OGH 5Ob9/93

OGH5Ob9/931.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Klinger, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Refik Ü*****, Arbeiter, ***** Wien, P*****gasse 29/14, vertreten durch Edeltraud Duschek, Sekretärin der Mietervereinigung Österreichs, 1090 Wien, Währingerstraße 41, diese vertreten durch Dr.Rainer Brachtel, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Susanne H*****, Pensionstin, ***** Wien, O*****straße 101/5, 2.) Herzl V*****, Pensionist, 1020 *****, O*****straße 101/5, und 3.) Judith H*****, Berufsangabe fehlt, ***** Wien, G*****gasse 16, alle vertreten durch Dr.Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anerkennung des Antragstellers als Hauptmieter (§ 37 Abs 1 Z 1 MRG iVm § 2 Abs 3 MRG) infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 13.März 1992, GZ 41 R 650/91-30, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 2.Juli 1991, GZ 45 Msch 38/90-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluß wird aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der Antragsteller hat im Jahr 1981 die im Haus ***** Wien, P*****gasse 29 gelegene Wohnung Nr. 14 gemietet. Das Haus gehört der Erstantragsgegnerin; Verhandlungspartner des Antragstellers bei Abschluß des Mietvertrages war allerdings der Zweitantragsgegner, der dem Antragsteller - ohne ein Vertretungsverhältnis offenzulegen - zu verstehen gab, es werde ein Untermietverhältnis begründet.

Nunmehr begehrt der Antragsteller die Anerkennung als Hauptmieter. In der Annahme, der Zweitantragsgegner sei formeller Hauptmieter der verfahrensgegenständlichen Wohnung gewesen, richtete er dieses Begehren gegen ihn und die Hauseigentümerin, brachte aber - in Erwiderung auf die Einwendungen der Antragsgegner - generell vor, jedweder Mietvertrag über die Wohnung sei eindeutig als Scheingeschäft und in Umgehungsabsicht geschlossen worden.

Die Antragsgegner traten diesem Begehren mit der Behauptung entgegen, die verfahrensgegenständliche Wohnung sei 1977 an Judith H*****, die (damals 13-jährige) Nichte der Erstantragsgegnerin in Hauptmiete vergeben worden.

Das Erstgericht wies den Sachantrag ab. Es nahm als erwiesen an, daß 1977 ein Hauptmietvertrag mit Judith H***** zustandegekomen ist, um dem Mädchen nach Erreichung der Volljährigkeit eine eigene Wohnung zur Verfügung stellen zu können. Bei Abschluß des verfahrensgegenständlichen Untermietvertrages habe der Zweitantragsgegner in Vertretung der Hauptmieterin gehandelt.

Rechtlich sei daraus zu folgern, daß kein Scheingeschäft iSd § 916 ABGB vorliege; der Umgehungstatbestand des § 2 Abs 3 MRG komme wiederum nicht in Frage, weil der Hauptmietvertrag mit dem Antragsteller vor dem 1.Jänner 1982 abgeschlossen wurde.

Das Rekursgericht führte ohne Beteiligung der Drittantragsgegnerin eine Beweiswiederholung durch und stellte fest:

Der Zweitantragsgegner stellte beim Abschluß des Mietvertrages mit dem Antragsteller nicht klar, daß er in fremdem Namen kraft Bevollmächtigung - etwa durch die Liegenschaftseigentümerin oder deren Nichte - handelt. Für den Antragsteller war er der "Chef", mit dem der Vertrag geschlossen wurde. Der Zweitantragsgegner wies auch nicht auf ein bereits bestehendes Hauptmietverhältnis bezüglich der Wohnung hin, gab dem Antragsteller aber zu verstehen, daß eine Hauptmiete "sehr teuer" sei. Die Erstantragsgegnerin als Eigentümer des Hauses, in dem sich die verfahrensgegenständliche Wohnung befindet, war mit dem vom Zweitantragsgegner mit dem Antragsteller ausgehandelten Mietvertrag einverstanden. Ihm hatte sie die "Betreuung" dieser und anderer Wohnungen im Haus schon lange davor überlassen. Etwa drei Jahre nach seinem Einzug in die Wohnung verlangte der Antragsteller vom Zweitantragsgegner, "Hauptmieter" zu werden.

Feststellungen über das angebliche Hauptmietverhältnis zwischen der Erstantragsgegnerin und Judith H***** hielt das Rekursgericht für entbehrlich, weil weder die Antragsgegner noch der Antragsteller die Behauptung aufgestellt hätten, Judith H***** habe die Wohnung untervermietet. Für ein Untermietverhältnis mit ihr fehle es daher an einem nachvollziehbaren Substrat in den Verfahrensbehauptungen.

