OGH 1Ob40/92

OGH1Ob40/9213.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Johann S*****, und 2. Anna S*****, vertreten durch Dr. Alois Nußbaumer und Dr. Stefan Hoffmann, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei Wasserverband „R*****“ mit dem Sitz beim Stadtamt S*****, vertreten durch Dr. Andreas Karbiener, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wegen Entfernung einer Kanalanlage infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 1. Juni 1992, GZ R 1099/91-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Schwanenstadt vom 6. August 1991, GZ 2 C 823/90-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, zurückgewiesen; im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 3.590,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 598,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei errichtete und betreibt seither in der Gemeinde Rüstorf eine Abwasserentsorgungsanlage. Die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb dieser Anlage wurde vom Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheiden vom 14.5.1979 und 27.3.1987 erteilt. Nach dem damit bewilligten Projekt sollte die Trasse des zu der Anlage gehörigen Sammlers H über ein Grundstück der Kläger entlang dessen Ostgrenze führen. Während der Bauführung beschloß die beklagte Partei, in Abänderung des Projekts auch die Volksschule und das Gebäude einer Wohnungsgenossenschaft - beide auf westlich an das Grundstück der Kläger angrenzenden Grundflächen gelegen - an den Sammler H anzuschließen. Nach dem geänderten Projekt sollte der Sammler zunächst auf diesem Grundstück entlang dessen Ostgrenze verlaufen und zwischen den Schächten H 23 und H 24 auf das Grundstück der Kläger wechseln und bis kurz vor dem Schacht H 26 auf diesem entlang dessen Westgrenze verlaufen; dabei sollte dieser Schacht schon auf einem weiteren Nachbargrundstück angelegt werden.

Die Kläger erklärten beim Gemeindeamt Rüstorf am 14.8.1987 ihre grundsätzliche Zustimmung zur Inanspruchnahme ihres Grundstückes durch das geänderte Projekt, fügten jedoch folgenden Zusatz an:

„In Abänderung zu den vorgelegten Planunterlagen soll der Kanalstrang zwischen den Schächten H 24 und H 25 möglichst nahe an die Grundgrenze (maximal 2 m entfernt) verlegt werden. Die Schächte H 24 und H 25 sollen als Unterflurschächte ausgeführt werden. Der Schacht H 27 soll am Böschungsfuß zu liegen kommen. Ansonsten wird der vorgelegten Kanalführung zugestimmt.“

Am 18.2.1988 wurde an Ort und Stelle die Verhandlung über den Antrag der beklagten Partei auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung des geänderten Projekts abgeführt, an der sich der Sohn der Kläger, der Pächter ihres Grundstücks ist, als deren Vertreter beteiligte. Mit Bescheid vom 1.3.1988 erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich der beklagten Partei die wasserrechtliche Bewilligung für das geänderte Projekt. Die in der Folge ausgeführte Kanaltrasse wich allerdings im Bereich des Grundstücks der Kläger vom projektierten Verlauf ab.

Die Bauarbeiten auf dem Grundstück der Kläger wurden im Spätherbst 1989 abgeschlossen.

Die Kläger begehrten die Verurteilung der beklagten Partei zur Entfernung des auf ihrem Grundstück zwischen den Schächten H 23 bis H 26 gelegenen Sammlers H samt den Kanaldeckeln zu den auf diesem Grundstück angelegten Schächten H 24, H 25 und H 26. Sie brachten vor, bei der wasserrechtlichen Verhandlung vom 18.2.1988 sei vereinbart worden, daß der Sammler H zwischen den Schächten H 23 und H 26 nicht über ihr Grundstück, sondern über das der erwähnten Wohnungsgenossenschaft verlegt werde, die dieser Trassenführung im übrigen zugestimmt habe. Diese Kanaltrasse sei in dem dort aufgenommenen Befund beschrieben und wasserrechtlich bewilligt worden. Gleiches gelte auch für die Schachtdeckel. Konsenswidrig sei der Sammler H jedoch im Grundstück der Kläger in einer Entfernung von 4,8 m zu dessen Grenze verlegt worden. Diese Trassenführung sei behördlich nicht bewilligt und stelle einen rechtswidrigen Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger dar.

