Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß dem Minderjährigen vom 1.Februar 1992 bis 31.Jänner 1995 ein monatlicher Unterhaltsvorschuß von S 2.100, jedoch höchstens in der Höhe des jeweiligen Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs 1 c) bb) erster Fall, § 108 ASVG, gewährt und das Mehrbegehren von monatlich S 1.900 abgewiesen wird.
Die nach dieser Entscheidung erforderlichen Verfügungen obliegen dem Erstgericht.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern des Minderjährigen wurde gemäß § 55 a EheG am 13. März 1991 geschieden. Im pflegschaftsgerichtlich genehmigten Scheidungsvergleich verpflichtete sich der als Unternehmer bezeichnete Vater, für den der Obsorge der Mutter zugewiesenen Minderjährigen einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 4.000,-- zu bezahlen. Am 21.November 1991 wurde über das Vermögen des Vaters das Ausgleichverfahren eröffnet. Über Antrag der Mutter bestellte das Erstgericht am 23.Dezember 1991 die Jugendwohlfahrtsbehörde (Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems) zum besonderen Sachwalter des Minderjährigen gemäß § 22 JWG. Am 18.Februar 1992 wurde das Ausgleichsverfahren eingestellt, am 11.März 1992 aber über das Vermögen des Vaters zu S 13/92 des Kreisgerichtes Steyr der Anschlußkonkurs eröffnet.
Am 27.Februar 1992 beantragte der Sachwalter die Gewährung eines Titelvorschusses gemäß § 3 und § 4 Z 1 UVG an den Minderjährigen für die Zeit vom 1.Februar 1992 bis 31.Jänner 1995 von monatlich S 4.000,--; die Führung einer Exekution gegen den unterhaltspflichtigen Vater erscheine aussichtslos, weil über sein Vermögen das Ausgleichs- bzw. Konkursverfahren eröffnet worden sei und Einkünfte aus unselbständiger Arbeit (vom Vater) nicht erzielt würden.
Das Erstgericht gewährte mit Beschluß vom 2.März 1992 den beantragten Titelvorschuß.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz teilweise Folge und setzte den Vorschuß auf monatlich S 1.750,-- herab. Wegen der im Ausgleichs- und Konkursverfahren bestehenden Exekutionssperre (§§ 10, 69 AO, § 10 KO) erscheine eine Exekutionsführung gegen den von der Insolvenz betroffenen Vater aussichtslos im Sinne des § 4 Z 1 UVG, sodaß diese Voraussetzung der Unterhaltsvorschußgewährung zu bejahen sei. Gemäß § 8 Abs 4 AO dürfe der Ausgleichsschuldner die vorhandenen Mittel nur insoweit für sich verbrauchen, als es zu einer bescheidenen Lebensführung für ihn und seine Familie unerläßlich sei. Gemäß § 5 Abs 1 KO sei dem Gemeinschuldner zu überlassen, was er durch eigene Tätigkeit erwirbt oder ihm während des Konkurses unentgeltlich zugewendet wird, soweit es zu einer bescheidenen Lebensführung für ihn und für diejenigen, die gegen ihn einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch haben, unerläßlich sei. Gemäß § 5 Abs 2 KO habe der Masseverwalter mit Zustimmung des Gläubigerausschusses dem Gemeinschuldner, soweit ihm nichts zu überlassen sei, und seiner Familie das zu gewähren, was zu einer bescheidenen Lebensführung unerläßlich sei. Der Gemeinschuldner sei jedoch aus der Masse nicht zu unterstützen, soweit er nach seinen Kräften zu einem Erwerb durch eigene Tätigkeit imstande sei. Im Zusammenhang mit einer Insolvenz des Unterhaltsschuldners könne daher ein Unterhaltsanspruch die Grenze der bescheidenen Lebensführung nicht überschreiten. Es sei Sache des Schuldners, im Ausgleich einen durch bescheidene Lebensführung eingegrenzten Unterhaltsanspruch zu befriedigen und im Konkurs durch geeignete Schritte die Befriedigung dieses Unterhaltsanspruchs zu gewährleisten. Unterlasse dies der Unterhaltsschuldner, so habe dies im Sinne der Anspannungstheorie auf die Höhe des gesetzlichen Unterhalts (begrenzt durch bescheidene Lebensführung) keinen Einfluß. Was für eine bescheidene Lebensführung des Minderjährigen notwendig ist, sei ausgehend vom sogenannten Durchschnittsbedarf zu beurteilen, von dem noch ein Abschlag von etwa S 1.000,-- vorzunehmen sei. Da der monatliche Durchschnittsbedarf für ein Kind im Alter des Minderjährigen S 2.720,-- betrage, sei der Unterhaltsvorschuß auf aufgerundet S 1.750,-- monatlich herabzusetzen. Eine darüber hinausgehende Unterhaltsbevorschussung begegne begründeten Bedenken im Sinne des § 7 Abs 1 Z 1 UVG. Da zur vorliegenden Frage die Rechtsprechung der Instanzgerichte uneinheitlich sei und OGH-Judikatur nicht vorliege, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Minderjährigen ist zulässig, weil zur Frage der Voraussetzungen der Unterhaltsvorschußgewährung nach § 3 und § 4 Z 1 UVG im Ausgleichsverfahren des Unterhaltsschuldners keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt.
