Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Teilurteil wird dahin abgeändert, daß Punkt 1 des erstgerichtlichen Urteils als Teilurteil wiederhergestellt wird.
Die Entscheidung über die das mit den Teilurteilen erledigte Feststellungsbegehren betreffenden Kosten wird dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger, der seit dem Schuljahr 1974/5 an der Hauptschule L ua als Turnlehrer tätig ist, plante für die den Semesterferien folgende Woche vom 16. bis 20.2.1987 (je einen Schinachmittag - das sind vier zu einem Freiluftnachmittag zusammengezogene Turnstunden - mit einer zweiten und zwei vierten Klassen. Er hatte dafür völlige Handlungsfreiheit und bedurfte keiner Zustimmung des Direktors, doch erwähnte er diesem gegenüber vor Beginn der Semesterferien, daß er für den geplanten Schinachmittag eine Inspektion der Schirouten am Präbichl beabsichtige. Ein dienstlicher Auftrag zur Durchführung einer Geländeerkundung wurde ihm nicht erteilt. Der Kläger und die anderen Turnlehrer an der Hauptschule L erkunden vor Schulschikursen, Schi- oder Radwandertagen das Glände, die Schneeverhältnisse und die Schneelage. Dafür gibt es keine Anweisungen des Direktors, dem jedoch bekannt ist, daß die Turnlehrer während ihrer unterrichtsfreien Zeit Geländeerkundungen für Freiluftveranstaltungen vornehmen. Am 8.2.1987, einem Sonntag, hatte sich der Kläger noch nicht entschieden, wo er die für den 17. und 20.2.1987 geplanten Schinachmittage durchführen werde, für welche die Schigebiete Präbichl, Wald am Schoberpaß, Mautern, Eisenerz und Weiztallifte in Frage kamen. Er fuhr, um in seiner Freizeit (in erster Linie) Sport zu betreiben, in das Schigebiet des Polsters auf dem Präbichl. Nach zwei (für Kinder ungeeigneten und ausschließlich zum eigenen Vergnügen durchgeführten) Tiefschneeabfahrten über das Polsterkar fuhr er gegen 13.00 Uhr von der Bergstation des Polstersesselliftes über den Leobner Hang, den er für den Schinachmittag ins Auge gefaßt hatte, ab. Dabei stürzte er und zog sich einen Riß des medialen Seitenbandes und der medialen Kapselanteile sowie einen Ausriß des hinteren Kreuzbandes aus dem Femurkondyl zu. Nach einer operativen Behandlung trat er am 11.5.1987 seinen Dienst wieder an.
Mit Bescheid vom 6.7.1990 entschied die beklagte Partei, daß der Vorfall vom 8.2.1987 gemäß § 90 B-KUVG nicht als Dienstunfall anerkannt werde und Leistungen gemäß den §§ 88 ff leg cit nicht gewährt würden. Zwischen einem Schiwochenende in der Freizeit und der Tätigkeit in der Schule könne kein Zusammenhang hergestellt werden, zumal sich Pisten- und Schneeverhältnisse jederzeit ändern könnten.
Die auf Feststellung, daß die aus dem Unfall vom 8.2.1987 resultierenden Gesundheitsstörungen Folge eines Dienstunfalles seien und auf "Leistungen gemäß §§ 88 B-KUVG im gesetzlichen Ausmaß" gerichtete Klage stützt sich im wesentlichen darauf, daß die Erkundung der Pisten- und Schneeverhältnisse zur Vorbereitung der geplanten Unterrichtsveranstaltungen unerläßlich gewesen sei und daher im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis stünde.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Der ursächliche Zusammenhang könne schon deshalb nicht bestehen, weil sich die Pisten- und Schneeverhältnisse jederzeit ändern könnten, so daß ihre Erkundung am 8.2.1987 für die mehr als eine Woche später durchzuführenden Schinachmittage praktisch wertlos sei. Deshalb fehle auch ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang.
