Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Text
Begründung
Die Parteien sind seit 29.6.1967 verheiratet, der Ehe entstammt der mj. Sohn Anton, geboren am 4.Jänner 1974.
Das Erstgericht gab dem Antrag der Ehefrau, festzustellen, daß ihre gesonderte Wohnungnahme rechtmäßig ist, statt. Nach seinen Feststellungen war die Ehe der Streitteile von Anfang an von Auseinandersetzungen geprägt, die ihre Ursache in den persönlichen Charaktereigenschaften der Ehegatten hatten. Diese Auseinandersetzungen überstiegen jedoch nicht das für beide erträgliche Ausmaß. Mit dem Eintritt des Sohnes in die Pubertät und dem dadurch bedingten Streben nach Eigenständigkeit und Ablösung von seinen Eltern kam es zunehmend zu sehr heftigen Zwistigkeiten zwischen dem Sohn und den Eltern. Besonders zwischen der Antragstellerin und dem Sohn eskalierten diese Streitigkeiten. Die Antragstellerin reagierte auf Beschimpfungen des Sohnes entweder mit Tränen oder mit Ohrfeigen, während der Antragsgegner, der zu Jähzorn und Wutausbrüchen neigt, den Sohn zweimal körperlich attackierte. Einmal stieß er ihn durch eine Glastür, ein zweites Mal, zu Weihnachten 1990, versetzte er ihm einen Hieb ins Gesicht, sodaß der Sohn eine Platzwunde an der Lippe davontrug. Seit diesem Vorfall hält sich der Antragsgegner jedoch gegenüber dem Sohn zurück. Die geschlechtlichen Beziehungen des Antragsgegners zur Antragstellerin sind seit einem Jahr von mangelnder Rücksichtnahme und zeitweiliger Grobheit geprägt. Im Juni 1990 verkehrte der Antragsgegner mit der Antragstellerin in einer Weise, die für die Antragstellerin erkennbar schmerzhaft war und zur Folge hatte, daß sie infolge Wundseins einen Frauenarzt aufsuchen mußte. Ein gleicher Vorfall ereignete sich im Frühjahr 1991. Damals verkehrte der Antragsgegner nach einem Streit mit der Antragstellerin geschlechtlich ohne Rücksicht auf ihre Gefühle und wieder so grob, daß die Antragstellerin Schmerzen hatte und danach unter Wundsein litt. Das Verhalten des Antragsgegners gegen seine um 18 Jahre jüngere, attraktive Frau war schon immer von Eifersucht geprägt. Diese Eifersucht steigerte sich in den letzten Jahren. Bereits im Jahre 1989 machte der Antragsgegner der Antragstellerin Vorhaltungen, daß sie eine Bekanntschaft mit einem Facharzt und einem Polizeioffizier unterhalte. In der Folge führte der Antragsgegner mit beiden eine Aussprache herbei, wobei sich ergab, daß sie keinerlei intime Beziehungen zur Antragstellerin unterhielten. Im Sommer 1991 steigerte sich die Eifersucht des Antragsgegners; er verdächtigte die Antragstellerin wieder, einen Liebhaber zu haben. Während des Ferienaufenthaltes am Zweitwohnsitz in Kärnten durchsuchte der Antragsgegner in der Nacht das gesonderte Schlafzimmer der Antragstellerin, ob sich dort ein Mann versteckt halte. Er wollte überprüfen, ob die Antragstellerin Sperma eines Liebhabers zwischen den Beinen habe. Weiters suchte er nach der Rückkehr nach Hause die Unterwäsche der Antragstellerin auf Spermaspuren ab. Seit der Rückkehr aus dem Feriendomizil in die Ehewohnung kommt es auch des öfteren vor, daß der Antragsgegner die Antragstellerin in der Nacht aufweckt, um mit ihr Aussprache über ein von ihm vermutetes Liebesverhältnis der Antragstellerin zu führen. Seit dem Sommer 1991 versucht der Antragsgegner die Antragstellerin dadurch zu überwachen, daß er ständige Fragen nach ihrem Tagesablauf, den von ihr geführten Telefonaten oder erhaltenen Anrufen stellt und den Kilometerstand ihres PKWs überprüft. Er entwendete der Antragsgegnerin aus der Handtasche einen verschlossenen, an einen gewissen Julien adressierten Brief und fotokopierte ihn.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes habe das eifersüchtige Verhalten des Antragsgegners ein Ausmaß erreicht, das der Antragstellerin ein weiteres Zusammenleben mit dem Antragsgegner unzumutbar mache und die gesonderte Wohnungnahme durch sie rechtfertige.
