OGH 7Ob25/92

OGH7Ob25/9220.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Schalich, Dr.Ebner und Dr.I. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr.Friedrich Flendrovsky und Dr.Thomas Pittner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Edith K*****, vertreten durch Dr.Hans Kreinhöfner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 374.251,-- s.A., infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11.September 1992, GZ 13 R 104/92-75, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 25.Februar 1992, GZ 20 Cg 713/90-69, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beide Rekurse werden zurückgewiesen.

Die Revisionsrekurskosten bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei begehrt als Kaskoversicherer eines PKW gemäß § 67 VersVG von der Beklagten als der Lenkerin des Fahrzeuges, mit dem die Beklagte am 8.4.1982 an einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen sei, Ersatz des von ihr regulierten Schadens.

Das Verfahren vor dem Erstgericht wurde in der Tagsatzung vom 12.7.1984 bis zur rechtskräftigen Beendigung eines in Italien gegen die Beklagte anhängigen Strafverfahrens unterbrochen; die Fortsetzung sollte nur über Parteienantrag stattfinden.

Mit einem am 12.8.1987 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz beantragte die klagende Partei die Fortsetzung des Verfahrens. Sie sei davon in Kenntnis gesetzt worden, daß das Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden sei.

Die Beklagte wendete in der Tagsatzung vom 28.10.1987 ein, die klagende Partei habe das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt. Der Unterbrechungsbeschluß sei materiell ein "Nichtbeschluß", weil ein italienisches Urteil für Österreich keine Bindungswirkung habe.

Das Erstgericht gab der Klage im ersten Rechtsgang im wesentlichen statt (die Abweisung eines Mehrbegehrens blieb unangefochten). Verjährung sei nicht gegeben. Es liege ein Ausgleichsanspruch vor, der der 30-jährigen Verjährung unterliege.

Die zweite Instanz hob diese Entscheidung auf. Geltend gemacht werde kein Ausgleichs-, sondern ein der dreijährigen Verjährungsfrist unterliegender Schadenersatzanspruch. Es werde zu prüfen sein, weshalb die klagende Partei den Fortsetzungsantrag erst acht Monate nach Beendigung des Strafverfahrens gestellt habe.

Im fortgesetzten Verfahren brachte die Beklagte vor (Schriftsatz vom 30.1.1992), sie sei im Unfallszeitpunkt Lebensgefährtin des Versicherungsnehmers gewesen.

In der Tagsatzung vom 4.2.1992 - in der die Verhandlung geschlossen wurde - sprach sich die klagende Partei gegen die Zulassung von Beweisen über diesen Umstand aus. Im vorliegenden Verfahren seien nur die offenen Fragen entsprechend dem Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz (Verjährung) zu klären.

Das Erstgericht wies nunmehr das Klagebegehren ab. Die klagende Partei habe am 28.11.1986 von der Verurteilung der Beklagten - in erster Instanz - erfahren. Aus einem Schreiben der Beklagten an die klagende Partei am 10.2.1987 ergebe sich, daß die Beklagte dem ihr von der klagenden Partei beigegebenen italienischen Rechtsanwalt die Vollmacht, sie weiterhin zu vertreten, entzogen habe, weil er "anscheinend" die Interessen der klagenden Partei und nicht ihre eigenen Interessen vertrete; sie habe ihn deshalb ersucht, die von ihm eingelegte Berufung rückgängig zu machen und habe einen anderen Rechtsanwalt in Italien mit ihrer Vertretung betraut. Mit Schreiben ihrer Generaldirektion in Zürich vom 8.5.1987 sei der klagenden Partei das Urteil des Strafgerichtes von Treviso vom 19.11.1986 übermittelt und mitgeteilt worden, daß der Fall erledigt sei. Sei der klagenden Partei aber seit 28.11.1986 die strafgerichtliche Verurteilung der Beklagten bekannt gewesen, habe sie das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt.

Die zweite Instanz hob auch diese Entscheidung auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig und das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen sei. Nach dem Schreiben der Beklagten vom 10.2.1987 habe einiges dafür gesprochen, daß sie ein Berufungsverfahren durch den von ihr betrauten Rechtsanwalt führen werde. Die klagende Partei habe deshalb erst mit dem Schreiben vom 8.5.1987 von der - rechtskräftigen - Beendigung des Verfahrens erfahren. Von einer beharrlichen Untätigkeit der klagenden Partei und einem mangelnden Interesse an der Verfahrensfortsetzung könne daher nicht gesprochen werden. Das Erstgericht werde sich deshalb mit dem Einwand der Beklagten auseinanderzusetzen haben, sie habe mit dem Versicherungsnehmer im Zeitpunkt des Unfalls in Lebensgemeinschaft gelebt (§ 67 Abs. 1 VersVG).

Rechtliche Beurteilung

Die von beiden Parteien gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurse sind mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs.1 ZPO unzulässig.

Warten die Parteien den Ausgang eines Vorprozesses ab, so gilt die Klage als gehörig fortgesetzt, wenn unmittelbar nach dessen rechtskräftiger Beendigung ein Fortsetzungsantrag gestellt wird (MGA ABGB33 § 1497/107). Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles ist die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Klägerin erst mit Zugang des Schreibens ihrer Zentrale vom 8.5.1987 die erforderliche Klarheit über den Ausgang des in Italien gegen die Beklagte geführten Strafverfahrens erhielt, vertretbar. Der Umstand, ob die Stellung eines Fortsetzungsantrages drei Monate nach Kenntnis von der rechtskräftigen Beendigung eines ausländischen Strafverfahrens, dessentwegen das Verfahren unterbrochen wurde, noch einer gehörigen Verfahrensfortsetzung entspricht oder bereits als beharrliche Untätigkeit gewertet werden muß, bildet entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs.1 ZPO. Ob ein längeres Zuwarten mit der Verfolgung des Anspruches hingenommen werden kann oder ob ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (zuletzt 7 Ob 554/92 mwN). Die vom Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluß vertretene Rechtsauffassung hält sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung.

Zutreffend ist auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß mit seinem, (ersten) Aufhebungsbeschluß vom 9.2.1990 (ON 40) über die Frage, ob der Regreß gegen die Beklagte unzulässig sei, weil sie angeblich in Lebensgemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer lebte, noch nicht abgesprochen wurde. Das Berufungsgericht sprach damals ausdrücklich aus, daß die Aufhebung nach § 496 Abs.1 Z 3 ZPO erfolge. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber die Bestimmung des § 496 Abs.2 ZPO bei einer Aufhebung nach der zuvor zitierten Gesetzesstelle nicht anzuwenden (vgl. SZ 43/151) und steht daher das Neuerungsverbot im fortgesetzten Verfahren über solche noch nicht abschließend beurteilte Fragen nicht entgegen (vgl. SZ 55/164 mwN).

Die Frage, ob das erst in der letzten Verhandlung von der Beklagten vorgetragene Vorbringen des Regreßausschlusses zufolge Lebensgemeinschaft im Unfallszeitpunkt in Verzögerungs- oder Verschleppungsabsicht erhoben worden ist, hatte das Berufungsgericht von Amts wegen zu beurteilen. Das Berufungsgericht hat aber eine Verschleppungs- und Verzögerungsabsicht der beklagten Partei implicit verneint. Die Beurteilung einer solchen Frage hängt stets von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Der Frage, ob das Vorbringen der Beklagten über das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft in Verschleppungs- oder Verzögerungsabsicht erhoben worden ist, kommt daher keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte