OGH 13Os113/92

OGH13Os113/9221.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Oktober 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schützenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl M* und Manuela M*, wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SGG sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Manuela M* gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 4. August 1992, GZ 20 Vr 753/92‑27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:0130OS00113.9200006.1021.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Angeklagte Manuela M* des Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SGG (I/3 und 4) sowie des Vergehens nach dem § 16 Abs 1 SGG (II/2) schuldig erkannt und zu 12 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, wovon ein Teil von 8 Monaten bedingt nachgesehen wurde.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Manuela M* (zu I) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge aus der Schweiz aus‑ und nach Österreich eingeführt, und zwar (zu 3) im Feber 1992 50 Gramm Kokain; (zu 4) im März 1992 gemeinsam mit (dem zugleich rechtskräftig abgeurteilten) Karl M* 20 Gramm Kokain; (zu II/2) in Österreich, der Schweiz und in Amsterdam außer den Fällen der §§ 12 und 14 a SGG den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift erworben und besessen, indem sie im Feber 1992 Kokain konsumierte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z 1 a, 5, 5 a, 9 lit a, 9 lit b, 9 lit c, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO; den Strafausspruch ficht sie mit Berufung an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht gerechtfertigt.

Der zunächst bezeichnete Nichtigkeitsgrund (Z 1 a) liegt nur dann vor, wenn der Angeklagte nicht während der ganzen Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten war, obwohl dies zwingend vorgeschrieben ist. Die Angeklagte war unbestrittenermaßen während der ganzen Hauptverhandlung durch Rechtsanwalt Dr. Weh vertreten. Daß diesem, der zunächst nur für den Mitangeklagten Karl M* eingeschritten war (ON 25), seitens der Beschwerdeführerin erst zu Beginn der Hauptverhandlung Vollmacht erteilt worden ist (S 174) ‑ ersichtlich deshalb, weil der für sie bestellte Verfahrenshelfer in der irrigen Annahme, daß Dr. Weh beide Angeklagten vertritt, zur Hauptverhandlung nicht erschienen war (S 173) ‑ und daß Dr. Weh daher allenfalls nicht genügend Zeit zur Vorbereitung speziell ihrer Verteidigung zur Verfügung gestanden wäre, vermag diesen Nichtigkeitsgrund nicht zu bewirken.

Dazu sei noch der Vollständigkeit halber angemerkt, daß mit diesem Einwand auch nicht etwa ‑ der Sache nach ‑ der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 3 StPO dargetan wird, weil eine Verkürzung der Vorbereitungsfrist im Sinne des § 221 Abs 1 StPO nur dann Nichtigkeit des Urteils bewirkt, wenn davon der Angeklagte selbst betroffen ist (Mayerhofer‑Rieder StPO3 ENr 8, 9, 10, 35 zu § 221). In Ansehung des Verteidigers könnte eine derartige Beeinträchtigung nur unter den Voraussetzungen des § 281 Abs 1 Z 4 StPO geltend gemacht werden (vgl aaO ENr 38).

Von einer Undeutlichkeit, Unvollständigkeit oder Widersprüchlichkeit des erstinstanzlichen Ausspruchs über die entscheidende Tatsache, welche Suchtgiftmenge die Angeklagte nach Österreich eingeschmuggelt hat, kann keine Rede sein. Im Urteil wird keineswegs nur ‑ undeutlich ‑ ausgeführt, daß Karl M* seine damalige Ehegattin Manuela M* „hin und wieder“ gebeten hat, Kokain hoher Qualität nach Vorarlberg zu schmuggeln, sondern eindeutig konstatiert, daß er sie im Feber 1992 „hinwieder“ bat, 50 Gramm Kokain hoher Qualität (70 % Reingehalt) aus der Schweiz nach Österreich zu transportieren, was von Manuela M* auch erfolgreich durchgeführt worden ist (US 6; Faktum I/3). Desgleichen ist zu Faktum I/4 die Suchtgiftmenge mit 20 Gramm Kokain präzisiert und dessen hohe Qualität auf Grund des Geständnisses des Karl M* festgestellt (US 7 iVm S 65). Der Einwand, es seien über die tatsächliche Menge des von der Angeklagten eingeschmuggelten Suchtgiftes keinerlei Feststellungen getroffen worden, ist daher unberechtigt.

