenden Partei für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall vom 24.1.1985 in Wien *****, L***** Straße, zur Hälfte zu haften haben, wobei die Haftung der zweitbeklagten Partei auf die Haftpflichtversicherungssumme für den KKW VW ***** zur Unfallszeit beschränkt bleibt.

Das Mehrbegehren von S 161.665,33 samt 4 % Zinsen seit 16.7.1986 sowie die Zinsenmehrbegehren werden abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien an Verfahrenskosten S 15.876,27 (darin S 2.641,28 Umsatzsteuer und S 6.028,57 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei an Pauschalkosten erster Instanz den Betrag von S 9.720,-- binnen der gleichen Frist zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 24.1.1985 ereignete sich in Wien ***** im Bereich der Kreuzung der L***** Straße mit der W*****straße ein Verkehrsunfall, an dem der am ***** geborene Kläger als Fußgänger und die Erstbeklagte als Lenkerin und Halterin des bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten KKW VW *****, beteiligt waren. Der Kläger wurde schwer verletzt.

Der Kläger begehrte von den Beklagten mit der Behauptung, der Unfall sei auf einen groben Aufmerksamkeitsfehler der Erstbeklagten zurückzuführen, die Bezahlung seiner Schäden von S 301.644,66 sA, worin ua auch die Kosten einer vorzunehmenden kosmetischen Operation von S 48.732,-- enthalten waren. Er stellte außerdem ein entsprechendes Feststellungsbegehren.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wandten ein, daß den Kläger das alleinige Verschulden am Unfall treffe.

Das Erstgericht erkannte die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger S 189.954,42 sA zu bezahlen und gab dem Feststellungsbegehren zu zwei Drittel statt. Das Mehrbegehren von S 111.690,24 sA wies es ab.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen des Klägers und der beklagten Parteien teilweise Folge, änderte das erstgerichtliche Urteil ab, sprach dem Kläger S 186.639,10 sA zu und wies das Mehrbegehren von S 115.005,56 sA ab. Dem Feststellungsbegehren gab es zu zwei Drittel statt. Die ordentliche Revision ließ es zu. Das Gericht zweiter Instanz übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, von denen hier noch relevant sind:

Der Kläger näherte sich der Unfallsstelle zunächst am linken Gehsteig der W*****straße und wollte in der Folge die L***** Straße in Annäherungsrichtung der Erstbeklagten gesehen von links nach rechts überqueren. Die Erstbeklagte näherte sich der späteren Unfallstelle in der L***** Straße mit einer Geschwindigkeit von ca 45 bis 50 km/h. Die Sicht war nicht beeinträchtigt und auf eine Strecke von zumindest 100 m möglich. Die Erstbeklagte bemerkte den Kläger aber erst, als er sich etwa in der Fahrbahnmitte befand. Auch der Kläger nahm den herannahenden PKW erst unmittelbar vor der Kollision, als er ungefähr in der Fahrbahnmitte war, wahr. Die Erstbeklagte reagierte rund 15 bis 20 m vor dem Kläger, ds 1,2 bis 1,5 Sekunden vor der Kollision mit einer Vollbremsung. Es war ihr noch möglich, ihr Fahrzeug auf rund 37 km/h abzubremsen, sie konnte jedoch eine Kollision zwischen der Front ihres Fahrzeuges (ca 40 cm rechts der linken Begrenzung) und dem Kläger nicht mehr verhindern. Dem Kläger war nach dem Erkennen des VWs eine unfallverhindernde Reaktion nicht mehr möglich.

Neben verschiedentlichen Verletzungen erlitt der Kläger in der oberen Hälfte des rechten Armes an der Vorderseite eine rund 18 cm lange, bis zur vorderen Axillarfalte reichende Narbe, die ab der unteren Hälfte zahlreiche strickleiterförmige Stichmarken erkennen läßt. Die Narbe ist ästhetisch sehr störend, wenn sie nicht durch Kleidungsstücke verdeckt ist. Eine Beseitigung oder Besserung ohne operativen Eingriff ist nicht möglich. Durch eine kosmetische Operation könnte das Aussehen der Narbe wesentlich verbessert werden. Die Kosten einer solchen Operation würden insgesamt S 48.732,-- betragen.

