OGH 10ObS217/92

OGH10ObS217/9224.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Edeltraud Haselmann und Robert Letz aus dem Kreis der Arbeitgeber in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria P*****, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr.Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Mai 1992, GZ 8 Rs 128/91-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 18.September 1991, GZ 31 Cgs 137/91-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Oberste Gerichtshof stellt beim Verfassungsgerichtshof nach Art 89 Abs 2 B-VG den

A n t r a g ,

§ 140 Abs 7 BSVG idF der 14. und 15.BSVGNov nach § 140 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Sachverhalt:

Die Klägerin bezieht von der beklagten Sozialversicherungsanstalt der Bauern seit 1.2.1991 eine Witwenpension. Mit Bescheid vom 28.5.1991 wurde ihr von der beklagten Partei zu dieser Pension in der damaligen Höhe von 1.862,70 S monatlich eine Ausgleichszulage von 3.009,30 S gewährt, wobei aufgrund des § 140 Abs 7 BSVG unter anderem ein Pauschalbetrag deshalb angerechnet wurde, weil ihr als gesetzlicher Erbin nach ihrem verstorbenen Ehemann ein Drittelanteil an einer diesem zugeschriebenen Liegenschaftshälfte zugestanden wäre, sie aber die Erbschaft nicht angetreten habe, weshalb es ihrem Sohn als gesetzlichen Erbe zugekommen sei. Sie habe hiedurch eine Verfügung im Sinn des § 140 Abs 7 BSVG durch Überlassung ihres Anteils an ihren Sohn getroffen.

Das Erstgericht erkannte unter Abweisung des Klagemehrbegehrens der Klägerin ab 1.2.1991 nur die ihr schon im Bescheid der beklagten Partei zuerkannte Ausgleichszulage von 3.009,30 S monatlich zu. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge Berufung der Klägerin dahin ab, daß es die ihr ab 1.2.1991 gebührende Ausgleichszulage mit 3.281,30 S bestimmte. Während das Erstgericht der Meinung war, die Klägerin habe dadurch, daß sie sich ihres Erbrechts entschlug, im Sinn des § 140 Abs 7 BSVG einen landwirtschaftlichen Betrieb aufgegeben, weshalb sie sich nach dieser Bestimmung ein monatliches Einkommen auf den Anspruch auf Ausgleichszulage anrechnen lassen müsse, vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß die Entschlagung der Erbschaft keinem der im § 140 Abs 7 BSVG aufgezählten Vorgänge zu unterstellen sei und sich der Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage daher nicht nach dieser Bestimmung verringere.

2. Zur Präjudizialität:

Die beklagte Partei hat gegen das Urteil des Berufungsgerichtes fristgerecht Revision erhoben. Aufgrund dieser Revision hat der Oberste Gerichtshof darüber zu entscheiden, ob das Verhalten der Klägerin einem der im § 140 Abs 7 BSVG in der hier maßgebenden Fassung der 14. und 15.BSVGNov angeführten Vorgänge zu unterstellen ist, die zur Folge haben, daß ein bestimmter Pauschalbetrag als monatliches Einkommen des Pensionsberechtigten gilt und bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage daher zu berücksichtigen ist. Er hat also die angeführte Bestimmung anzuwenden.

3. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken:

Das österreichische Pensionsversicherungssystem soll dem Versicherten im Alter und bei Minderung der Arbeitsfähigkeit eine Leistung sichern, die sich am Lebensstandard vor der Pensionierung orientiert. Am deutlichsten wird das Ineinandergreifen der versicherungsmäßigen und der sozialen Komponente der Pensionsversicherung, wenn die versichungsmäßig ermittelte Pensionsleistung nicht mehr ausreicht, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Dies kann bei sehr niedriger Bemessungsgrundlage und/oder kurzer Versicherungsdauer eintreten. Eine Lösungsmöglichkeit wäre eine gesetzlich festgelegte Mindestpension. Das System der Mindestpension, das in der österreichischen Sozialversicherung vor dem Inkrafttreten des ASVG in Geltung stand, erwies sich aber nicht nur wegen seines Widerspruchs zum Versicherungsprinzip, sondern auch wegen seiner relativen Unbeweglichkeit gegenüber den Erfordernissen des Einzelfalles als nicht befriedigend. Es wurde daher mit dem Inkrafttreten des ASVG durch ein System abgelöst, das bedürftigen Versicherten neben der versicherungsmäßig ermittelten Pension eine Ausgleichszulage gewährte, die seither die Alimentationsfunktion übernimmt. Die Ausgleichszulage errechnet sich als Differenz zwischen dem gesamten zu berücksichtigenden Einkommen (Pensions- und sonstiges Einkommen) des Berechtigten und dem vom Gesetzgeber in einem Schillingbetrag fixierten Richtsatz. Dieser Ausgleichszulagenrichtsatz legt gleichsam das Existenzminimum für den Bereich der Sozialversicherung fest. Die Ausgleichszulage ist keine Versicherungsleistung im engeren Sinne, sondern eine Leistung mit Fürsorge(Sozialhilfe)charaker (Binder in ZAS 1981, 89; Prähauser in ZAS 1971, 05; Teschner in Tomandl SV-System 5.ErgLfg 413 f mwN; so auch etwa die Materialien zur

14. BSVGNov 1102 BlgNR 17.GP, 7).

Das landwirtschftliche Zuschußrentenversicherungsgesetz - LZVG - BGBl 1957/293 verzichtete allerdings auf die Einführung von Ausgleichszulagen in der landwirtschaftlichen Zuschußrentenversicherung nach dem Vorbild der §§ 292 ff ASVG bzw der §§ 89 ff GSPVG. In den Gesetzesmaterialien wurde dies damit begründet, daß es sich bei den Rentenleistungen in der landwirtschaftlichen Zuschußrentenversicherung nur um Zuschüsse zu den in der Landwirtschaft üblichen Ausgedingsleistungen handelt und der Wert des Ausgedinges zuzüglich der Zuschüsse die Beträge der Richtsätze für die Ausgleichszulage im allgemeinen erreichen oder übersteigen werden (344 BlgNR 8.GP 40).

Erst die Einführung einer vollwertigen Pensionsversicherung für die selbständig Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft durch das B-PVG BGBl 1970/28 brachte es mit sich, daß die Einrichtung der Ausgleichszulage, wie sie im ASVG und GSPVG bereits bestand, grundsätzlich auch in das B-PVG übernommen werden sollte. Um die Einheitlichkeit des Ausgleichszulagenrichtsatzes zu wahren, wurden die einschlägigen Bestimmungen des ASVG bzw GSPVG übernommen. Eine Besonderheit stellte jedoch die Bestimmung des § 85 Abs 3 B-PVG dar, wozu die Gesetzesmaterialien (1411 BlgNR 11.GP 57) folgendes ausführten:

"Eine Besonderheit, auf die bei der Regelung des Ausgleichszulagenrechtes im Bereich der Pensionsversicherung der Bauern Bedacht genommen werden mußte, stellt die Einrichtung des Ausgedinges dar. In der Land- und Forstwirtschaft ist noch immer die Gepflogenheit weit verbreitet, daß der Übergeber eines Betriebes vom Betriebsnachfolger ein Ausgedinge erhält, das ihm für seinen Lebensabend Wohnung und Verpflegung sichert. Die üblichen Ausgedingsleistungen sollen im Ausgleichszulagenrecht ohne Rücksicht darauf, ob und in welchem Umfang solche Leistungen im Einzelfall tatsächlich empfangen werden, bei der Ermittlung des Gesamteinkommens durch Hinzurechnung eines Pauschalbetrages berücksichtigt werden.

...... Da sich die Höhe der Ausgedingsleistungen im allgemeinen nach

der Ertragsfähigkeit des übergebenen Betriebes richtet, erscheint es

gerechtfertigt, auch bei der Bewertung von Ausgedingsleistungen den

Einheitswert als Maßstab heranzuziehen. ..... Bei der Abfassung der

Bestimmung des § 85 Abs 3 war auch darauf Bedacht zu nehmen, daß eine Umgehung dieser Bestimmung nach Möglichkeit ausgeschlossen wird. Insbesondere mußte dafür gesorgt werden, daß die Hinzurechnung des Pauschalbetrages zum Einkommen des Pensionsberechtigten auch dann erfolgt, wenn der Betrieb nach Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit nicht übergeben, sondern lediglich verpachtet oder gegen einen bestimmten Betrag verkauft wird. .....".

Diese ursprünglich nur für die Pensionsversicherung der Bauern gedachte Pauschalierung von Ausgedingsleistungen ohne Rücksicht auf deren tatsächliche Erbringung wurde erst durch die 29.ASVGNov und die

21. GSPVGNov (BGBl 1973/31 und 32) allgemein eingeführt. § 85 Abs 8 B-PVG entsprach nun wörtlich dem § 292 Abs 8 ASVG und dem § 89 Abs 8 GSVG. Die Gesetzesmaterialien zur 29.ASVGNov (404 BlgNR 13.GP 110) führten dazu aus:

"Abs 8 sieht eine Pauschalanrechnung von Ausgedingsleistungen vor. Die Notwendigkeit der Schaffung eines einheitlichen Ausgleichszulagenrechtes in allen Pensionsversicherungsgesetzen bedingt auch die Einführung einer schon im Bauernpensionsversicherungsgesetz bestehenden Regelung über die Pauschalanrechnung von Ausgedingsleistungen im ASVG und GSPVG. Eine solche einheitliche Regelung ist vor allem deshalb erforderlich, weil es ansonsten in Wanderversicherungsfällen bei Vorliegen ähnlicher tatsächlicher Verhältnisse zu unterschiedlichen Ansprüchen auf Ausgedingsleistungen käme, je nachdem, ob die Pensionsversicherungsanstalt der Bauern oder ein anderer Pensionsversicherungsträger leistungszuständig ist. Nicht zuletzt wird aber eine einheitliche Regelung der Pauschalanrechnung des Ausgedinges durch die Schaffung des 'Familienrichtsatzes' zur Notwendigkeit. .....".

Die nunmehr geltende Fassung der hier anzuwendenden Bestimmung des § 140 Abs 7 BSVG geht auf die 14. und 15.Nov zum BSVG (BGBl 1989/644 und 1990/296) zurück. Die durch die 15.Nov rückwirkend mit 1.1.1990 vorgenommene Änderung des § 140 Abs 7 (Satz 3) BSVG (Art IV Abs 2 Z 2 der 15.Nov) sollte lediglich der Klarstellung offener Zweifel hinsichtlich der Bezieher von Waisenpensionen dienen (1279 BlgNR. 17. GP 13), brachte aber sonst inhaltlich keine Änderungen. In den Materialien zur 14.BSVG-Nov wird betont, daß die Ausgleichszulage zu einer Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung sich ihrem Wesen nach als eine Leistung der Sozialhilfe darstelle und daß im Bereich des bäuerlichen Ausgleichszulagenrechtes als Sonderregelung gelte, daß die aus der Aufgabe (Übergabe) eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes üblicherweise gewährten Leistungen pauschal zu berücksichtigen seien. Dies beruhe einerseits auf der Überlegung, daß es dem Eigentümer eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes zugemutet werden könne, seinen Betrieb so zu verwerten, daß er einen Teil seines Lebensunterhaltes auch nach Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit selbst zu bestreiten in der Lage ist. Andererseits wurde eine genaue ziffernmäßige Ermittlung der in Güterform aus dem übergebenen Betrieb tatsächlich empfangenen bzw erzielbaren Naturalleistungen im Hinblick auf die große Zahl der Ausgleichszulagenbezieher als praktisch ausgeschlossen angesehen. Eine Berücksichtigung lediglich der tatsächlich bezogenen Ausgedingsleistungen hätte zur Folge, daß derartige Leistungen nicht mehr gewährt würden und die Übernehmer land(forst)wirtschaftlicher Betriebe ihren tradtionellen Verpflichtungen zur Versorgung der Betriebsübergeber nicht mehr nachkämen. Dies gelte nicht in jenen Fällen, in denen aus Gründen, die der Einflußsphäre des Betriebsinhabers entzogen seien, die Leistung eines Ausgedinges nicht erbracht werden könne und demnach der faktischen Anrechnung des Ausgedinges keine tatsächlich empfangenen Naturalleistungen gegenüberstünden. In jenen Fällen, in denen aus Gründen, die der Einflußnahme des Ausgleichszulagenwerbers entzogen seien, die Erbringung von Ausgleichsleistungen unmöglich (geworden) sei, solle eine Pauschalanrechnung überhaupt unterbleiben (1102 BlgNR 17.GP 7 f).

Auch bei der Übergabe einer land(forst)wirtschaftlichen Fläche ist zunächst zu prüfen, ob es sich um eine ertragreiche Fläche handelt; für die übergebene Fläche muß daher ein Einheitswert festgestellt sein (SSV-NF 4/145). Auch nach Meinung der bisherigen Judikatur ist es nicht erforderlich, daß Ausgedingsleistungen auch tatsächlich ausbedungen wurden; es soll schon die Möglichkeit, ein Ausgedinge zu vereinbaren, genügen (vgl SSV-NF 4/44, 4/145). Die Anrechnung von Ausgedingsleistungen unabhängig von einer entsprechenden Vereinbarung soll nunmehr lediglich durch § 292 Abs 9 ASVG, § 149 Abs 8 GSVG und § 140 Abs 8 BSVG gemildert werden.

Gegen eine Pauschalanrechnung von Einkünften aus der Übergabe land- und forstwirtschaftlicher Betriebe unabhängig von der Vereinbarung eines Ausgedinges bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebotes des Art 7 B-VG. Die oben dargestellten Bestimmungen über die Ausgleichszulage führen nämlich zu einer Ungleichbehandlung der Pensionisten, wie im folgenden dargelegt werden soll.

Gemäß § 140 Abs 1 BSVG (§ 292 Abs 1 ASVG) hat der Pensionsberechtigte, solange er sich im Inland aufhält, Anspruch auf Ausgleichszulage zu seiner Pension, wenn die Pension zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 142 BSVG (§ 294 ASVG) zu berücksichtigenden Beträge (das sind die Unterhaltsansprüche) nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes erreicht. Gemäß § 140 Abs 3 BSVG (§ 292 Abs 3 ASVG) ist Nettoeinkommen im Sinne der Abs 1 und 2, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, die Summe sämtlicher Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Ausgleich mit Verlusten und vermindert um die gesetzlich geregelten Abzüge. Für die Bewertung der Sachbezüge gilt, soweit nicht § 140 Abs 7 BSVG (§ 292 Abs 8 ASVG) anzuwenden ist, die Bewertung für Zwecke der Lohnsteuer mit der Maßgabe, daß als Wert der vollen freien Station der Betrag von 2.040 S heranzuziehen ist; an die Stelle dieses Betrages tritt am 1. Jänner eines jeden Jahres erstmals ab 1.Jänner 1987 der unter Bedachtnahme auf § 47 BSVG (§ 108i ASVG) mit dem Anpassungsfaktor vervielfachte Betrag. Im § 140 Abs 4 BSVG (§ 292 Abs 4 ASVG) sind eine Reihe von Ausnahmen von der Anrechnung als Einkünfte aufgezählt, und § 140 Abs 5 und 6 BSVG (§ 292 Abs 5 und 7 ASVG) regeln die Ermittlung des Nettoeinkommens aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb. In allen bisher aufgezählten Bestimmungen wird daher ausschließlich das Nettoeinkommen, seien es Barbezüge oder Sachbezüge, berücksichtigt, nicht aber sonstiges Vermögen. Der Pensionist ist daher nicht verpflichtet, Vermögenswerte zu versilbern oder sein Kapital fruchtbringend anzulegen. Nur die tatsächlich bezogenen Einkünfte vermindern seinen Anspruch auf Ausgleichszulage. Hat er dagegen ein noch so großes Vermögen, das keine Einkünfte abwirft, oder einen Betrieb, der keinen steuerlichen Gewinn erzielt, ja sogar