Die beklagte Partei wendete ein, der Kanal sei bescheidgemäß ausgeführt worden. Die Kläger hätten dem Trassenverlauf zugestimmt. Ihrer Forderung, den Kanalstrang samt den Schächten H 24 und H 25 möglichst an der Grundgrenze zu verlegen, sei entsprochen worden, allerdings habe der Kanal wegen einer Stützmauer und eines Abspannmastes auf dem Nachbargrundstück nicht zur Gänze auf diesem Grundstück verlegt werden können. Die Entfernung der Stützmauer sei den Klägern nicht zugesagt worden. Gemäß § 111 Abs 4 WRG sei eine die Inanspruchnahme fremden Grundes rechtfertigende Dienstbarkeit auch dann als eingeräumt anzusehen, wenn das tatsächlich ausgeführte Vorhaben vom geplanten Projekt nur geringfügig abweiche. Die Zustimmung der Anrainerin der Kläger zur Inanspruchnahme ihrer Grundstücks habe nicht auch die Einwilligung in sich geschlossen, den Kanal auch über diesen Grund zu führen. Den Klägern bzw deren Vertreter sei der Trassenverlauf bekannt gewesen, sie hätte ihre Einwendungen jedoch erst nach Abschluß der Bauarbeiten erhoben. Darin sei Schikane zu erblicken.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, es sei allen Beteiligten klar gewesen, daß die geplante Änderung die Inanspruchnahme des Grundstücks der Kläger zwischen den Schächten H 24 und H 26 erfordern würde. Die Erklärungen, mit welchen die betroffenen Grundeigentümer der Kanalführung über ihr Grundstück zustimmten, sei von einem Mitarbeiter des mit der Projekterstellung befaßten Zivilingenieurs vorformuliert worden; der der Erklärung der Kläger vom 14.8.1987 von diesen oder dritter Seite angefügte Punkt 4. hätte die Zustimmung des Projektanten nicht gefunden, weil es - seiner Meinung nach - wegen der Stützmauer und des A-Mastens auf dem Nachbargrundstück notwendig sein würde, zwischen den Schächten H 23 und H 25 die Trasse über das Grundstück der Kläger zu führen. Bei der wasserrechtlichen Verhandlung vom 18.2.1988 habe der Sohn der Kläger als deren Vertreter folgende Stellungnahme zu Protokoll gegeben:

„Grundsätzlich wird hinsichtlich der Grundinanspruchnahme durch das gegenständliche Vorhaben auf die schriftliche Vereinbarung vom 14.8.1987 verwiesen. Beim heutigen Lokalaugenschein wurde weiters vereinbart, daß der Kanalstrang zwischen den Schächten H 23 und H 26 entgegen der im Lageplan dargestellten möglichst im Bereich der Grundgrenze zwischen den Grundstücken ..... unter möglichst geringer Beanspruchung des Grundstückes ..... (der Kläger) ..... zu verlegen ist. Die Schächte H 24 und H 25 sollen möglichst auf Grundstück ..... (des Anrainers) ..... zu liegen kommen. Sollten die Schachtdeckel noch auf Grundstück .... (der Kläger) .... zu liegen kommen, sind sie als Unterflurschächte auszubilden. Diese Abweichung vom Projekt ist laut Aussage des wasserbautechnischen Amtssachverständigen möglich.“

Diese Stellungnahme, die der technische Amtssachverständige auch in seinen Befund eingebunden habe, sei allseits als Wunsch des Vertreters der Kläger nach möglichst geringer Grundinanspruchnahme aufgefaßt worden. Entgegen dem Wortlaut der Protokollierung sei aber eine „Vereinbarung“ im wörtlichen Sinn der Stellungnahme weder unter den Grundeigentümern noch zwischen diesen und der beklagten Partei getroffen worden; insbesondere sei der Ausführungsvariante, die Schächte H 24 und H 25 an die Grundgrenze zu verlegen, was zur Folge gehabt hätte, daß die Stützmauer hätte entfernt werden müssen, nicht zugestimmt worden. Die Wendung in der Niederschrift im Zusammenhang mit der „Vereinbarung“ habe vielmehr zum Ausdruck bringen sollen, daß die beschriebene Variante mit den Eigentümern besprochen worden sei und diese damit einverstanden gewesen seien. Einvernehmen habe darüber geherrscht, daß das Grundstück der Kläger nur auf möglichst kurzer Strecke und möglichst nahe der Grundgrenze in Anspruch genommen werden sollte. Deshalb habe der Amtssachverständige in seinem Gutachten unter anderem ausgeführt, den Forderungen des Sohnes der Kläger sei, „soweit technische Belange betroffen werden, zu entsprechen“. Dieser Passus sei auch als 29.Auflage in den Spruch des Bescheides vom 1.3.1988 aufgenommen worden.

