OGH 3Ob555/92

OGH3Ob555/9215.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margarethe E*****, vertreten durch Dr. Karl Heinz Klee, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr. Walter K*****, vertreten durch Dr. Ludwig Hoffmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 1,507.007,80 s.A. , infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 21.5.1992 , GZ 2 R 91/92-84 , womit das Zwischenurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6.12.1991, GZ 8 Cg 191/91-77, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit ihrer am 27.10.1982 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten, ihrem Bruder, die Zahlung von S 1,507.007,80 s.A.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens.

In der Tagsatzung vom 15.7.1986 brachte die Klägerin vor, daß bei der Finanzlandesdirektion Wien gegen den Beklagten ein Strafverfahren wegen des Verdachts von Finanzvergehen im Zusammenhang mit Zuwendungen des Vaters der Streitteile an den Beklagten geführt werde. Sie beantragte die Beischaffung dieses Aktes, allenfalls die Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens.

Der Beklagte sprach sich gegen diese Anträge aus.

Das Erstgericht faßte in derselben Tagsatzung den Beschluß, das Verfahren gemäß den §§ 190 und 191 ZPO bis zur rechtskräftigen Beendigung des beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz anhängigen Finanzstrafverfahrens bzw. bis zur rechtskräftigen Beendigung des sich hieraus ergebenden allfälligen gerichtlichen Finanzstrafverfahrens zu unterbrechen, und sprach aus, daß der Rechtsstreit sodann nur auf Antrag einer der Parteien wieder aufgenommen werde. Die Entscheidung im Finanzstrafverfahren sei voraussichtlich von maßgebendem Einfluß auf die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites.

Der Beklagte erhielt über seinen Antrag eine Ausfertigung dieses Beschlusses zugestellt; er hat dagegen jedoch ein Rechtsmittel nicht ergriffen.

Mit einem am 5.7.l991 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz beantragte die Klägerin die Fortsetzung des Verfahrens. Wie der Vertreter der Klägerin am 19.6.1991 vom Bezirksgericht St. Pölten als dem Verlassenschaftsgericht erfahren habe, sei das Finanzstrafverfahren nunmehr abgeschlossen.

Der Beklagte erhob daraufhin die Einrede der Verjährung. Der Klägerin habe von allem Anfang an bewußt sein müssen, daß die von ihr beantragte Unterbrechung des Verfahrens nicht das von ihr erhoffte Ergebnis, nämlich die Ausforschung von nicht vorhandenen Vermögenswerten über das bereits bekannte Verfahrensergebnis hinaus, bringen werde. Es hätte ihr auch bewußt sein müssen, daß die Unterbrechung des Verfahrens für den Ausgang eines Verwaltungsstrafverfahrens durch das Gesetz nicht gedeckt sei. Habe aber die Klägerin einen Unterbrechungsantrag abseits der Gesetzeslage gestellt, so hätte sie auch jederzeit unter Hinweis auf dieses Faktum den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens stellen müssen. Die Klägerin habe daher das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt. Der Klägerin sei der Inhalt der Finanzverfahren bereits am 22.2.1991 bekannt gewesen; sie habe lediglich in der Folge versucht, über das Bezirksgericht St. Pölten "offiziell" Zugang zu den Ergebnissen des Steuerverfahrens zu erlangen. Die Klägerin habe im übrigen den Fortsetzungsantrag zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem das Finanzstrafverfahren "noch gar keinen Abschlußcharakter" gezeigt habe.

Die Klägerin bestritt dies. Sie räumte jedoch ein, daß sie nicht sicher wisse, ob das Verwaltungsverfahren, dessentwegen die Unterbrechung erfolgt sei, tatsächlich rechtskräftig abgeschlossen sei.