In rechtlicher Hinsicht teilte das Rekursgericht die Auffassung der ersten Instanz, daß wegen des (Haupt-)Mietvertragsabschlusses vor dem 1. Jänner 1982 nur der Nachweis eines Scheingeschäftes iSd § 916 ABGB zur Anerkennung des Antragstellers als Hauptmieter in einem Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG führen könne. Werde, wie im vorliegenden Fall, ein die Annahme eines Hauptmietverhältnisses des - nicht im fremden Namen - die Wohnung Vermietenden, über die Verfügungsberechtigten ("Betreuer") tragendes Vorbringen von den Antragsgegnern nicht erstattet, so sei zwar nicht von seiner Hauptmieterstellung, aber immerhin davon auszugehen, daß der Zweitantragsgegner mit Wissen und Willen der Erstantragsgegnerin mit dem Antragsteller einen Mietvertrag abgeschlossen hat. Folgerichtig sei Judith H***** nicht Partei des gegenständlichen Verfahrens.

Das außerstreitige Verfahren zur Feststellung der Hauptmietereigenschaft eines Bestandnehmers stehe nur in jenen Fällen zur Verfügung, in denen dem Bestandnehmer nach der äußeren Vertragslage die Rechtsstellung eines Untermieters zukommt (vgl Würth in Korinek-Krejci, HB zum MRG, 502; Würth-Wingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 13 zu § 37 MRG). Diesen Tatbestand habe der Antragsteller geltend gemacht, indem er vorbrachte, seine Rechte vom Zweitantragsgegner abzuleiten. Ein dem Zweitantragsgegner die Nutzung der Wohnung zuweisendes Rechtsgeschäft mit der Erstantragsgegnerin sei allerdings von den Antragsgegnern nicht ins Treffen geführt worden und habe sich auch im Verfahren nicht ergeben. Wenn der Antragsteller die Wohnung dennoch vom Zweitantragsgegner mietete und dies die Billigung der Erstantragsgegnerin fand, sei er aber ebenso als Hauptmieter anzuerkennen, wie wenn die Erstantragsgegnerin und der Zweitantragsgegner einen zwischen ihnen geschlossenen Hauptmietvertrag nur zum Schein vorgetäuscht hätten.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß sich hinsichtlich des Handelns des Zweitantragsgegners im fremden Namen nur eine Tatfrage gestellt habe.

Im nunmehr vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurs machen die Antragsgegner die Nichtbeiziehung der Judith H***** als Nichtigkeitsgrund geltend; in rechtlicher Hinsicht sei dem Erstgericht zu folgen, daß der Zweitantragsgegner für Judith H*****, also für die, die das Geschäft anging, handelte. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den zweitinstanzlichen Sachbeschluß aufzuheben und den Sachantrag abzuweisen.

Dem Antragsteller wurde die Beantwortung des Revisionsrekurses freigestellt, doch hat er von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne einer vom Abänderungsbegehren mitumfaßten Aufhebung des angefochtenen Beschlusses auch berechtigt.

Nach den bisher vorliegenden Verfahrensergebnissen kann davon ausgegangen werden, daß der Zweitantragsgegner dem Antragsteller Mietrechte an der verfahrensgegenständlichen Wohnung vermittelte, obwohl er beim Abschluß des Mietvertrages im Jahr 1981 weder Hauseigentümer noch selbst Mieter war, also kraft eigenen Rechts nicht über die Wohnung verfügen konnte. Zieht man dazu noch in Betracht, daß der Zweitantragsgegner als Verfügungsberechtigter auftrat, ohne irgendeine Andeutung in Richtung eines bestehenden Vertretungsverhältnisses zu machen, andererseits aber beim Antragsteller den Eindruck erweckte, ihm nur Untermietrechte zu verschaffen, bieten sich folgende rechtliche Schlußfolgerungen an:

1.) Der Zweitantragsgegner handelte - trotz allem - erkennbar im Vollmachtsnamen der Hauseigentümerin, die ihn zum Abschluß von Mietverträgen bevollmächtigt hatte (§ 1029 ABGB) oder den verfahrensgegenständlichen Mietvertragsabschluß nachträglich genehmigte (§ 1016 ABGB);

2.) der Zweitantragsgegner schützte vor, selbst Hauptmieter der Wohnung zu sein und handelte dabei im Einvernehmen mit der Hauseigentümerin;

3.) der Zweitantragsgegner handelte erkennbar als Vertreter der formellen Hauptmieterin Judith H*****, der Drittantragsgegnerin.

