OGH 1Ob654/92

OGH1Ob654/9215.12.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Julia K*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, als Unterhaltssachwalter, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 7. Oktober 1992, GZ 47 R 461/92-64, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 16. April 1992, GZ 7 P 27/90-57, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Vater Georg B*****, binnen 14 Tagen bei Exekution schuldig ist, seiner Tochter Julia K*****, für die Zeit vom 1.4.1990 bis 31.8.1990 einen weiteren monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000,-- zu leisten.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 15.6.1984, 1 Sch 54/84-4, einvernehmlich geschieden. Mit pflegschaftsbehördlich genehmigtem Vergleich vom selben Tag vereinbarten die Eltern, daß die Obsorge für das Kind der Mutter zusteht und der Vater einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.000,-- zu leisten hat. Der Vater war vom 13.11.1989 bis 7.7.1991 arbeitslos. In der Zeit vom 30.3.1990 bis 19.8.1990 war er nicht als Arbeitssuchender beim Arbeitsamt gemeldet. Der Aktenlage nach verdiente er sowohl vor als auch nach der Zeit seiner Arbeitslosigkeit als Angestellter rund S 20.000,-- monatlich netto.

Am 2.5.1990 beantragte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 11, als Unterhaltssachwalter, den Vater ab 1.3.1990 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 4.000,-- zu verpflichten. Der Vater habe im Februar 1990 erklärt, daß er ab März 1990 einen Golfclub leiten werde. Er müßte dort mindestens S 20.000,-- monatlich verdienen. Als sich herausgestellt hat, daß der Vater seit 13.11.1989 arbeitslos ist, wurde der Erhöhungsantrag auch darauf gestützt, daß der Vater ganz sicher in der Lage sei, Arbeitseinkommen zu erzielen, das es ihm ermögliche, den erhöhten Unterhalt zu leisten.

Das Erstgericht wies den Erhöhungsantrag ab. Der Unterhaltsbetrag von S 2.000,-- liege zwar unter dem Durchschnittsbedarfsatz von Kindern der gleichen Altersgruppe, entspreche jedoch der Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Vaters. Dieser habe ein monatliches Arbeitslosengeld von netto S 10.626,15 bezogen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Unterhaltssachwalters nicht Folge. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es nicht für zulässig. Es sei zutreffend, daß im Unterhaltsbemessungsverfahren jenes Durchschnittsnettoeinkommen der Entscheidung zugrundegelegt werden könne, dessen Erzielung dem Unterhaltspflichtigen zumutbar sei, wenn dieser nicht alles in seinen Kräften Stehende tue, um einen seinen Kenntnissen und Fähigkeiten angemessenen Arbeitsplatz anzunehmen, damit er seiner Unterhaltspflicht nachkommen könne. Auch im Unterhaltsverfahren habe der Anspruchsberechtigte jene Umstände konkret zu behaupten und zu beweisen, die zur Begründung seines Unterhaltserhöhungsanspruches erforderlich seien. Der bloße Hinweis auf eine längerdauernde Arbeitslosigkeit reiche nicht aus, um nachzuweisen, welchen Arbeitsplatz mit welchem Durchschnittseinkommen der Vater bei entsprechenden Bemühungen erlangt hätte. Auch wenn davon ausgegangen werden müsse, daß zahlreiche Arbeitsverhältnisse nicht durch das Arbeitsamt, sondern aufgrund von Eigeninitiative zustandekämen, sei damit noch nicht nachgewiesen, daß der Vater derartige Bemühungen trotz gegebener Möglichkeiten unterlassen habe. Für jenen Zeitraum, in dem der Vater vorübergehend beim Arbeitsamt nicht als arbeitssuchend gemeldet gewesen sei, sei das Erstgericht unter Anwendung des Anspannungsgrundsatzes ohnedies von jener Unterhaltsbemessungsgrundlage ausgegangen, die dem Vater im Falle des Weiterbezuges von Arbeitslosengeld zur Verfügung gestanden wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ist zulässig und teilweise berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß die Bejahung der Arbeitsfähigkeit und der Arbeitswilligkeit eines Arbeitslosen als Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz durch die zuständige Verwaltungsbehörde das Gericht in der Beurteilung, ob der Unterhaltspflichtige nach Kräften bemüht war, seiner Unterhaltspflicht nachzukommen, nicht binde. Mehr als ein Indiz für das Nichtvorliegen der Anspannungsvoraussetzungen sei im Bezug des Arbeitslosengeldes nicht zu erblicken (EvBl. 1991/167; 4 Ob 544/91). Da sich die Tatsachen, die zur Anwendung der Anspannungstheorie und damit zur Zugrundelegung eines fiktiven Einkommens für die Unterhaltsbemessung führen, im Informationsbereich des Unterhaltsschuldners liegen, hat dieser darzutun, daß er seiner Verpflichtung, zum Unterhalt nach Kräften beizutragen, auch nachgekommen ist (Schlemmer/Schwimann, ABGB, Rz 59 zu § 140; vgl. Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht II Rz 1 zu § 1603 BGB und Rz 1 zu § 1581 BGB je mwN; Kalthoener-Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts4 Rz 553). Ein solches Vorbringen ist in dem vom Unterhaltssachwalter nicht widersprochenen Angaben des Vaters zu erblicken, seine privaten Bewerbungsgesuche seien bisher ohne Erfolg geblieben, sämtliche Gespräche mit Golfclubs hätten sich zerschlagen. Eine dem Erfordernis des § 140 ABGB entsprechende Arbeitssuche kann aber nach der ständigen Rechtsprechung der Rekursgerichte (EFSlg. 62.044, 53.324 uva; Schlemmer/Schwimann aaO Rz 43 zu § 140 mwN) für jenen Zeitraum nicht angenommen werden, in dem der Unterhaltspflichtige beim Arbeitsamt nicht als arbeitssuchend vorgemerkt war und für diese Unterlassung auch keine triftigen Gründe angeben kann. Für den Vater, der nach seinen eigenen Angaben einsieht, daß die Unterlassung der Meldung beim Arbeitsamt verbunden mit dem Entfall des Arbeitslosengeldes ein Fehler war, ist dann aber als Unterhaltsbemessungsgrundlage das von ihm sowohl vor als auch nach den Zeiten seiner Arbeitslosigkeit als Angestellter erzielte Einkommen von monatlich S 20.000,-- fiktiv heranzuziehen. Für den Zeitraum der Unterlassung der Meldung als Arbeitssuchender ist daher der Erhöhungsantrag gerechtfertigt.

In diesem Sinn war dem Revisionsrekurs teilweise Folge zu geben und dem Unterhaltserhöhungsantrag für die Zeit vom 1.4. bis 31.8.1990 stattzugeben.

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