OGH 3Ob1038/92(3Ob1039/92, 3Ob1040/92)

OGH3Ob1038/92(3Ob1039/92, 3Ob1040/92)25.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. K***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, und 2. K***** Gesellschaft m.b.H., ***** sowie 3. M***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, und 4. M***** Gesellschaft m.b.H., ***** alle vertreten durch Dr.Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei F***** Zeitungsgesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Schönherr-Barfuss Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen der Einwendungen gegen Strafvollzugsbeschlüsse, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 14.April 1992, GZ 46 R 3/91-15, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Exekutionsgerichtes Wien vom 8.Oktober 1990, GZ 17 C 192/90f-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die hier beklagte Partei erhob gegen die hier klagenden Parteien zu 38 Cg 110/89 des Handelsgerichtes Wien die Klage auf Unterlassung bestimmter als wettbewerbswidrig bezeichneter Handlungen (Gewinnspiele). Auf Grund der zur Sicherung des geltend gemachten Untersagungsanspruches erlassenen einstweiligen Verfügung vom 20. April 1989 wurde am 27.April 1989 die Unterlassungsexekution bewilligt. In der Folge verhängte das Erstgericht als Exekutionsgericht auf Grund von Strafvollzugsanträgen der beklagten Partei Geldstrafen über die klagenden Parteien.

In drei Klagen erhoben die klagenden Parteien ihre Einwendungen, daß das ihnen in diesen Anträgen jeweils zur Last gelegte Verhalten nicht gegen das in der einstweiligen Verfügung auferlegte Verbot verstoßen habe.

Das Erstgericht wies nach Verbindung der Verfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung die Klagebegehren ab.

Nach dieser Entscheidung wies der Oberste Gerichtshof im Titelprozeß zu 4 Ob 26/91 am 23.April 1991 das Unterlassungsbegehren ab. Mit rechtskräftigem Beschluß vom 14.August 1991 hob das Handelsgericht Wien die einstweilige Verfügung vom 20.April 1989 auf. Über den Antrag der klagenden Parteien vom 21.Juni 1991, die Unterlassungsexekution unter Aufhebung aller vollzogenen Exekutionsakte einzustellen und die Rückzahlung der bezahlten Geldstrafen anzuordnen, wurde vom Erstgericht bisher nicht entschieden.

Das Berufungsgericht gab mit seinem am 4.Mai 1992 beim Erstgericht eingelangten Urteil der von den klagenden Parteien gegen das Urteil des Erstgerichtes erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und die (ordentliche) Revision nicht zulässig sei. Es war rechtlich der Meinung, daß die klagenden Parteien durch das Verhalten, das ihnen in den Strafvollzugsanträgen zur Last gelegt wurde, gegen die auf Grund der einstweiligen Verfügungen ergangene Exekutionsbewilligung verstoßen hätten.

Rechtliche Beurteilung

Die von den klagenden Parteien gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision ist unzulässig.

Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist ein Rechtsschutzinteresse (ein Rechtsschutzbedürfnis) des Rechtsmittelwerbers (EvBl 1984/84; SZ 61/6 = EvBl 1988/100; ÖBl 1991, 38 uva). es ist dann nicht gegeben, wenn der Entscheidung nur noch theoretische Bedeutung zukäme (EvBl 1975/267; WBl 1992 267 uva); bei einem an den Obersten Gerichtshof gerichteten Rechtsmittel haben bei Beurteilung dieser Frage die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz außer Betracht zu bleiben (SZ 61/6 = EvBl 1988/100; ÖBl 1991, 38; WBl 1992, 267 ua). Das Rechtsschutzinteresse fehlt den klagenden Parteien daher, worauf sie in der Revision selbst hinweisen, dann, wenn die Exekution einzustellen ist und ihnen die bezahlten Geldstrafen zurückzuzahlen sind. Dies ist zu bejahen:

Daß die Exekution einzustellen ist, ergibt sich aus § 39 Abs 1 Z 1 EO. Die beklagte Partei verkennt in ihrer Äußerung zum Einstellungsantrag der klagenden Parteien, daß zwar nicht schon die Entscheidung über die Aberkennung des Anspruchs im Hauptverfahren, wohl aber die gemäß § 399 EO getroffene Entscheidung über die Aufhebung der den Exekutionstitel bildenden einstweiligen Verfügung einen Einstellungsgrund bildet. Der Oberste Gerichthof vermag nicht zu erkennen, warum diese Entscheidung nicht unter den im § 39 Abs 1 Z 1 EO genannten Tatbestand der Aufhebung des Exekutionstitels fallen sollte.

Entgegen der von der beklagten Partei in ihrer Äußerung vertretenen Meinung wirkt die Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen rechtskräftiger Aberkennung des Anspruchs auch nicht bloß ex nunc, sondern ex tunc. Dies zeigt deutlich § 394 EO, der für diesen Fall einen Ersatzanspruch des Gegners der gefährdeten Partei vorsieht. Daraus wird deutlich, daß der Partei, welche die einstweilige Verfügung unberechtigt beantragt hat, der gesamte Zeitraum, während dessen diese wirksam war, als rechtswidriges Verhalten zuzurechnen ist.