Bargeld in beträchtlicher Höhe, das er nicht fruchtbringend verwertet, so mindert dies seit der 1.Nov zum ASVG BGBl 1956/266 seinen Anspruch auf Ausgleichszulage in keiner Weise (vgl dazu ausführlich Binder, Probleme der pensionsversicherungsrechtlichen Ausgleichszulage, ZAS 1981, 89 ff). Bis zur 1.ASVGNov war dagegen das Gesamteinkommen des Rentenberechtigten nach den bei Bemessung einer Fürsorgeunterstützung anzuwendenden Vorschriften zu berechnen (vgl § 292 Abs 2 des Stammgesetzes). Mit der 1.ASVGNov ging der Gesetzgeber ohne nähere Begründung von der fürsorgerechtlichen Verankerung des Begriffs des Gesamteinkommens ab und schuf nunmehr einen davon unabhängigen Einkommensbegriff (vgl dazu Prähauser aaO und Reiger in ZAS 1967, 55; jüngst Schrammel, Probleme der Ausgleichszulage, ZAS 1992, 9 f), der später auch in die anderen Sozialversicherungsgesetze, darunter in das B-PVG und das BSVG übernommen wurde. Dieser Grundsatz, das Vermögen, wenn es nicht so eingesetzt wird, daß es tatsächlich Einkünfte abwirft, auf den Anspruch auf Ausgleichszulage keinen Einfluß hat, gilt jedoch für den Bereich der land(forst)wirtschaftlichen Flächen nicht. Wurde nämlich die Bewirtschaftung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes aufgegeben, der Betrieb übergeben, verpachtet oder auf andere Weise jemandem zur Bewirtschaftung überlassen, so ist bei Ermittlung des Einkommens des bisherigen Eigentümers (des Verpächters) ohne Rücksicht auf Art und Ausmaß der ausbedungenen Leistungen vom Einheitswert der übergebenen, verpachteten oder zur Bewirtschaftung übelassenen land(forst)wirtschaftlichen Flächen auszugehen, sofern die Übergabe (Verpachtung, Überlassung) nicht mehr als zehn Jahre, gerechnet vom Stichtag, zurückliegt. Bei einer Übergabe (Verpachtung, Überlassung) vor dem Stichtag ist vom durchschnittlichen Einheitswert, in allen übrigen Fällen von dem auf die übergebenen Flächen entfallenden Einheitswert im Zeitpunkt der Übergabe (Verpachtung, Überlassung) auszugehen. Als monatliches Einkommen gilt für Personen, die mit dem Ehegatten (der Ehegattin) im gemeinsamen Haushalt leben, bei einem Einheitswert von 77.000 S und darüber sowie bei alleinstehenden Personen bei einem Einheitswert von 54.000 S und darüber ein Betrag von 35 vH des Richtsatzes und zwar 1. für alleinstehende Personen und für Pensionsberechtigte auf Witwen(Witwer)pension bzw auf Waisenpesnion des Richtsatzes nach § 141 Abs 1 lit a sublit bb BSVG (§ 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG), 2. für alle übrigen Personen des Richtsatzes nach § 141 Abs 1 lit a sublit aa BSVG (§ 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG) gerundet auf volle Schilling. Diese Beträge vermindern sich für Einheitswerte unter 77.000 S und 54.000 S im Verhältnis des maßgeblichen Einheitswertes zu den genannten Einheitswerten gerundet auf volle Schilling. § 140 Abs 6 BSVG (§ 292 Abs 7 ASVG) ist entsprechend anzuwenden.