Mit den Arbeiten im Bereich der beiden betroffenen Grundstücke sei im Herbst 1988 begonnen worden. Zumindest ein bis zwei Wochen vor den Grabungsarbeiten sei die Kanaltrasse ausgepflockt worden. Der Sohn der Kläger sei alle zwei bis drei Tage auf der Baustelle erschienen und hätte die ausgesteckte Trasse sehen können. Auch während der Grabungsarbeiten auf dem Grundstück der Kläger sei er öfters anwesend und, soweit es um Angelegenheiten des Grundstücks gegangen sei, Ansprechpartner der Bauausführenden gewesen, habe aber weder die Trassierung noch die Bauausführung bemängelt. Erst zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt nach Abschluß der Arbeiten habe der Sohn der Kläger den Projektanten darauf angesprochen, daß der Kanal zwischen den Schächten H 23 und H 26 zu weit auf seinem Grund liege. Die Kläger hätten die Bauarbeiten nicht selbst verfolgt und auch die sie berührenden Bescheide nicht gelesen. Der Erstkläger habe den strittigen Bereich erst nach Beendigung der Arbeit besichtigt. Wann er von seinem Sohn informiert wurde, daß mit der Bauausführung etwas nicht stimme, sei nicht feststellbar; erstmals mit Schreiben vom 11.1.1990 hätten die Kläger die Trassenverlegung der beklagten Partei gegenüber beanstandet.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht von einer gemäß § 111 Abs 4 WRG freiwillig eingeräumten Dienstbarkeit der Wasserleitung über das Grundstück der Kläger aus, die dessen Inanspruchnahme durch die tatsächlich ausgeführte Kanaltrasse rechtfertige. Die wasserrechtliche Bewilligung sei zwar mit der Auflage erteilt worden, daß den Forderungen des Sohns der Kläger, soweit technische Belange betroffen seien, zu entsprechen sei, dies sei jedoch geschehen, weil die ausgeführte Kanalisation die wirtschaftlich und technisch günstigste Variante sei und, soweit technisch möglich, auch den Wünschen der Kläger entspreche. Die Bescheidauflage sei daher erfüllt: Ebenso wie der gemäß § 63 lit b WRG Zwangsverpflichtete habe auch der gemäß § 111 Abs 4 WRG Verpflichtete keinen Einfluß auf eine bestimmte Trassenführung. Die Belastung des Grundstücks der Kläger sei aber auch wegen eines konkludent zustandegekommenen Dienstbarkeitsvertrages zulässig; die Zustimmung der Kläger zu dessen Abschluß sei daraus abzuleiten, daß ihr Sohn, der als Verwalter der Liegenschaft aufgetreten sei, die Kanalbauarbeiten in der tatsächlichen Ausführung unwidersprochen hingenommen habe.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

Die von der beklagten Partei bei der mündlichen Berufungsverhandlung erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges hielt es, ohne dies im Spruch zum Ausdruck zu bringen, im wesentlichen deshalb nicht als berechtigt, weil die Kläger ihr Begehren auf Eingriffe in ihr Eigentum stützten; selbst wenn - was im übrigen nicht zutreffe - die Einwendungen der beklagten Partei öffentlich-rechtlicher Natur sein sollten, könne dies an der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nichts ändern.