Der Revisionsrekurs ist auch teilweise berechtigt.
Im maßgeblichen Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung (2.März 1992) war das den Vater des Minderjährigen betreffende Ausgleichsverfahren eingestellt (Einstellung am 18.Februar 1992) und der Anschlußkonkurs noch nicht eröffnet (Eröffnung am 11.März 1992). Gemäß § 69 Abs 3 AO enden aber die Wirkungen des Ausgleichsverfahrens, wenn (sodann) der (Anschluß-)Konkurs von Amts wegen eröffnet wird, mit dem Beginn des Tages, an dem das Konkursedikt an die Gerichtstafel des Konkursgerichtes angeschlagen wird. Im Zeitpunkt des vorliegenden Unterhaltsvorschußantrags und der darüber ergangenen Entscheidung des Erstgerichtes war daher noch vom Ausgleichsverfahren des Unterhaltsschuldners auszugehen. Konkursrechtliche Aspekte (§ 5 Abs 1 und 2 KO) haben hier außer Betracht zu bleiben.
Gemäß § 8 Abs 4 AO besteht zwar für den Ausgleichsschuldner die Pflicht, während des Ausgleichsverfahrens die vorhandenen Mittel nur insoweit für sich zu verbrauchen, als es zu einer bescheidenen Lebensführung für ihn und seine Familie unerläßlich ist. Entgegen der vom Rekursgericht geäußerten Auffassung unterliegen aber während des Ausgleichsverfahrens auf Grund einer gesetzlichen Unterhaltspflicht fällig werdende Beträge nicht der "Exekutionssperre des § 10 AO", vielmehr kann zu ihrer Hereinbringung auf das dem Ausgleichsschuldner nicht durch eine Verfügung nach § 3 Abs 2 AO entzogene Vermögen Exekution geführt werden (SZ 18/214). Im vorliegenden Verfahren hat der Unterhaltssachwalter des Minderjährigen im Sinne des § 11 Abs 2 UVG erklärt, daß eine Exekutionsführung gegen den unterhaltspflichtigen Vater (Unterhaltsschuldner) aussichtslos erscheine und Einkünfte aus unselbständiger Arbeit nicht erzielt würden. Mag diese Erklärung auch für sich allein noch nicht zur Dartuung der Unterhaltsvorschuß-Voraussetzung des § 3 und § 4 Z 1 UVG ausgereicht haben, so ist dieser Grund der Vorschußgewährung doch mangels Anfechtung der davon ausgehenden zweitinstanzlichen Entscheidung durch den Antragsgegner als gegeben anzunehmen.