Wie bereits oben dargelegt, wurde die Pauschalanrechnung bei land(forst)wirtschaftlich genutzten Flächen in den Materialien damit begründet, daß in der Land- und Forstwirtschaft noch immer die Gepflogenheit weit verbreitet ist, daß der Übergeber eines Betriebes vom Betriebsnachfolger ein Ausgedinge erhält, das ihm für seinen Lebensabend Wohnung und Verpflegung sichert. Den Eigentümern land(forst)wirtschaftlicher Betriebe könne zugemutet werden, je nach Größe und Ertragslage der Grundstücke dafür zu sorgen, daß sie auch nach Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit einen Teil ihres Lebensunterhaltes selbst bestreiten können. Es sei zwar im Wesen der Pauschalierung begründet, daß in Einzelfällen Härten auftreten. Eine gesetzliche Regelung, die vorsehe, daß im Bereich der Sozialversicherung nur tatsächlich empfangene Ausgedingsleistungen als Einkommen berücksichtigt werden, hätte aber zweifellos zur Folge, daß die im weiten Umfang auch derzeit noch üblichen Ausgedingsleistungen entfallen oder zumindest nicht mehr vereinbart würden, weil es nunmehr die Übernehmer von Betrieben in der Hand hätten, ihre traditionellen Verpflichtungen gegenüber den Übergebern auf die bäuerliche Riskengemeinschaft und im Wege über den Bundesbeitrag auf die Allgemeinheit zu überwälzen (vgl 404 BlgNR

13. GP 110 f; 406 BlgNR 13.GP 16).

Damit hat aber der Gesetzgeber eine bestimmte Bevölkerungsgruppe anders als alle andern Pensionisten gezwungen, ihr Vermögen fruchtbringend zu verwerten. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, daß ausschließlich bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse bei Aufgabe des Betriebes in Form der Pauschalanrechnung angenommene Einkünfte aus der Übergabe bei Berechnung der Ausgleichszulage berücksichtigt werden, ist nicht ersichtlich. Die bloße Tatsache, daß es in bäuerlichen Kreisen üblich ist, sich bei der Übergabe vom Übernehmer (aber ohne jede rechtliche Verpflichtung) Ausgedingsleistungen auszubedingen, kann keine Rechtfertigung für eine Pauschalanrechnung und damit den Zwang zur fruchtbringenden Verwertung des Vermögens darstellen. Denn es ist kein sachlicher Grund dafür einzusehen, zwar Landwirte, nicht aber etwa Inhaber eines Gewerbebetriebes oder eines sonstigen Vermögens zu einer solchen Handlungsweise zu zwingen. Während etwa ein Gewerbetreibender seinen Betrieb ohne Gegenleistung übergeben oder verschenken sowie veräußern kann, ohne daß ihm hiebei Beträge auf die Ausgleichszulage angerechnet werden, ist dies bei land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken regelmäßig der Fall. Dies kann auch nicht mit Besonderheiten der Bauernpension gerechtfertigt werden. Abgesehen davon, daß es sich bei den Pensionen nach dem BSVG - anders als bei der Zuschußrente nach dem LZVG - um echte Pensionen handelt, enthalten sowohl das ASVG als auch das GSVG völlig gleichlautende Bestimmungen über die Pauschalanrechnung, obwohl die dortigen Pensionisten keine überwiegend in der Landwirtschaft tätigen Personen sind. Diese Ungleichbehandlung von Pensionsbeziehern macht aber die Regelung des § 140 Abs 7 GSVG (§ 292 Abs 8 ASVG, § 140 Abs 7 BSVG) aus dem Gleichheitsgebot des Art 7 B-VG verfassungsrechtlich bedenklich. Insoweit hält der erkennende Senat seine in der Entscheidung SSV-NF 3/94 vertretene gegenteilige Ansicht nicht aufrecht.

