Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Revision sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit Bescheid vom 27.2.1991 stellte die beklagte Partei aufgrund des Antrages vom 7.11.1990 fest, daß der am 26.8.1935 geborene Kläger nicht erwerbsunfähig iS des § 124 Abs 1 und 2 BSVG sei. Er könne noch einem regelmäßigen Erwerb nachgehen. Wegen der Betriebsgröße sei seine persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes nicht notwendig.
Die auf "Anerkennung" der Erwerbsunfähigkeit ab Antragstellung
gerichtete Klage stützt sich lediglich darauf, daß der Kläger
aufgrund seines Gesundheitszustandes keiner geregelten Erwerbstätigkeit mehr nachgehen könne.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Sie
bestritt, daß der Kläger, der einen landwirtschaftlichen Betrieb
mit einem Einheitswert von 771.300 S führe, dauernd erwerbsunfähig
sei.
Das Erstgericht stellte fest, daß der Kläger erwerbsunfähig "im
Sinne des Gesetzes" ist.
Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der Kläger kann mit dem im einzelnen beschriebenen, seit der Antragstellung bestehenden Gesundheitszustand während der üblichen Zeit mit den üblichen Pausen alle leichten und mittelschweren Arbeiten ohne Einschränkung der Körperhaltung leisten. Traktorlenken ist nur während zwei Dritteln der Arbeitszeit möglich, wobei er diese Tätigkeit ununterbrochen jeweils 1 1/2 Stunden ausüben kann, dann aber während einer halben Stunde andere Arbeiten verrichten muß.
Die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes ist nicht eingeschränkt.
Der Kläger, seine Ehegattin, die wie er Hälfteeigentümer ist, und der Sohn, der einen rund 21 ha großen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb hat, bewirtschaften auf ihre Rechnung und Gefahr einen ausreichend mechanisierten, rund 40 ha großen landwirtschaftlichen Betrieb (Einheitswert von 771.300 S) im nordöstlichen Flach- und Hügelland (Niederösterreichs), der als Acker- und Weinbaubetrieb bezeichnet werden kann, in dem auch 18 Zuchtschweine gehalten und jährlich 350 Mastschweine gemästet werden. Diese werden händisch gefüttert. Die Ställe werden mechanisch entmistet. Fremdarbeitskräfte werden nur zur Weinlese aufgenommen. Zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Betriebes sind jährlich rund
4.550 Arbeitskraftstunden oder 2,3 Arbeitskräfte erforderlich. Von den anfallenden Arbeiten sind 5 % leicht, 70 % mittelschwer und 25 % schwer. Die Arbeitskraft des Klägers ist wegen der Einschränkung beim Traktorfahren und der Unfähigkeit, schwere Arbeiten zu verrichten, mit höchstens 50 % einer Vollarbeitskraft einzustufen. "Die Ehefrau des Klägers, welche keine schweren Arbeiten verrichten kann aufgrund eines Bandscheibenleidens, und der Kläger könne mit 'O,60 %' - gemeint 60 % - einer Vollarbeitskraft bewertet werden". Der Sohn kann wegen seiner Tätigkeit im eigenen Betrieb und des Arbeitsbedarfes im elterlichen Betrieb "mit 80 % einer Vollarbeitskraft angesehen werden". Zur Fortführung des Betriebs in der derzeitigen Organisation ist eine zusätzliche Fremdarbeitskraft erforderlich, "die aus dem Einkommen nicht bezahlt werden kann". Die Aufnahme einer Teilzeitfremdarbeitskraft ist nicht möglich, weil im Gebiet des Betriebes keine solchen Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, und weil in einem landwirtschaftlichen Betrieb der Arbeitsablauf derart wechselt, daß Schwerarbeiten immer wieder in unbestimmter Reihenfolge anfallen. Der Kläger kann wegen seines Gesundheitszustandes und seiner fachlichen Fähigkeiten keinen Fremdbetrieb führen. Das (mangels Betriebsbuchführung und betrieblicher Aufzeichnungen) mit Deckungsbeiträgen errechnete jährliche landwirtschaftliche Betriebseinkommen beträgt (bei einem Gesamtdeckungsbeitrag von 775.882 S abzüglich der Afa, Versicherung, Steuer, Pacht, anteilige Kosten, Erhaltung baulicher Anlagen und sonstige Kosten berücksichtigenden Fixkosten von 232.700 S) 543.182
S.