Die Aufhebung wegen rechtskräftiger Aberkennung des Anspruchs wirkt also auf den Beginn dieses Zeitraums zurück. Daß in § 399a Abs 3 EO für einen Sonderfall die Rückwirkung ausdrücklich angeordnet wird, spricht nicht gegen diese Auffassung, weil einerseits die darin geregelte Aufhebung von der im § 399 EO geregelten Aufhebung verschieden ist (vgl § 399a Abs 4 EO) und überdies im § 399 Abs 1 EO auch Tatbestände enthalten sind, die keine rückwirkende Aufhebung der einstweiligen Verfügung zur Folge haben (zB die Z 2 und die in der Z 4 angeführte Berichtigung des Anspruchs, wenn sie nach Erlassung der einstweiligen Verfügung geschieht). Einen solchen Fall betraf aber die von der beklagten Partei in ihrer Äußerung zitierte Entscheidung ÖBl 1986, 82, weshalb hieraus für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen ist.

Wirkt die Aufhebung der einstweiligen Verfügung wegen rechtskräftiger Aberkennung des Anspruchs also über dem Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung hinaus zurück, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß dem Verpflichteten eine bezahlte Geldstrafe gemäß § 359 Abs 2 EO zurückzuzahlen ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob nach Aufhebung der einstweiligen Verfügung die Geldstrafe als zu Unrecht verhängt im Sinn dieser Gesetzesstelle anzusehen ist, oder ob die Aufhebung bloß den nachträglichen Wegfall der Pflicht zur Zahlung der Geldstrafe zur Folge hat. Nach herrschender Ansicht darf eine noch nicht eingehobene Geldstrafe (zumindest) in einem solchen Fall nicht mehr eingehoben werden (Heller-Berger-Stix III 2591 und 2600, Neumann-Lichtblau, Kommentar zur EO3 110, EvBl 1972/176, 3 Ob 51/92). Es wäre aber nicht gerechtfertigt, die Belastung des Verpflichteten mit der Geldstrafe von dem Zufall abhängig zu machen, ob er sie schon bezahlt hat oder nicht. Die Verweigerung der Rückzahlung würde zu dem ungerechtfertigten Ergebnis führen, daß ein säumiger Verpflichteter besser gestellt wäre als ein Verpflichteter, der seiner Zahlungspflicht ordnungsgemäß nachkam. Der Oberste Gerichthof hat in der Entscheidung vom 27.8.1992, 3 Ob 51/91, den Wegfall der Zahlungspflicht sogar für den Fall bejaht, daß die einstweilige Verfügung wegen nachträglicher Änderung der Verhältnisse aufgehoben wurde, weil eine andere Vorgangsweise nach dem Wortlaut des § 39 Abs 1 EO und dem Charakter der Strafe als eines Beugemittels verfehlt wäre. Der Wegfall der Zahlungspflicht und damit die Pflicht zur Rückzahlung einer bereits bezahlten Geldstrafe müssen aber umso mehr vorliegen, wenn die einstweilige Verfügung wegen rechtskräftiger Aberkennung des Anspruchs aufgehoben wurde.

Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die von der beklagten Partei in ihrer Äußerung zum Einstellungsantrag der klagenden Parteien zitierte Entscheidung SZ 50/104 = EvBl 1978/55 = ÖBl 1978, 52, in welcher der Oberste Gerichtshof nach Zurückweisung der Klage einen auf § 394 Abs 1 EO gegründeten Anspruch auf Ersatz der Geldstrafe verneinte. Davon verschieden ist die Rückzahlungspflicht, die in dem erst durch die UWGNov 1980 und somit nach der angeführten Entscheidung geschaffenen § 359 Abs 2 EO ihre gesetzliche Grundlage hat. Zur Frage des Erstatzanspruchs gemäß § 394 Abs 1 EO ist hier nicht Stellung zu nehmen.

Über die Einstellung und Rückzahlungspflicht wurde zwar hier noch nicht entschieden. Es wäre aber selbst im Fall eines Erfolges des Klagebegehrens Sache der Vorinstanzen, ob sie die Einstellung und die Rückzahlung der Geldstrafen verfügen, und der Oberste Gerichtshof könnte ihnen in diesen Punkten seine Rechtsansicht in der über die Revision zu treffenden Entscheidung nicht überbinden. Die Entscheidung über die Revision würde daher die Erledigung der Anträge im Exekutionsverfahren nicht ersetzen oder bindend beeinflussen können. Sie hätte vielmehr - von der aber nicht bedeutsamen Entscheidung über die Kosten erster und zweiter Instanz abgesehen - nur noch theoretische Bedeutung, weshalb die außerordentliche Revision mangels eines Rechtsschutzinteresses unzulässig ist. In einem solchen Fall kommt es nicht mehr darauf an, ob die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO abhängt. In der Entscheidung RPflSlg 1975/71 hat der Oberste Gerichtshof allerdings den Wegfall des Rechtsschutzinteresses erst für den Fall bejaht, daß die Exekution rechtskräftig eingestellt wurde und dem betreibenden Gläubiger die Kosten rechtskräftig aberkannt wurden. Soweit daraus für den hier zu beurteilenden Sachverhalt eine abweichende Rechtsansicht abzuleiten wäre, vermag sie der erkennende Senat aus den angeführten Gründen nicht aufrecht zu erhalten.

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien war daher wegen Fehlens des Rechtsschutzinteresses zurückzuweisen. Da dieses schon vor Einbringung der Revision und damit nicht nachträglich weggefallen ist und deshalb § 50 Abs 2 ZPO idF der EONov 1991 nicht zum Tragen kommt, war über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nicht zu entscheiden.

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