In jüngster Zeit hat auch Schrammel (Probleme der Ausgleichszulage, ZAS 1992, 9 [17]) erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Pauschalanrechnung von Einkünften aus der Übergabe land- und forstwirtschaftlicher Betriebe unabhängig von der Vereinbarung eines Ausgedinges angemeldet, weil offenbar Gleiches ungleich behandelt werde. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, warum nur in der Land- und Forstwirtschaft das alte "Fürsorgedenken" wiederbelebt werden solle. Die Tradition und die Befürchtung, sie werde nicht fortgeführt, scheine als Begründung für die unterschiedliche Behandlung von Einkünten aus Anlaß einer Betriebsübergabe etwas dünn zu sein. Die Absicht des Gesetzgebers zu verwirklichen, hieße daher in Wahrheit, das Gesetz mit Verfassungswidrigkeiten zu belasten. Der Verfassungsgerichtshof habe zwar in seinem Erkenntnis zum KOVG die Meinung vertreten, es sei nicht unsachlich, bei der Bewertung von Ausgedingsleistungen am Einheitswert anzuknüpfen, im Anlaßfall sei allerdings ein Ausgedinge tatsächlich vereinbart worden (VfSlg 5882). Wenn die Materialien zur 14.BSVGNov auf dieses Erkenntnis verwiesen, so könne daraus nur abgeleitet werden, daß es nicht unsachlich sei, die ziffernmäßige Ermittlung der Einkünfte durch Festlegung von Pauschalbeträgen zu erleichtern, wenn ein Ausgedinge vereinbart worden sei. Nur bei dieser Sicht ließen sich im übrigen Widersprüche mit der Behandlung von Unterhaltsansprüchen vermeiden. Die pauschale Anrechnung von Unterhaltsansprüchen gemäß § 294 ASVG beziehe sich nur auf gesetzliche Unterhaltsansprüche. Wenn gesetzliche Unterhaltsansprüche unabhängig davon angerechnet würden, ob sie tatsächlich erbracht werden, so könne immer noch argumentiert werden, daß ja zumindest eine Grundlage für die Zahlung von Unterhalt bestehe. Vertragliche Unterhaltsansprüche seien demgegenüber von einer Pauschalanrechnung ausgenommen (SSV-NF 2/15). Bestehe kein Unterhaltsvertrag, dann finde auch keine Anrechnung statt. Dies müsse auch für Ausgedingsleistungen aus der Übergabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gelten, weil kein sachlicher Grund ersichtlich sei, warum allein in diesem Fall schon die bloße Möglichkeit, Einkünfte zu erzielen, als "Einkunft" angerechnet wird.

Die von Schrammel aaO weiters in Erwägung gezogene verfassungskonforme Auslegung der hier in Rede stehenden Bestimmungen scheitert aber nicht nur an den ausführlich dargelegten Gesetzesmaterialien, sondern auch am Wortlaut der Bestimmungen ("ohne Rücksicht auf Art und Ausmaß der ausbedungenen Leistungen"). Es wäre darüber hinaus wiederum verfassungsrechtlich bedenklich, ausgerechnet bei land(forst)wirtschaftlichen Betrieben die Pauschalanrechnung vorzunehmen, wenn auch nur ein geringfügiges laufendes Ausgedinge vereinbart würde, nicht aber, wenn es an einer solchen Vereinbarung fehlte oder ein Verkauf gegen einen einmaligen, vielleicht auch sehr hohen Kaufpreis erfolgte. Es besteht kein sachlicher Grund, etwa im Falle eines Verkaufes den Pensionisten, der den Kaufpreis nicht fruchtbringend anlegt, sondern ihn laufend als Zuschuß zu seiner Pension verbraucht, ausgleichszulagenrechtlich besser zu stellen als den Pensionisten, der eine - wenn auch vielleicht ganz geringe - laufende Leistung (etwa ein geringfügiges Wohnrecht) erhält.

