Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 10 (zehn) Jahre erhöht wird.
Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef F***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt. Es liegt ihm zu Last, am 16. Oktober 1991 in Regau den Friedrich P***** durch die Abgabe von Schüssen aus einem Flobertgewehr, nämlich durch einen Schuß in den Rücken mit Lungendurchschuß und einen weiteren Schuß auf das linke Ohr, vorsätzlich getötet zu haben.
Der Schuldspruch beruht auf dem einhelligen Wahrspruch der Geschwornen, welche die Hauptfrage wegen Mordes bejahten sowie Zusatzfragen nach einem Handeln in tatsächlicher oder vermeintlicher Notwehr und nach einem Notwehrexzeß aus asthenischem Affekt verneinten. Alle anderen Fragen - darunter Eventualfragen in Richtung fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen und in Richtung Totschlag - ließen die Geschwornen im Einklang mit der ihnen erteilten Belehrung unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil wird vom Angeklagten mit einer auf die Z 6, 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.
Eine dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund entsprechende Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung erblickt der Beschwerdeführer in dem Umstand, daß den Geschwornen die Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes (fortlaufende Zahl des Fragenschemas: 1) vor der Eventualfrage wegen Totschlags (fortlaufende Zahl des Fragenschemas: 6), die nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage zu beantworten war, gestellt wurde, weil dadurch wegen der beiden Fragestellungen inhärenten und nach Lage des Falles zu bejahenden vorsätzlichen Tötung für die Laienrichter keine Möglichkeit gegeben gewesen sei, auch dazu Stellung zu nehmen, ob sich der Angeklagte (bloß) in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreissen lassen habe, den Friedrich P***** zu töten. Nach der Meinung des Angeklagten hätte die Eventualfrage wegen Verbrechens des Totschlags vor der Hauptfrage wegen des Verbrechens des Mordes gestellt werden müssen, weil nur auf diese Weise eine Auseinandersetzung der Geschwornen mit dem privilegierenden Tatbestandsmerkmal der allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung herbeigeführt worden wäre.
Mit diesem Einwand verkennt der Beschwerdeführer - wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt - das gesetzliche Wesen einer Eventualfrage in ihrem Verhältnis zur Hauptfrage. Gemäß § 312 Abs 1 StPO ist die Hauptfrage stets darauf zu richten, ob der Angeklagte schuldig ist, die der Anklage zugrunde liegende strafbare Handlung begangen zu haben. Die Hauptfrage muß daher die unter Anklage gestellte Tat zum Gegenstand haben. Eine Eventualfrage (§ 314 Abs 1 StPO) hingegen soll den Geschwornen aufgrund eines konkreten Tatsachenvorbringens in der Hauptverhandlung die Möglichkeit bieten, ihrer Überzeugung Ausdruck zu verleihen, daß die dem Angeklagten angelastete strafbare Handlung rechtlich anderes als in der Anklage zu beurteilen wäre. Das Gesetz geht davon aus, daß Eventualfragen für den Fall der Verneinung einer anderen Frage gestellt werden (§ 317 Abs 3 StPO), weshalb sie zwangsläufig an eine vorgelagerte Frage anknüpfen müssen. Somit lassen die prozessualen Vorschriften, wonach der Ansatzpunkt des Fragenprogramms die Hauptfrage nach dem Anklagevorwurf zu sein hat (§ 312 Abs 1 StPO) und weitere Schuldfragen nach einer abweichenden Beurteilung mit der vorangegangenen Beantwortung einer anderen Frage zu verbinden sind (§ 314 Abs 1, 317 Abs 3 StPO), die in der Nichtigkeitsbeschwerde geforderte Gestaltung des Fragenschemas mit vorangestellter Eventualfrage und nachfolgender Hauptfrage nicht zu.
Die Geschwornen waren durch das kritisierte Fragenprogramm aber auch nicht daran gehindert, die Annahme eines Totschlags zum Ausdruck zu bringen. Das Verbrechen des Totschlags nach § 76 StGB ist gegenüber dem Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB ein eigenständiges (privilegiertes) Delikt (Leukauf-Steininger, Komm3, § 76 RN 2 f). Dem Text der Hauptfrage und der Eventualfrage mit der fortlaufenden Nummer 6 war deutlich zu entnehmen, welchen von der Hauptfrage abweichenden Sachverhalt die Geschwornen gegebenenfalls als erwiesen hätten annehmen müssen, um die Hauptfrage (nach Mord) zu verneinen und die Eventualfrage (nach Totschlag) bejahen zu können. Angesichts der solcherart zum Ausdruck gekommenen Eigenständigkeit der beiden Tötungsdelikte blieb es den Geschwornen unbenommen, die Hauptfrage nach Mord zu verneinen und die Schuldfrage nach Totschlag zu bejahen (siehe SSt 46/49). Demgemäß erweist sich die Beschwerdebehauptung, daß die Geschwornen selbst bei Annahme eines Totschlages zur Bejahung des Mordes gezwungen waren, als nicht stichhältig.