Der Kläger replizierte, daß ein verantwortungsbewußter Lehrer das Schigebiet in seiner Gesamtheit vorher kenne und sich nach Beobachtung der Wetteränderungen auf allfällige Veränderungen der örtlichen Verhältnisse einstellen müsse. Im übrigen hätte der Kläger während der gesamten Ferienwoche vor den geplanten Schinachmittagen alle dafür geeigneten Schigebiete der näheren Umgebung erkunden wollen.
Das Erstgericht wie das Feststellungs- (Punkt 1) und das Leistungsbegehren (Punkt 2) ab.
Nach seiner rechtlichen Beurteilung sei der Schiausflug vom 8.2.1987 weit überwiegend eine private Tätigkeit gewesen, die nur nebenbei dem zweifellos bestehenden dienstlichen Interesse an einer gründlichen Vorbereitung von Schinachmittagen gedient habe. Die dienstliche Sphäre sei jedoch eindeutig im Hintergrund gestanden. Deshalb liege kein Dienstunfall iS des § 90 Abs 1 B-KUVG vor.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger und mangelhafter Tatsachenfeststellung auf Grund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers Folge. Es änderte das erstgerichtliche Urteil in seinem Punkt 1 dahin ab, daß es als Teilurteil zu lauten hat: Es wird der beklagten Partei gegenüber festgestellt, daß die aus dem Unfall vom 8.2.1987 resultierenden Gesundheitsstörungen des Klägers Folgen eines Dienstunfalles sind. Die (diesbezügliche) Kostenentscheidung wurde der Endentscheidung vorbehalten. Im übrigen, also hinsichtlich des Punktes 2 hob es das erstgerichtliche Urteil mit Beschluß auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück, wobei es die Kosten des Berufungsverfahrens zu weiteren Verfahrenskosten erklärte.
Die zweite Instanz hatte zwar gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen keine Bedenken, erachtete aber die Rechtsrüge als berechtigt.
Für die Beurteilung der Tätigkeit des Klägers am 8.2.1987 komme es nicht so sehr darauf an, ob sich das Schifahren an diesem Tag insgesamt überwiegend als Freizeitsport oder als Erkundungstätigkeit für den geplanten Schinachmittag darstelle, sondern darauf, ob die konkrete Abfahrt, bei der sich der Kläger verletzt habe, überwiegend der Erkundung oder dem Freizeitsport zuzurechnen sei. Für die Abfahrten vom Polsterkar habe mangels eines Zusammenhanges mit dem Dienstverhältnis kein Unfallversicherungsschutz bestanden. Die anschließende Erkundungsfahrt für den geplanten Schinachmittag stehe jedoch in einem so engen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis, daß für sie der Unfallversicherungsschutz gegeben gewesen sei. Für einen ausreichenden dienstlichen Zusammenhang spreche jedenfalls, daß der Kläger die Direktion seiner Schule vor dem 8.2.1987 über die beabsichtigte Erkundung im Gebiet des Präbichls informiert habe, so daß auch objektive Anhaltspunkte für die Erkundungsabsicht vorlägen. Die Abfahrt über den Leobner Hang habe daher vornehmlich Zwecken des Unterrichtes gedient.
Die Aufhebung des das Leistungsbegehren abweisenden Urteilspunktes begründete das Berufungsgericht im wesentlichen mit der Unbestimmtheit dieses Begehrens.
Gegen das (Teil)Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die aus dem Unfall vom 8.2.1987 resultierenden Gesundheitsstörungen des Klägers nicht Folgen eines Dienstunfalles seien.
Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen der Meinung des Revisionsgegners zulässig (SSV-NF 2/143); sie ist auch berechtigt.
Dienstunfälle sind Unfälle, die sich im örtlichen zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis ... ereignen (§ 90 Abs 1 B-KUVG).