Unter diesen Umständen erachtete das Erstgericht den Kläger als erwerbsunfähig iS des § 124 Abs 2 BSVG.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinn ab.
Bei Anwendung der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 4/159 und 5/114) sei der Kläger noch nicht erwerbsunfähig iS des § 124 Abs 2 BSVG. Gehe man davon aus, daß der Kläger alle leichten und mittelschweren Arbeiten verrichten könne, lediglich 25 % schwere Arbeiten anfallen und der Sohn mit 80 % seiner vollen Arbeitskraft mitarbeite und nur Traktorfahrten zu übernehmen habe, die länger als eineinhalb Stunden in einem Zug durchgeführt werden müssen, so liege auf der Hand, daß der Betrieb durch einfache Umstrukturierung und Arbeitseinteilung wie bisher weitergeführt werden könne. Der Betrieb vertrage auch die Aufnahme einer Fremdarbeitskraft, weil dem Kläger und seiner Ehegattin monatlich etwa 17.000 S verblieben. Bestimmte Arbeitsspitzen könnten durch Fremdarbeitskräfte abgedeckt werden.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die nicht beantragte Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil durch Klagestattgebung abzuändern.
Die Revision ist - allerdings nur iS eines im Abänderungsantrag eingeschlossenen Aufhebungsantrages (zB EvBl 1955/188) - berechtigt.
Die von den Vorinstanzen zwar nicht ausdrücklich ausgesprochene, aber schlüssig zu entnehmende Rechtsansicht, daß der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht dauernd außerstande ist, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, und daher nicht als erwerbsunfähig iS des § 124 Abs 1 BSVG gilt, wird in der Revision nicht bestritten.
Es ist daher nur mehr zu prüfen, ob der Kläger, der das 55. Lebensjahr vollendet hat, aus gesundheitlichen Gründen dauernd außerstande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die er zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat. Dann würde er nämlich, wenn seine persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war, nach § 124 Abs 2 BSVG ebenfalls als erwerbsunfähig gelten.
Das Berufungsgericht hat sich zutreffend auf die Rechtsprechung des
erkennenden Senates, insbesondere SSV-NF 4/159 und 5/114, berufen.
Dazu sei bemerkt, daß die Leistungsfähigkeit des Klägers erheblich
besser ist als die des Klägers im der erstgenannten Entscheidung
zugrundeliegenden Verfahren, der nur mehr leichte und gelegentlich
mittelschwere Arbeiten vorwiegend in geschlossenen Räumen leisten
konnte, wobei seine Arbeitskraft lediglich mit 10 % einer
Vollarbeitskraft zu bewerten war. Der Einheitswert des Betriebes
des damaligen Klägers war etwa so hoch wie der Einheitswert des
Betriebes des nunmehrigen Klägers. Die beiden Betriebe haben ein
ungefähr gleiches Hektarausmaß, der Betrieb des damaligen Klägers
warf jedoch nur ein mit Deckungsbeträgen errechnetes
landwirtschaftliches Einkommen von 343.162 S ab, von dem nach Abzug
der Lohnkosten einer Fremdarbeitskraft dem Betriebsführer und seiner
Ehegattin zur Deckung des Lebensunterhaltes wenigstens 14.000 S
verlieben. Unter diesen Umständen war der erkennende Senat der
Ansicht, daß die volle Mitarbeit des damaligen Klägers
wirtschaftlich gesehen zur rentablen Aufrechterhaltung des Betriebes
nicht notwendig war.