Der Oberste Gerichtshof hat zwar in der Entscheidung RZ 1991/44 ausgesprochen, daß eine (teilweise) Versagung des Unterhaltsvorschusses nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG nicht allein schon wegen der Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Vermögen des als Schuldners gerechtfertigt sei, weil damit die Abweichung des Exekutionstitels von der materiellen Rechtslage noch nicht offensichtlich werde. Der erkennende Senat kann sich dieser Ansicht schon deshalb nicht anschließen, weil in der Vorentscheidung auf ein offensichtliches Abweichen des Exekutionstitels von der materiellen Rechtslage abgestellt wurde, wie es allerdings in der Regierungsvorlage als Inhalt des § 7 Abs 1 Z 1 UVG vorgesehen war. Nach dem zum Gesetzesinhalt erhobenen Text des § 7 Abs 1 Z 1 UVG genügen jedoch u.a. im Fall des § 3 und § 4 Z 1 UVG begründete Bedenken, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist. Das Abgehen von der Regierungsvorlage wurde im Ausschußbericht (199 BlgNR. 14.GP 6) damit begründet, daß der neue Abs 1 vor allem einer mißbräuchlichen Inanspruchnahme von Unterhaltsvorschüssen vorbeugen, aber auch sonst, besonders wenn sich seit der Festsetzung des Unterhaltsbeitrags die für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Verhältnisse wesentlich geändert haben, dem Gericht ermöglichen solle, die Vorschüsse in der der gesetzlichen Unterhaltspflicht entsprechenden Höhe zu bemessen. Es kommt daher nicht (mehr) auf die Offensichtlichkeit der Abweichung des Unterhaltstitels von der (geänderten) materiellen Rechtslage an. Hat aber der (hier) Ausgleichsschuldner gemäß § 8 Abs 4 AO (wie auch der Gemeinschuldner gemäß § 5 Abs 1 und 2 KO), wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, auch für seine Familie nur (mehr) Anspruch auf (Entnahme oder Überlassung von Mitteln für) eine bescheidene Lebensführung, so liegt es im allgemeinen nahe und es bestehen im Normalfall begründete Bedenken im Sinn des § 7 Abs 1 Z 1 UVG, daß die Unterhaltspflicht eines (bisher nicht unterdurchschnittlich leistungsfähigen) Unterhaltspflichtigen nicht mehr in der selben Höhe besteht, wie sie in einem vor der Insolvenz geschaffenen Exekutionstitel festgelegt wurde. Der insolvente Unterhaltsschuldner und seine gesetzlichen Unterhaltsgläubiger haben sich also einer fühlbaren Einschränkung ihrer den Unterhalt insgesamt ausmachenden Bedürfnisse zu unterziehen und dürfen nicht mehr jeden Teil davon (wie etwa kulturelle, freizeitbezogene oder sportlich orientierte Bedürfnisse) wie bei einem höheren Lebensstandard des Unterhaltspflichtigen voll befriedigen (vgl. RZ 1992/4; auch 7 Ob 625/90). Damit gerade im Unterhaltsvorschußrecht nicht ungleiche Bedingungen für die auf bescheidenen Lebensbedarf einzuschränkenden Lebensverhältnisse geschaffen werden, muß die bescheidene Lebensführung als objektiver Maßstab verstanden werden, nach welchem jedem von dieser Einschränkung Betroffenen ein annähernd gleiches bescheidenes Auslangen erhalten bleibt. In diesem Sinn hat der erkennende Senat schon in der Entscheidung 3 Ob 549, 550/92 Bedenken gegen die Ansicht der angeführten Vorentscheidung geäußert, während die Entscheidung RZ 1992/4 eine Unterhaltsbemessung und nicht einen Unterhaltsvorschuß betraf.
Dabei erscheint allerdings ein Abzug von S 1.000,-- wie in der angefochtenen Entscheidung unangemessen und im konkreten Fall auch zu hoch. Vielmehr führen folgende Erwägungen zu einer sachgerechteren Lösung:
So wie für die Unterhaltspflichtigen oder einen unterhaltsberechtigten Erwachsenen etwa die gesetzlichen Bestimmungen über das "exekutionsrechtliche Existenzminimum" herangezogen werden könnten, stehen für minderjährige unterhaltsberechtigte Kinder die in § 6 Abs 2 UVG für den Ausfall der (titulierten oder auch nicht titulierten) Unterhaltsgewährung vorgesehenen fixen Größen in Form des Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen zur Verfügung, die nach den Intentionen des Gesetzgebers (vgl JAB 199 BlgNR 14. GP 6) nach den Altersstufen der unterhaltsberechtigten Kinder abgestufte feste Beträge zur Beseitigung der notleidend gewordenen Unterhaltsverpflichtung darstellen. Diese Beträge liegen mit der im § 6 Abs 2 Z 1 bis 3 UVG vorgesehenen altersbezogenen Abstufung jeweils fühlbar unter den verlautbarten Regelbedarfssätzen für die jeweilige Alterskategorie von Kindern, sodaß sie als objektives, nachvollziehbares Maß für eine (knapp) unter dem Durchschnitt liegende und daher als bescheiden anzusehende Lebensführung herangezogen werden können.
Die nach dem Alter des Minderjährigen maßgebliche Hälfte des im Entscheidungszeitpunkt erster Instanz maßgeblichen Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen ergibt aufgerundet den als Unterhaltsvorschuß für eine bescheidene Lebensführung erforderlichen, zuerkannten monatlichen Vorschußbetrag.
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