Das Rekursgericht änderte die erstgerichtliche Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Antrages ab und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist.
Nach der Auffassung des Rekursgerichtes sei der Antrag rechtlich schon deshalb verfehlt, weil eine Maßnahme nach § 92 Abs.2 ABGB nur aus Gründen vorübergehender Natur zulässig sei. Aus der aktenkundigen Scheidungsabsicht und der inzwischen erhobenen Scheidungsklage der Antragstellerin ergebe sich, daß sie nicht nur vorübergehend, sondern im Sinne eines Dauerzustandes die gesonderte Wohnungnahme anstrebe. Der Antrag sei aber auch inhaltlich nicht gerechtfertigt. Nur besonders schwere Eheverfehlungen, die das weitere Zusammenleben unerträglich machten, rechtfertigten eine gesonderte Wohnungnahme. Von einer Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens könne aber nach den Feststellungen insgesamt, insbesondere auch unter Berücksichtigung des eigenen Verhaltens der Antragstellerin zu dem schon länger zurückreichenden Verhalten des Antragsgegners nicht gesprochen werden.
Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig,weil das Rekursgericht bei Beurteilung der Zumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Richtig ist, daß Dauerzustände nicht zum Gegenstand einer Entscheidung des Außerstreitrichters gemacht werden können. Von einem Dauerzustand kann aber keine Rede sein, wenn sich das Verhalten eines Ehegatten, das einen wichtigen Grund im Sinne des § 92 Abs.2 ABGB zur gesonderten Wohnungnahme für den anderen Ehegatten bildet, ändern könnte (EFSlg. 61.724, 61.726 f ua). Letzteres trifft hier auf das entscheidungswesentliche Verhalten des Antragsgegners zu. Die Anhängigkeit eines Scheidungsverfahrens steht einem Antrag und einer Entscheidung nach § 92 Abs.2 ABGB nicht im Wege (1 Ob 526/91).
Die gesonderte Wohnungnahme eines Ehegatten ist rechtmäßig, wenn das Zusammenleben aus Gründen in der Person des anderen Ehegatten unzumutbar ist (Pichler in Rummel2 Rz 5 zu § 92; EFSlg. 52.971, 50.156). Dauernde psychische, die Arbeitsfähigkeit vermindernde Beeinträchtigung durch den anderen oder die Gefahr psychischer oder körperlicher Krankheitsschäden kann die Unzumutbarkeit begründen (Pichler aaO; JBl. 1979, 86; 4 Ob 518/90). Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Antragsgegner die Antragstellerin des öfteren in der Nacht aufweckt, um mit ihr eine Aussprache über ein von ihm vermutetes Liebesverhältnis der Antragstellerin zu führen. Aus den Feststellungen ergibt sich aber auch, daß die Eifersucht des Antragsgegners unbegründet ist. Die wiederholte und unbegründete Störung der Nachtruhe stellt für eine Person, die, wie die Antragstellerin, berufstätig ist, eine erhebliche psychische Belastung dar, die auch die Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung in sich birgt. Dies rechtfertigt im Zusammenhalt mit den übrigen dauernden Behelligungen der Antragstellerin nach den obgenannten Grundsätzen die Annahme der Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens.
Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.
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