Feststellungen über die „Hintergründe dieser Transporte“, worunter die Beschwerdeführerin ‑ wie aus ihrem Folgevorbringen erhellt ‑ eine Auseinandersetzung mit ihrer Behauptung versteht, daß sie die Tat unter der Einwirkung des Mitangeklagten Karl M* und der abgesondert verfolgten Vera S* sowie aus Furcht vor den Genannten verübt habe, können im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde nicht reklamiert werden, weil solche Umstände nicht für die Schuldfrage oder den anzuwendenden Strafsatz, sondern lediglich ‑ was die Beschwerdeführerin selbst einräumt ‑ für die Straffrage von Bedeutung sind (§ 34 Z 4 StGB) und daher nur mit Berufung geltend gemacht werden können.

Dafür, daß die Angeklagte die Taten in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand (§ 11 StGB) begangen hätte, finden sich in den Akten, insbesondere in ihrer eigenen (geständigen) Verantwortung nicht die geringsten Anhaltspunkte (vgl S 174/175 iVm ON 6), weshalb für den Schöffensenat kein Anlaß zu diesbezüglichen Erörterungen bestanden hat.

Erhebliche Bedenken (Z 5 a) gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen vermag die Beschwerdeführerin mit ihrem dahin zielenden Vorbringen nicht zu erwecken, zumal sie ein umfassendes und uneingeschränktes Geständnis abgelegt hat und auch in der Tatsachenrüge den nur für die Strafbemessung relevanten Umstand betont, die Tat unter dem massiven Einfluß des Karl M* und der Vera S* begangen zu haben.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 9 lit b) ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil mit der Behauptung, daß mangels exakter Feststellungen der von der Angeklagten importierten Suchtgiftmenge nicht beurteilt werden könne, ob es sich um eine geringe Menge zum Eigengebrauch (§ 19 SGG) gehandelt habe, die ‑ bereits oben wiedergegebenen ‑ Ausführungen im Urteil übergangen werden, in welchen die vermißten Konstatierungen ohnedies getroffen worden sind. Damit fehlt es aber von vornherein an dem für die prozeßordnungsgemäße Darstellung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes unabdingbaren Vergleich des Urteilssachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz, weshalb auf den in diesem Zusammenhang vorgebrachten weiteren Einwand, daß über eine allenfalls geplante Weitergabe des Suchtgiftes keine Feststellungen getroffen wurden, nicht näher einzugehen ist.

Einen physischen oder psychischen Ausnahmezustand, durch den die Strafbarkeit der Tat ausgeschlossen sein könnte (Z 9 lit b), hat das Erstgericht nicht festgestellt. Die Beschwerdeführerin vermag aber auch nicht mit der gebotenen Deutlichkeit und Bestimmtheit (§ 285 a Z 2 StPO) auf Verfahrensergebnisse hinzuweisen, die das Vorliegen eines solchen Ausnahmezustandes von der Qualität einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder einer anderen schweren, diesem Zustand gleichwertigen seelischen Störung (§ 11 StGB) nahelegen könnten. Es wird daher insoweit auch ein materiellrechtlicher Feststellungsmangel nicht prozeßordnungsgemäß dargetan.

Inwiefern es vorliegendenfalls an der nach dem Gesetz erforderlichen Anklage fehle (Z 9 lit c), kann der Beschwerde nicht entnommen werden. Die ‑ feststellungswidrige ‑ Behauptung, die Angeklagte habe nur geringe Mengen Suchtgift zum Eigengebrauch aus‑ und eingeführt, steht zu diesem Nichtigkeitsgrund in keinem sachlichen Bezug, vermag aber ‑ mangels Festhaltens am Urteilssachverhalt ‑ der Sache nach auch keinen der Beschwerdeführerin anscheinend vorschwebenden Subsumtionsirrtum (Z 10) zu begründen.

Schließlich ist auch die Strafbemessungsrüge (Z 11) verfehlt, weil mit der bloßen Behauptung, bestimmte Milderungsgründe seien im Urteil nicht berücksichtigt worden, nur ein Berufungsgrund geltend gemacht, aber keine rechtsfehlerhafte Anwendung von Strafzumessungsvorschriften dargetan wird (vgl Mayerhofer‑Rieder StPO3 ENr 6 zu § 281 Abs 1 Z 11).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung als zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO), im übrigen aber als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO) sofort zurückzuweisen, woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285 i StPO).

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