Ob dies auch im vorliegenden Fall zutrifft, kann nach den bisherigen Feststellungen noch nicht verläßlich beurteilt werden, weil diese zum Teil nicht eindeutig, möglicherweise sogar widersprüchlich und zum Teil auch unvollständig sind.
Die Feststellung "Die Ehefrau des Klägers, welche keine schweren Arbeiten verrichten kann aufgrund eines Bandscheibenleidens, und der Kläger können mit 0,60 % einer Vollarbeitskraft bewertet werden" und die Feststellung "Die Arbeitskraft des Klägers kann aufgrund der Einschränkungen beim Traktorfahren und des Wegfalles von Schwerarbeiten mit höchstens 0,50 % einer Vollarbeitskraft eingestuft werden" stünden nur dann miteinander nicht im Widerspruch, wenn sie so zu verstehen wären, daß die Arbeitskraft des Klägers und seiner Ehegattin insgesamt nur mit 60 % einer Vollarbeitskraft einzustufen wären. In diesem Fall würde die Arbeitskraft der Ehegattin aber nur mit 10 % einer Vollarbeitskraft bewertet werden. Für eine derart niedrige Einschätzung böte aber das bisherige Verfahren keinen ausreichenden Anhaltspunkt. Sie könnte sich nämlich kaum auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen für Landwirtschaft ON 5 stützen, der dort auf S 10 ausführte: "Die Gattin des Klägers ist nach eigenen Angaben nicht in der Lage(,) schwere Arbeiten zu verrichten(,) weil sie ein Bandscheibenleiden hat. Auf Grund dieser Einschränkungen kann der Kläger und seine Gattin mit 0,60 einer Vollarbeitskraft bewertet werden." Wenn der Sachverständige in der mündlichen Ergänzung dieses Gutachtens in der Tagsatzung vom 8.10.1991 ON 7 AS 46 ausführte, die Arbeitskraft des Klägers könne mit höchstens 0,4 "%" einer Vollarbeitskraft eingestuft werden, weil er nicht mehr kontinuierlich Traktorfahren könne und immer wieder Pausen erforderlich seien, müßte man doch möglicherweise annehmen, daß die Arbeitskraft der Ehegattin, die diesbezüglich nicht eingeschränkt erscheint, aber wie der Kläger leichte und mittelschwere Arbeiten verrichten können soll, weniger eingeschränkt wäre, nämlich nur auf 0,6 einer Vollarbeitskraft.
Ohne diese Klarstellungen kann nicht beurteilt werden, welcher Teil der im Betrieb anfallenden Arbeiten durch den Kläger bewältigt werden kann, und für welchen Teil eine fremde Arbeitskraft herangezogen werden muß.
In diesem Zusammenhang ist auch genau festzustellen, wie hoch die Kosten der teilweisen Beschäftigung des Sohnes im elterlichen Betrieb und die Kosten einer fremden Arbeitskraft sind, wobei auch die auf den Arbeitgeber entfallenden Anteile an den Sozialversicherungsbeiträgen zu berücksichtigen sind.
Weiters ist zu klären, welche Sozialversicherungsbeiträge der Kläger
für die Pflichtversicherung nach dem BSVG zu leisten hat, weil auch
diese das landwirtschaftliche Einkommen vermindern. Ob diese Beiträge
in den im schriftlichen Gutachten des Sachverständigen für
Landwirtschaft veranschlagten Fixkosten bereits berücksichtigt
wurden, ist - wie in der Revision zutreffend ausgeführt wird, nicht
deutlich zu erkennen. Der drittletzte Absatz auf S 11 dieses
Gutachtens (AS 37) "Nach Abzug der Lebenshaltungskosten bleibt ein zu
geringer Betrag (,), um die Lebenshaltungskosten bestreiten zu
können" erscheint daher aufklärungsbedürftig. Es bedarf daher
eindeutiger Feststellungen über das dem Kläger für sich und seine
Ehegattin verbleibende landwirtschaftliche Nettoeinkommen.
Deshalb waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und war die Sozialrechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten der Revision beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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