Rechtlich war das Berufungsgericht der Auffassung, daß - entgegen der oberstgerichtlichen Judikatur - die Betriebsgefahr des PKWs gesondert zu berücksichtigen und daher die Schadensteilung des Erstgerichtes von 1 : 2 zugunsten des Klägers im Ergebnis zu billigen sei. Die Kosten der kosmetischen Operation seien zu Recht mit jenem Betrag zugesprochen worden, der für die Operation tatsächlich aufzuwenden sein werde.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der beklagten Parteien aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das den Betrag von S 90.608,88 sA übersteigende Leistungsbegehren sowie das 1/3 Mithaftung übersteigende Feststellungsbegehren abzuweisen.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat in ZVR 1991/87 ausgesprochen, daß neben dem Verschulden die Betriebsgefahr nicht zusätzlich zu berücksichtigen ist. Es wurde also zum Ausdruck gebracht, daß eine - von Koziol in Haftpflichtrecht2 I 246 und auch vom Berufungsgericht abgelehnte - Addition nicht zu erfolgen hat. Der Oberste Gerichtshof sprach aber (wie das Berufungsgericht offenbar meint) in dieser Entscheidung nicht aus, daß sich eine Haftungsquote, die nach dem EKHG anzunehmen wäre, vermindern kann, wenn den Kraftfahrzeuglenker auch ein (geringfügiges) Verschulden trifft. Die Betriebsgefahr ist lediglich nicht zusätzlich zu berücksichtigen. Sie wird im Regelfall neben dem Verschulden des Lenkers allerdings zu vernachlässigen sein (Apathy, EKHG, Rz 1 zu § 7). So auch im vorliegenden Fall, in welchem die Betriebsgefahr des PKW, der mit einer Geschwindigkeit von 45 - 50 km/h gelenkt wurde, über das normale Maß nicht hinausging.

Wird aber allein das Verschulden beider Verkehrsteilnehmer einander gegenübergestellt, so wird dem Unrechtsgehalt des beiderseitigen Fehlverhaltens eine Verschuldensteilung von 1 : 1 gerecht. Eine mildere Beurteilung des groben Verkehrsverstoßes des Klägers war nicht angebracht, weil er im Alter von 15 Jahren in jeder Hinsicht über die Gefahren des Straßenverkehrs aufgeklärt sein mußte und gegenteilige Annahmen im erhobenen Sachverhalt nicht gedeckt wären.

Es ist ständige Rechtsprechung, daß die Kosten einer kosmetischen Operation schon vor ihrer Aufwendung zu ersetzen sind (ZVR 1978/179; ÖRZ 1985/14 uza). Das Berufungsgericht hat diesbezüglich richtig darauf abgestellt, wie hoch diese tatsächlich sein würden; denn der Geschädigte hat einen Anspruch auf volle Wiederherstellung seiner Gesundheit. Die Beseitigung der durch die Körperverletzung entstandenen Nachteile erfordert einen in Geld meßbaren Aufwand. Dessen objektiv-abstrakte Berechnung läßt sich mit einem Größenschluß rechtfertigen: Steht dem Geschädigten für die Verletzung absoluter Vermögensgüter ein Anspruch auf Ersatz eines objektiv-abstrakt berechneten Schadens zu, muß dies umso mehr für die Verletzung eines höher zu bewertenden Persönlichkeitsrechtes gelten (ÖRZ 1985/14). Dies hat zur Folge, daß der Schädiger dem Geschädigten alle Auslagen inklusive Umsatzsteuer zu ersetzen hat, die die Vorinstanzen dem Gutachten des Sachverständigen folgend (vgl AS 81, 129) für eine zweckmäßige, im Krankenhaus durchzuführende kosmetische Operation als erforderlich erhoben haben. Es hat daher bei dem rechnerisch mit S 48.732,-- festgestellten Betrag für die kosmetische Operation zu verbleiben.

Die übrigen vom Berufungsgericht zusammengefaßt dargestellten Schadensposten (S 15/16), auf die im Revisionsverfahren nicht einzugehen war, blieben der Höhe nach unbekämpft und betrugen einschließlich der Kosten der kosmetischen Operation S 279.958,66. Dem Kläger gebühren jedoch nicht 2/3 davon, sondern in teilweiser Stattgebung der Revision der beklagten Parteien nur die Hälfte, ds S 139.979,33 sA. Auch das Feststellungsbegehren erweist sich demnach nur zur Hälfte als berechtigt. Es war somit wie im Spruch zu erkennen.

Die Abänderung der vorinstanzlichen Urteile hat die Neuberechnung der Kosten aller drei Instanzen zur Folge. Ihre Bestimmung beruht auf den §§ 43 Abs 1, 50 ZPO.

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