Im übrigen traf es in Wiederholung und Ergänzung der erstinstanzlichen Beweise nachstehende weitere Feststellungen:

Es wäre technisch möglich und wirtschaftlich tragbar gewesen, den Sammler H zwischen den Schächten H 23 und H 25 auf dem Grundstück der Kläger in einem Abstand von 2 m von der Grenze zu verlegen. In diesem Fall hätte der Abstand zur Stützmauer 2,75 m und zum A-Mast 3,6 m betragen. Um deren Standsicherheit zu gewährleisten, hätte der Kanalgraben auf der Seite der Grundgrenze nicht abgeböscht werden dürfen, sondern hätte senkrecht ausgehoben und durch einen Verbau mit Spundbohlen gesichert werden müssen. Man hätte auch beidseitig senkrecht ausheben und die Künette mit großflächigen stählernen Verbauplatten sichern können. Die Kosten hiefür hätten zum Zeitpunkt der Bauausführung S 60.000 und damit knapp 2 % der Gesamtbaukosten betragen. Es hätte zwar auch bei sachgerechter Durchführung dieser Arbeiten im Bereich der Stützmauer zu geringfügigen Setzungen kommen können, doch hätten sich diese auf die Tragsicherheit und Lebensdauer der Einfriedigung nicht ausgewirkt. Es wäre technisch auch möglich gewesen, den Kanal an die Grundgrenze zu verlegen. In diesem Fall hätte man aber nicht mehr garantieren können, daß die Stützmauer nicht beschädigt werde; es wäre dann vermutlich erforderlich gewesen, die Mauer abzutragen und nach Errichtung des Kanals neu aufzuführen. Im Schreiben des Klagevertreters an die beklagte Partei vom 11.1.1990 sei auf deren Schreiben vom 8.1.1990 Bezug genommen worden, in dem diese für die Einräumung einer Servitut über das Grundstück der Kläger eine Entschädigung von S 57,34 je Laufmeter angeboten haben soll. Es sei daher bereits vor diesem Schreiben zu einer Korrespondenz zwischen den Streitteilen über Entschädigungsansprüche der Kläger wegen der Trassenführung über ihr Grundstück gekommen.