Das Erstgericht beraumte auf Grund des Fortsetzungsantrages eine Tagsatzung an, hob in dieser den Unterbrechungbeschluß vom 15.7.1986 (ersatzlos) auf, schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches (insbesonders zur Frage, ob der Prozeß gehörig fortgesetzt worden sei) ein und erkannte mit Zwischenurteil zu Recht, daß die Klageforderung - nicht auch die klägerische Verzugszinsenforderung für den Zeitraum 27.10.1982 bis 25.10.1991 - zu Recht bestehe und daß die Entscheidung über die Gegenforderung, die Höhe der Klageforderung und die Prozeßkosten der Endentscheidung vorbehalten bleibe. In dem Beschluß auf Aufhebung des Unterbrechungsbeschlusses vertrat das Erstgericht die Ansicht, ein Finanzstrafverfahren wegen Verschweigung von Verlaßobjekten durch die Erben oder Verschleierung von Schenkungen als Käufe sei nicht präjudiziell für die im Pflichtteilsprozeß anstehenden Sachfragen. Das Gericht sei bei den in diesem Verfahren zu lösenden Fragen an Steuerbescheide nicht gebunden. Der Unterbrechungsbeschluß sei deshalb gesetzwidrig erfolgt und habe als prozeßleitender Beschluß jederzeit aufgehoben werden können. Im Urteil führte das Erstgericht aus, es sei nicht erwiesen, ob das Verwaltungsverfahren, dessentwegen der Pflichtteilsergänzungsprozeß unterbrochen wurde, tatsächlich bereits rechtskräftig beendet sei. Nach der Fassung des Unterbrechungsbeschlusses sei es Sache der Klägerin gewesen, sich um den Wegfall des Unterbrechungsgrundes zu kümmern und sodann den Fortsetzungsantrag zu stellen. Im Hinblick auf die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht iS des § 48a BAO habe die Klägerin allerdings damit rechnen müssen, daß es schwierig sein werde, den Wegfall des Unterbrechungsgrundes zu erfahren. Es liege am Beklagten, wenn es der Klägerin bisher nicht möglich gewesen sei, die Finanzstrafakten einzusehen, deretwegen das Verfahren unterbrochen worden sei. Hinweise dafür, daß die Klägerin von einer möglichen Beendigung des Finanzstrafverfahrens vor dem Zugang des Schreibens des Bezirksgerichtes St. Pölten in der Kanzlei ihres Vertreters am 19.6.1991 erfahren habe, seien nicht hervorgekommen. Unerheblich sei, ob der über Antrag der Klägerin ergangene Unterbrechungsbeschluß zu Recht erfolgt sei. Die Rechtsprechung des OGH verneine zwar die Bindung der Gerichte an im Verwaltungsverfahren ergangene Straferkenntnisse; diese Rechtsprechung sei aber nicht unumstritten. Da das dem Beklagten vorgeworfene Vergehen der Abgabenhinterziehung auch ein gerichtlich strafbares Delikt sein könnte - der Unterbrechungsbeschluß habe in seinem Spruch ausdrücklich auf diese Möglichkeit Bezug genommen - habe der Unterbrechungsantrag der Klägerin jedenfalls nicht so eklatant der Sach- und Rechtslage widersprochen, daß daraus allein schon habe entnommen werden müssen, es fehle der Klägerin an dem erforderlichen Ernst zur Erreichung des Prozeßzieles. Das Motiv der Klägerin, das Ergebnis des Finanzstrafverfahrens abzuwarten, sei offensichtlich in der Hoffnung gelegen gewesen, das amtswegige Verfahren zur Ermittlung der tatsächlichen Nachlaßaktiven könne ihre Beweislage verbessern. Die dadurch letztlich verursachte, nahezu fünfjährige Unterbrechung des Verfahrens sei zwar erheblich; auf die Dauer der Untätigkeit und des dadurch verursachten Stillstandes des Verfahrens komme es aber nicht an, sondern nur darauf, ob die Untätigkeit gerechtfertigt gewesen sei. Diesbezüglich aber könne sich die Klägerin auf den rechtskräftigen Unterbrechungsbeschluß berufen. Dadurch, daß der Beklagte den Unterbrechungsbeschluß nicht angefochten habe, habe er diese Entscheidung mitgetragen. Mit der langen Dauer des Verwaltungsverfahrens habe die Klägerin nicht rechnen müssen.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß eine Verjährung der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Rechtsstreites nicht eingetreten sei, hielt aber das Verfahren erster Instanz auch dem Grunde nach für ergänzungsbedürftig.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Beklagten ist nicht berechtigt.