Schließlich ist aber auch die seit der 14.BSVGNov bestehende Regelung über die Höhe der Pauschalanrechnung unter dem Gesichtspunkt der Gleichheitswidrigkeit bedenklich. Während nämlich ab einem Einheitswert von 77.000 S bzw 54.000 S ein Betrag von 35 vH des Richtsatzes als Einkommen angerechnet wird, vermindert sich diese Anrechnung für Einheitswerte unter den genannten Beträgen im Verhältnis des tatsächlichen Einheitswertes zu den obigen Grenzen. Da in der Land(Forst)wirtschaft durchaus häufig Einheitswerte von mehreren 100.000 S vorkommen, erscheint es sachlich nicht gerechtfertigt, über den Einheitswerten von 77.000 S bzw 54.000 S keine Abstufungen vorzunehmen. Die Begründung in den Materialien (1102 BlgNR 17.GP 8), es solle sichergestellt werden, daß als geldwerter Vorteil höchstens jener Betrag heranzuziehen sei, der nach den Regeln des Einkommensteuergesetzes als geldwerter Vorteil für die volle freie Station festgesetzt sei, überzeugt nicht.

Den oben dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken kann auch nicht entgegengehalten werden, die Pension für die Bauern sei von vorherein so konzipiert gewesen, daß der Lebensunterhalt in den Fällen des Alters oder der Erwerbsunfähigkeit einerseits durch Sozialversicherungsleistungen, andererseits durch Ausgedingsleistungen sicherzustellen gewesen wäre (vgl 344 BlgNR 8.GP 40), sodaß der Wegfall der Berücksichtigung von Ausgedingsleistungen von den Versicherungsträgern finanziell nicht verkraftet werden könnte und zu einer für die Landwirtschaft nicht tragbaren Beitragserhöhung führen müßte. Von Anfang an war nämlich die Ausgleichszulage von den Ländern zu ersetzen (§ 299 ASVG, § 156 GSVG, § 147 BSVG bzw die vorher in Geltung stehenden Gesetze), niemals aber aus Mitteln der Sozialversicherungsträger, was sich schon aus dem bereits erwähnten Sozialhilfecharakter der Ausgleichszulage erklärt. Daß ab dem Finanzausgleichsgesetz 1959, BGBl Nr 97, die nach den genannten Bestimmungen den Ländern, Bezirksfürsorgeverbänden und Gemeinden auferlegte Kostentragung vom Bund übernommen wurde (zuletzt für die Jahre 1989 bis 1992 durch § 2 Finanzausgleichsgesetz 1989, BGBl 1988/687), änderte daran nichts Grundsätzliches, weil die Bestimmungen der §§ 299 ASVG, 156 GSVG und 147 BSVG immer nur für die Geltungsdauer der jeweiligen Finanzausgleichsgesetze inhaltlich derogiert, jedoch nie aufgehoben wurden. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern wäre daher durch eine Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen finanziell nicht belastet, so daß auch eine in der Landwirtschaft vielleicht nur schwer verkraftbare Beitragserhöhung nicht notwendig wäre. Für die Pensionen nach dem ASVG und dem GSVG könnte aber das Argument von den zwei Säulen, auf denen die Sicherung des Lebensunterhaltes des Pensionisten beruhen soll, überhaupt nicht herangezogen werden.

Der Oberste Gerichtshof hat wegen dieser Bedenken bereits mit mehreren Beschlüssen (10 Ob S 298/91, 10 Ob S 374/91, 10 Ob S 84/92 ua) beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung ua des § 140 Abs 7 BSVG beantragt.

Da diese gewichtigen Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der auch im vorliegenden Fall anzuwendenden gesetzlichen Regelung weiterbestehen, hält es der Oberste Gerichtshof auch hier für geboten, dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit zu einer Gesetzesprüfung zu geben. Unter Bedachtnahme auf die bereits erwähnte Rückwirkung der Novellierung des § 140 Abs 7 Satz 3 BSVG durch die 15. Nov erübrigte sich eine Antragstellung dahin, daß ausgesprochen werde, § 140 Abs 7 Satz 3 BSVG in der Fassung der 14.Nov sei verfassungswidrig gewesen (Art 89 Abs 3 und 140 Abs 4 B-VG), weil auf den vorliegenden Fall diese Bestimmung in der Fassung der 14.Novelle nicht anzuwenden wäre.

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