In Erledigung der Rechtsrüge der Kläger führte das Gericht zweiter Instanz aus, nach herrschender Auffassung dürfe dem Schweigen für sich grundsätzlich kein Erklärungswert beigemessen werden. Grundsätzlich erfordere es auch die Verkehrssicherheit, daß Vereinbartes gelten müsse und einseitige Abweichungen eines Beteiligten unzulässig seien. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen könne infolge Stillschweigens trotz eines vom Vereinbarten abweichenden Verhaltens eine Vertragsmodifikation eintreten. Nun hätten die Kläger mit ihrer Erklärung vom 14.8.1987 einer Inanspruchnahme ihres Grundstücks nur soweit zugestimmt, als die Kanaltrasse nicht mehr als 2 m von der Grundgrenze entfernt verlaufe. Deren objektiver Aussagewert sei unzweifelhaft, sodaß Vertragsauslegung oder Vertragsergänzung nicht in Betracht kämen. Ob die Zusatzerklärung vom 14.8.1987 von den Klägern selbst formuliert bzw wann der Zusatz dem vorgedruckten Text beigefügt wurde, sei ohne Bedeutung, weil die Kläger ihre Erklärung jedenfalls nur mit dem einschränkenden Zusatz unterfertigt hätten; in dieser Form sei die schriftliche Erklärung der Kläger auch bei der wasserrechtlichen Verhandlung vom 18.2.1988 vorgelegen. Daß der Vertreter der Kläger dort eine über die Erklärung vom 14.8.1987 hinausgehende Inanspruchnahme des Grundstücks zugestanden hätte, habe das Erstgericht nicht festgestellt. Auch die Feststellung des Erstgerichts, dem Verhandlungsprotokoll zufolge sei die dort beschriebene Variante mit den Grundeigentümern besprochen worden und seien diese damit einverstanden gewesen, rechtfertige einen solchen Schluß nicht, weil weder im Verhandlungsprotokoll noch im Bescheid vom 1.3.1988 ein konkreter Trassenverlauf festgehalten, sondern wiederum nur davon die Rede sei, daß der Sammler H und die Schächte H 24 und H 25 direkt entlang der Grundstücksgrenze möglichst nahe dem Nachbargrundstück verlegt werden sollten. Damit habe aber die tatsächliche Trassenführung den Beschränkungen, die sich die Kläger für die Inanspruchnahme ihres Grundstücks ausbedungen hätten, nicht entsprochen, sondern sei die beklagte Partei von der getroffenen Vereinbarung, mit der die Kläger eine Verlegung der Kanaltrasse auf ihrem Grundstück in einer Entfernung von höchstens 2 m von der Grundgrenze gestattet hätten, einseitig abgegangen. Dieses vertragswidrige Verhalten habe zu keiner Vertragsänderung führen können. Daß die Kläger - selbst wenn man ihnen die Wahrnehmungen ihres Sohnes zurechnete - die tatsächliche Trassenführung nicht bemängelt hätten, könne ihr Stillschweigen angesichts ihres im wasserrechtlichen Verfahren bezogenen Rechtsstandpunkts nicht als Zustimmung gedeutet werden. Auch im Bescheid vom 1.3.1988 sei eine bestimmte Trassenführung nicht beschrieben worden. Weshalb die Kläger nicht schon während der Bauarbeiten gegen die Trassenführung Einspruch, sondern erst nach mehreren Monaten Forderungen erhoben hätten, sei ohne Bedeutung. Überdies gehe aus dem Schreiben der Klagevertreter vom 11.1.1990 hervor, daß es schon vorher eine Korrespondenz über die Trassenführung bzw über Entschädigungsansprüche der Kläger gegeben haben müsse. Mangels rechtlicher Relevanz des Verhaltens der Kläger und ihres Sohnes bei und nach der Bauausführung komme es auch nicht darauf an, ob den Klägern das Verhalten ihres Sohnes zuzurechnen sei. Das Grundeigentum gehöre nach § 12 Abs 2 WRG zu jenen Rechten, deren Verletzung grundsätzlich einer wasserrechtlichen Bewilligung entgegenstehe, es sei denn, daß eine gütliche Übereinkunft zwischen Konsenswerber und Grundeigentümer erzielt werden könne oder das der Bewilligung entgegenstehende Recht durch Einräumung eines Zwangsrechtes beseitigt oder beschränkt werde. Eine gütliche Übereinkunft im Sinne des § 60 Abs 2 WRG komme nicht zustande, wenn die von einem Grundeigentümer für die Benützung seines Grundes aufgestellten Bedingungen nicht vollständig zugestanden würden. Eine Vereinbarung über die Inanspruchnahme des Grundstücks der Kläger unter Einschränkungen rechtfertige eine andere als die von den Klägern zugestandene Trassenführung ohne gleichzeitige Begründung eines Zwangsrechts nicht. Der Hinweis des Erstgerichts auf die Rechtsstellung des mit einer Zwangsdienstbarkeit im Sinne des § 63 WRG Belasteten sei verfehlt, weil im Vordergrund vertraglicher Vereinbarung der im konkreten Fall unmißverständlich geäußerte Parteiwille stehe. Ein Zwangsrecht zugunsten der beklagten Partei sei nicht begründet worden. Ein Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger könne daher nur soweit gerechtfertigt sein, als die Kläger einen solchen zugestanden hätten. Diese hätten bei Inanspruchnahme ihres Grundstücks jedoch nur unter der Bedingung zugestimmt, daß sich die Kanaltrasse von der Grundgrenze nicht mehr als 2 m entferne. Eine solche Trassenführung wäre sowohl technisch möglich als auch wirtschaftlich vertretbar gewesen. Den Forderungen der Kläger sei somit nicht entsprochen worden. Die tatsächliche Trassenführung verstoße daher auch gegen den Bescheid vom 1.3.1988. Die Begründung einer Dienstbarkeit gemäß § 111 Abs 4 WRG nach dem tatsächlichen Verlauf des Kanals sei wegen der vereinbarten abweichenden Trassenführung ausgeschlossen. Da die beklagte Partei somit weder ein unmittelbar auf dem Gesetz beruhendes noch ein vereinbartes Recht zur Benützung des Grundstücks der Kläger in der Form, wie dies tatsächlich geschehen sei,, in Anspruch nehmen könne, fehle ihrem Eingriff in das Eigentumsrecht der Kläger der erforderliche Rechtstitel, sodaß der Entfernungsklage stattzugeben sei.