Ebenso unbegründet ist der aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO gegen die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung vorgetragene Einwand, wonach das Verhältnis der jeweiligen Schuldfragen nach Mord und Totschlag zueinander und das maßgebliche Abgrenzungskriterium zwischen den beiden Tötungsdelikten nicht ausreichend erörtert worden seien. Insoweit wird keine inhaltliche Unrichtigkeit oder Mißverständlichkeit der Erläuterungen behauptet, sondern nur darauf abgestellt, daß nicht schon bei der Erklärung des Mordes "mit ausreichender Deutlichkeit" auch das wesentliche Merkmal des Totschlags bezeichnet wurde. Dabei handelt es sich aber um eine unwesentliche Modalität bei Gliederung des Belehrungsinhaltes und nicht um einen Umstand, der die Geschwornen auf einen falschen Weg weisen oder zu Rechtsirrtümern Anlaß geben konnte. Die grundsätzlich für jede Frage gesondert zu erteilende Rechtsbelehrung (§ 321 Abs 2 StPO) ist nämlich von den Geschwornen stets als Ganzes zur Kenntnis zu nehmen. Es entsprach mithin dem Gesetz, den Mordtatbestand unter der Überschrift "Mord" und in der Folge die für den Tatbestand des Totschlages maßgebenden Rechtsbegriffe unter der Überschrift "Totschlag" zu erläutern. Diese Vorgangsweise war nicht geeignet, die Geschwornen bei ihrem Wahrspruch zu beirren (SSt 56/7).
Zu den Rügen gegen das Fragenprogramm und die Rechtsbelehrung sei abschließend darauf hingewiesen, daß die früher von Bertel (Grundriß des österreichischen Strafprozeßrecht2, Rz 685) vertretene Meinung zum Erfordernis einer Reihung der Schuldfrage nach Totschlag vor jener nach Mord einer (auf die hiezu zitierte Literaturstelle eingehenden) Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht standhielt (15 Os 53/89) und in der neueren Auflage (Strafprozeßrecht3, 1990 Rz 572) nicht mehr aufscheint.
Letztlich versagt auch die Tatsachenrüge (Z 10 a des § 345 Abs 1 StPO) des Angeklagten, welche gegen die Feststellung des Wahrspruches gerichtet ist, daß die Tötung des Friedrich P***** keine im asthenischen Affekt verübte Notwehrüberschreitung war. Nach sorgfältiger Prüfung der ins Treffen geführten Beschwerdeargumente, die auf einer unvollständigen Heranziehung der Verantwortung des Angeklagten und der Gutachten der Sachverständigen Dr. Haberl und Univ.Prof.Dr. Mitterauer beruhen, ergeben sich im Lichte der gesamten Aktenlage keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschwornen festgestellte entscheidende Tatsache, daß es bei dem Schuß in den Rücken und dem weiteren Schuß in den Kopf des bereits am Boden liegenden Opfers nicht um ein von Bestürzung, Furcht oder Schrecken geleitetes Abwehrverhalten ging.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 75 StGB unter Anwendung des § 41 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Jahren.
Bei der Strafbemessung wertete es die (erst) am 10. April 1991 ergangene Vorverurteilung wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB sowie den Umstand als erschwerend, daß der Angeklagte zwei Schüsse abgab und beim zweiten Schuß die Hilflosigkeit des Tatopfers ausnützte.
Als mildernd berücksichtigte das Erstgericht demgegenüber das Tatsachengeständnis, die Verstandesschwäche und die erheblich eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten, ferner, daß er selbst durch Angriffe des Opfers erheblich verletzt wurde und die Tat "zumindest auch aus Furcht vor weiteren, wenn auch nicht unmittelbar drohenden Angriffen gegen seine körperliche Integrität und sein Eigentum beging".
Während der Angeklagte mit seiner Berufung die Herabsetzung des Strafausmaßes begehrt, bekämpft die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung und demgemäß die zu geringe Strafhöhe.
Lediglich das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist berechtigt.
Wie die Anklagebehörde eingehend darlegt, lassen vor allem die belastete - wenn auch reduzierte - Täterpersönlichkeit des Angeklagten, der rasche Rückfall nach seiner letzten Verurteilung, der Tathergang (Schuß in den Rücken; angesetzter Schuß auf einen Liegenden) sowie die Schwere der von Josef F***** zu verantwortenden, mehreren Personen gegenüber angekündigten Rechtsgutbeeinträchtigung die Annahme eines atypischen, besonders günstig gelagerten Falles, bei welchem die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB) gerechtfertigt erschiene, nicht zu. Den für den Angeklagten sprechenden mildernden Umständen wird durch Ausmessung der Strafe an der Untergrenze des gesetzlichen Strafrahmens ausreichend Rechnung getragen.
In diesem Sinn war daher der Berufung der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und die vom Erstgericht über den Angeklagten verhängte Strafe - unter Ausschaltung der Anwendung des § 41 StGB - auf zehn Jahre zu erhöhen.
Josef F***** war mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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