Im erstgenannten Fall wäre, da die Nichtoffenlegung der Vollmacht nicht zwingend als indirekte Stellvertretung zu deuten ist (vgl Strasser in Rummel I2, Rz 50 zu § 1002 ABGB; JBl 1976, 40 u.a.), ein Mietvertrag mit der Erstantragsgegnerin zustandegekommen, der gemäß § 2 Abs 1 MRG nur ein Hauptmietvertrag sein könnte. Die Feststellung eines solchen Hauptmietverhältnisses würde zwar - auch im Falle einer Doppelvermietung - die Beiziehung der Drittantragsgegnerin erübrigen, wäre jedoch mit Rechtskraftwirkung nur im streitigen Verfahren möglich (WoBl 1991, 212/127; WoBl 1991, 238/145; ImmZ 1992, 149).

Im zweiten Fall hätten die Erstantragsgegnerin und der Zweitantragsgegner einen Hauptmietvertrag simuliert. Der Antragsteller könnte unter Berufung auf das Vorliegen eines Scheingeschäftes seine Feststellung als Hauptmieter erwirken (vgl. MietSlg 16.492) und hiefür das außerstreitige Verfahren gemäß § 37 Abs 1 Z 1 MRG in Anspruch nehmen (MietSlg 41.375). Der Beiziehung der Drittantragsgegnerin bedürfte es auch hier nicht.

Im dritten Fall wäre - unter Beiziehung der Drittantragsgegnerin (SZ 56/109 ua) - im außerstreitigen Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 1 MRG (WoBl 1988, 110 ua) noch zu klären, ob das vom Antragsteller behauptete Scheingeschäft iSd § 916 ABGB vorliegt. (Die von den Vorinstanzen mit dem Hinweis auf MietSlg 40.243 - siehe auch MietSlg 39.236; MietSlg 40.244 ua - verneinte Erfüllung des Umgehungstatbestandes des § 2 Abs 3 MRG greift der Antragsteller selbst nicht mehr auf.)

Das Rekursgericht hat die dritte Variante im wesentlichen mit der Begründung ausgeschlossen, daß die Antragsgegner selbst nicht vorgebracht hätten, der verfahrensgegenständliche Mietvertrag sei mit der Drittantragsgegnerin zustandegekommen. Das Verfahren hätte jedoch Anhaltspunkte ergeben, diese Frage zu erörtern. Immerhin haben die Antragsgegner von Anfang an darauf hingewiesen, daß Judith H***** seit 1977 oder 1978 Hauptmieterin der fraglichen Wohnung sei; das Erstgericht wiederum hatte die Verfahrensergebnisse so gedeutet, daß der Zweitantragsgegner beim Abschluß des Mietvertrages mit dem Antragsteller in Vertretung der Drittantragsgegnerin handelte. Diese Möglichkeit hätte das Rekursgericht nicht ausschließen dürfen, ohne die sich aufdrängende Frage nach der Rechtsstellung der Drittantragsgegnerin mit allen Beteiligten, also auch mit der Drittantragsgegnerin selbst, zu erörtern. Nur eine ausdrückliche Erklärung des Antragstellers, seine Anerkennung als Hauptmieter nicht auf den Fall einer formellen Hauptmieterstellung der Drittantragsgegnerin stützen zu wollen, würde den aufgezeigten Stoffsammlungsmangel und den davon nicht zu trennenden Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (SZ 56/109; 5 Ob 42/83; 5 Ob 71/83; 5 Ob 74/85 ua) ausschließen.

Die Lösung des Rekursgerichtes, den Antragsteller als Hauptmieter anzuerkennen, weil er eigentlich mit der Hauseigentümerin kontrahierte, zugleich aber ein Hauptmietverhältnis des Zweitantragsgegners vorgetäuscht wurde, vermengt die Varianten eins und zwei. Die unterschiedliche Rechtswegzulässigkeit hätte jedoch eine klare Entscheidung für eine dieser Varianten verlangt, falls nicht ohnehin die dritte, bisher zu Unrecht nicht behandelte Möglichkeit zum Tragen kommt. Der Entscheidung des Rekursgerichtes haften daher sowohl primäre (im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund aufzugreifende) als auch sekundäre Verfahrensmängel an. Es wird zunächst zu klären sein, ob der Antragsteller seine Mietrechte formell von der Drittantragstellerin herleitet und ob deren Hauptmietvertrag mit der Erstantragsgegnerin ein Scheingeschäft iSd § 916 ABGB ist; sollten sich daraus keine Grundlagen für eine Sachentscheidung gewinnen lassen, wird geklärt werden müssen, worauf sich die Vollmachtserteilung der Erstantragsgegnerin an den Zweitantragsgegner bzw. deren Genehmigungserklärung bezog. Die jeweils möglichen rechtlichen Konsequenzen aus den noch zu gewinnenden Verfahrensergebnissen wurden bereits aufgezeigt.

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