Die von der beklagten Partei dagegen erhobene Revision ist, soweit darin Nichtigkeit geltend gemacht wurde, unzulässig und im übrigen nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei führt, so wie schon im Berufungsverfahren, ins Treffen, das Klagebegehren hätte mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurückgewiesen werden müssen, das Berufungsurteil leide daher an der Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 6 ZPO. Die Revisionswerberin übersieht dabei jedoch, daß das Gericht zweiter Instanz die Zulässigkeit des Rechtswegs ausdrücklich bejaht und damit - wenn auch nicht im Spruch seiner Entscheidung - die behauptete Nichtigkeit verneint hat. Da eine solche berufungsgerichtliche Entscheidung gemäß § 519 ZPO unanfechtbar ist (JBl 1962, 560 uva; Novak in JBl 1953, 60), kann die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs gemäß § 42 Abs 3 JN nicht mehr aufgegriffen werden. Der Mangel eines im Privatrecht wurzelnden Anspruchs könnte deshalb nur zur Klagsabweisung führen.

In der Sache macht die beklagte Partei vor allem geltend, der Sohn der Kläger habe deren Erklärung vom 14.8.1987 in deren Vertretung - besonders bei der wasserrechtlichen Verhandlung vom 18.2.1988 - „relativiert“; es sei bei dieser Gelegenheit zu einer Vereinbarung zwischen den Streitteilen gekommen, nach der das Grundstück der Kläger nur möglichst wenig in Anspruch genommen werden solle. Der vom Berufungsgericht beigezogene Sachverständige habe auch bestätigt, eine der Erklärung der Kläger vom 14.8.1987 entsprechende Bauausführung wäre nicht nur riskant gewesen, sondern hätte auch eine Verteuerung des Bauvorhabens zur Folge gehabt.

Der Sohn der Kläger hat dementgegen die Erklärung vom 14.8.1987 keineswegs - insbesondere auch nicht bei der wasserrechtlichen Verhandlung vom 18.2.1988 - „relativiert“, also abgeändert oder sonstwie modifiziert, sondern vielmehr - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte - in seiner dort zu Protokoll genommenen Stellungnahme aufrechterhalten. Auf seine Erklärung kann sich die beklagte Partei zur Rechtfertigung ihrer über das gestattete Ausmaß hinausgehenden Inanspruchnahme des Grundstücks der Kläger somit jedenfalls nicht berufen.

Auch das im Berufungsverfahren eingeholte bautechnische Gutachten stützt den Standpunkt der beklagten Partei nicht: Abgesehen davon, daß das Gericht zweiter Instanz in Übereinstimmung mit diesem Gutachten feststellte, daß eine der Erklärung vom 14.8.1987 entsprechende Bauausführung sowohl technisch möglich wie auch wirtschaftlich tragbar gewesen wäre, könnte auch der mit der erklärungskonformen Ausführung des Bauvorhabens verbundene erhöhte Aufwand der beklagten Partei die übermäßige Grundinanspruchnahme nicht rechtfertigen, hat sie es doch - aus welchen Gründen auch immer - unterlassen, mangels gütlicher Übereinkunft mit den Klägern die Einräumung entsprechender Zwangsrechte (iS des § 60 Abs 1 lit c iVm § 63 lit a WRG) zu erwirken.

Die von der beklagten Partei abweichend von den Ergebnissen des wasserrechtlichen Verfahrens gewählte Trassenführung war daher auch konsenwidrig, zumal die Wasserrechtsbehörde der beklagten Partei mit ihrem Bescheid vom 1.3.1988, mit dem sie dieser die wasserrechtliche Bewilligung erteilte, als eine von zahlreichen Auflagen vorschrieb, daß den Forderungen des Sohnes der Kläger - in Wahrheit also diesen selbst -, soweit technische Belange betroffen sind, zu entsprechen sei.