Ob die Unterbrechung des Verfahrens im Sinne des Beschlusses des Erstgerichtes vom 15.7.1986 durch das Gesetz gedeckt und berechtigt war (vgl. hiezu Fasching II, Anm.8 zu § 191 ZPO), ist beim derzeitigen Stand des Verfahrens nicht mehr zu prüfen. Denn die Streitteile und insbesondere auch der Beklagte haben ihn unangefochten gelassen, so daß das Verfahren unterbrochen war.

Da Verbindung, Trennung, Beschränkung und Unterbrechung des Verfahrens als Verfügungen prozeßleitender Natur in das Ermessen des Gerichtes gestellt sind, kann zwar das Gericht seine Verfügung gemäß § 192 Abs. 1 ZPO jederzeit - auf Antrag oder von Amts wegen - widerrufen und aufheben, soweit es noch nicht durch ein von ihm gefälltes Urteil gebunden oder die Anordnung noch nicht zum Gegenstand der Entscheidung einer höheren Instanz geworden ist (Fasching II Anm 1 zu § 192 ZPO). Für das Erstgericht bestand jedoch schon deshalb kein Anlaß, die von ihm angeordnete Unterbrechung des Verfahrens bis zum Fortsetzungsantrag von Amts wegen wieder aufzuheben, weil nach dem Beschluß vom 15.7.1986 der Rechtsstreit nur auf Antrag einer der Parteien wieder aufgenommen werden sollte.

Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens nicht innerhalb angemessener Zeit nach Kenntnis von der - angeblichen oder tatsächlichen - Beendigung des Finanzstrafverfahrens gegen den Beklagten, dessentwegen die Unterbrechung angeordnet worden war, gestellt hat, sind nicht vorhanden. Eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens liegt insoweit zweifelsfrei nicht vor. Sie kann aber auch nicht in der Dauer der Unterbrechung gesehen werden. Die Klägerin besaß keine Möglichkeit der Einflußnahme auf die Beendigung des Finanzstrafverfahrens. Eine ungewöhnliche Untätigkeit der Klägerin, mit der sie etwa zum Ausdruck gebracht hätte, daß ihr an der Erreichung ihres Prozeßziels nichts gelegen sei (SZ 49/106), kann daher aus der Dauer der Unterbrechnung nicht geschlossen werden.

Mit Recht sind deshalb die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Klägerin das Verfahren mit ihrem Antrag vom 5.7.1991 gehörig fortgesetzt hat.

Soweit sich der Beklagte gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes wendet, "die behauptete Verjährung sämtlicher, von der Klägerin geltend gemachter Ansprüche" sei "daher nicht eingetreten", ist ihm, worauf in der Rekursbeantwortung zutreffend hingewiesen wird, entgegenzuhalten, daß die Klägerin mit ihrer Klage aus dem Titel des Pflichtteilanspruches die Zahlung eines bestimmten Betrages geltend gemacht hat, der niemals ausgedehnt wurde; wie dieser Anspruch im einzelnen errechnet wird, unterliegt nicht der Verjährung. Eine Verjährung könnte nur hinsichtlich jener Beträge eintreten, die bei der Festsetzung des Pflichtteilanspruches der Klägerin über diese begehrte Gesamtsumme hinausgingen.

Dem Rekurs des Beklagten war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

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