Soweit die beklagte Partei ins Treffen führt, das Berufungsgericht habe zu Unrecht Feststellungen über mögliche Wahrnehmungen des Sohnes der Kläger über den ausgepflockten und in der Folge auch demgemäß realisierten Trassenverlauf als nicht entscheidungsrelevant und daher entbehrlich erachtet, mag es zwar in Einzelfällen zutreffen, daß der Bauführer durch die Errichtung einer kostspieligen Anlage zur Ausübung einer Dienstbarkeit ein solches Recht stillschweigend erwirbt, sofern der Eigentümer des betroffenen Grundstücks dies - sehenden Auges - duldet (vgl die Fälle in JBl 1963, 377 und SZ 48/78), der Sohn der Kläger war aber - nach den vorinstanzlichen Feststellungen - nur zur Vertretung der Kläger im wasserrechtlichen Verfahren und nicht auch zur Bestellung einer über die eindeutige rechtsgeschäftliche Erklärung der Kläger vom 14.8.1987 hinausgehenden Servitut bevollmächtigt; auch wenn er von den Bauausführenden als Ansprechpartner in Anspruch genommen wurde, läßt dies noch keinen verläßlichen Schluß auf eine zur Dienstbarkeitsbestellung ausreichende schlüssig erteilte oder Anscheinsvollmacht zu, weil das Erstgericht kein als Bevollmächtigung in diesem Umfang deutbares Verhalten der Kläger festgestellt hat (SZ 57/209 uva). Überdies hat das Erstgericht zwar festgestellt, dem Sohn der Kläger wäre es möglich gewesen, die vereinbarungs- und konsenswidrige Auspflockung der Kanaltrasse wahrzunehmen, es hat aber unbekämpftermaßen nicht auch die Feststellung getroffen, daß er die vereinbarungswidrig ausgesteckte Trasse auch tatsächlich wahrgenommen hat; es kommt nun nicht darauf an, ob der Eigentümer von der erweiterten Inanspruchnahme hätte wissen müssen, sondern - da auch der konkludente Vertragsabschluß die darauf gerichtete Absicht beider Teile voraussetzt (SZ 50/141 ua) - allein darauf, ob er davon tatsächlich Kenntnis hatte (MietSlg 33.139, 30.192 ua). Zudem könnte der stillschweigenden Duldung rechtstitellosen Verhaltens die Bedeutung rechtsgeschäftlicher Einwilligung in Fällen, in welchen damit ein bereits zustande gekommener Vertrag - wie hier in den Grenzen der Erklärung vom 14.8.1987 - abgeändert werden soll, wohl nur in besonders gelagerten Ausnahmsfällen beigemessen werden (1 Ob 700/79); solche besonderen Umstände hat die beklagte Partei aber überhaupt nicht ins Treffen geführt.

Auch auf § 111 Abs 4 WRG kann die beklagte Partei ihre vereinbarungswidrige Trassenführung nicht stützten. Danach ist mit der Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung die erforderliche Dienstbarkeit iS des § 63 lit b WRG als eingeräumt anzusehen, wenn sich im Verfahren ergeben hat, daß die bewilligte Anlage fremden Grund in einem für den Betroffenen unerheblichen Ausmaß in Anspruch nimmt und weder vom Grundeigentümer dagegen Einwendungen erhoben noch von diesem oder vom Bewilligungswerber ein Antrag auf ausdrückliche Einräumung einer Dienstbarkeit nach § 63 lit b WRG gestellt noch eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung eines solchen Zwangrechts getroffen worden ist. Diese Bestimmung verfolgt den Zweck, in Fällen geringfügiger Beeinträchtigung Rechtssicherheit auch dann zu schaffen, wenn bei der Verhandlung über die Beeinträchtigung fremder Rechte hinweggegangen wurde (Rossmann, Wasserrecht, 251). Auf diese Weise will der Gesetzgeber verhindern, daß geringfügige Verletzungen des Grundeigentums (vgl § 12 Abs 2 WRG) zur Nichtigkeit des Bescheids oder zu einem im Rechtsweg zu erwirkenden Schadenersatz führen (Krzizek, KommzWRG, 453). Diese Bestimmung kann im vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht angewendet werden, weil die Kläger selbst und durch ihren Vertreter im wasserrechtlichen Verfahren darauf abzielende Einwendungen erhoben haben und die Wasserrechtsbehörde über die mit der Ausführung des Vorhabens der beklagten Partei verbundene Beeinträchtigung des Grundeigentums der Kläger auch gar nicht hinweggegangen ist, sondern der beklagten Partei im Gegenteil die Beachtung der Einwendungen der Kläger ausdrücklich vorgeschrieben hat. Nicht die Behörde hat im wasserrechtlichen Verfahren die Rechte des Klägers übergangen, sondern die beklagte Partei hat die Grenzen der ihr von den Klägern eingeräumten Rechte mißachtet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht daher dem Entfernungsbegehren der Kläger stattgegeben, weil die beklagte Partei für die konkrete Inanspruchnahme des betroffenen Grundstücks keinen Rechtstitel vorweisen kann, sodaß deren Revision ein Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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