Für Verrichtungen, die sowohl im privaten als auch im betrieblichen (dienstlichen) Interesse liegen (sog gemischte Tätigkeiten), besteht Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen (dienstlichen) Interessen wesentlich zu dienen. Waren für die unfallbringende Verrichtung im wesentlichen allein die privaten Interessen des Versicherten maßgebend, dann ist der Unfall kein Arbeits(Dienst)unfall; die auch vorhandenen betrieblichen (dienstlichen) Interessen waren in einem solchen Fall nur Nebenzweck des Handelns und bildeten nur eine Gelegenheitsursache des Unfalls (SSV-NF 5/10 und 106 jeweils mwN; 25.2.1992 10 Ob S 33/92 ARD 1992/4367; 25.2.1992 10 Ob S 43/92; zuletzt 28.4.1992 10 Ob S 61/92; jeweils zu dem § 90 Abs 1 B-KUVG vergleichbaren § 175 Abs 1
ASVG).
Der Unfall des Klägers ereignete sich an einem Sonntag, also an einem schulfreien Tag, an dem für einen Landeslehrer nach § 56 Abs 2 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz - LDG 1984 BGBl 302 keine Verpflichtung zur Dienstleistung besteht, wenn nicht besondere dienstliche Verhältnisse entgegenstehen, und während dessen der Landeslehrer nur aus wichtigen Gründen zur Dienstleistung zurückberufen werden kann (Abs 5 leg cit). Letzteres gilt auch für die Schulferien, während der der Landeslehrer nach Abs 1 der zit Gesetzesstelle vom Dienst beurlaubt ist, soweit nicht besondere Verpflichtungen (Vertretung des Schulleiters, Abhaltung von Prüfungen udgl) entgegenstehen.
Nach den vom Berufungsgericht übernommenen erstgerichtlichen Tatschenfeststellungen begab sich der Kläger an einem Sonntag, - an dem, wie ausgeführt, keine Verpflichtung zur Dienstleistung bestand - in erster Linie deshalb in das Schigebiet des Polsters auf dem Präbichl, um in seiner Freizeit Sport zu treiben (Schi zu fahren). Es handelte sich daher in erster Linie um die Ausübung des Schisports während der Freizeit, die grundsätzlich - eine Ausnahme wäre zB der Betriebssport - zum nicht geschützten persönlichen Lebensbereich zählt.
Daß der Kläger bei dieser Gelegenheit, nachdem er zwei Tiefschneeabfahrten über das Polsterkar durchgeführt hatte, von der Bergstation des Polstersesselliftes über den Leobner Hang abfuhr, den er für den mehr als eine Woche später geplanten Schinachmittag ins Auge gefaßt hatte, mag zwar auch der dem Turnlehrer obliegenden sorgfältigen Auswahl eines für die geplante Unterrichtsveranstaltung geeigneten Schigeländes gedient haben, tritt aber neben der Freizeitgestaltung weit zurück. Auch die letztgenannte Schiabfahrt diente nämlich in erster Linie der im persönlichen Interesse des Klägers gelegenen sportlichen Betätigung. Daß er die bei dieser Abfahrt gewonnenen Eindrücke vom Gelände, aber auch von den - bis zu den geplanten Schinachmittag möglicherweise wesentlich geänderten - Schneeverhältnissen für die Auswahl eines für diese Unterrichtsveranstaltungen geeigneten Schigebietes verwerten wollte, bildete nur ein Nebenmotiv für seinen dem sportlichen Schilauf dienenden Aufenthalt im Polsterschigebiet.
Daß die Abfahrt vom Leobner Hang aus mit dem dienstlichen Interesse zusammenhängenden Gründen gefährlicher gewesen wäre, als wenn sie der Kläger ausschließlich im eigenen Interesse unternommen hätte, wurde weder behauptet noch festgestellt. Insbesondere deshalb unterscheidet sich der vorliegene Fall wesentlich von dem vom Oberlandesgericht Wien als damals letzter Instanz in Leistungsstreitsachen am 27.12.1985 SSV 25/167 entschiedenen.
Daß die Abfahrt über den Leobner Hang, bei der sich der Unfall ereignete, ausschließlich dem dienstlichen Interesse gewidmet gewesen wäre, wurde im vom Berufungsgericht übernommenen Sachverhalt - entgegen den Behauptungen des Revisionsgegners - nicht festgestellt.
Weil die im dienstlichen Interesse gelegene Erkundung eines für Schinachmittage geeigneten Geländes gegenüber dem im Vordergrund stehenden persönlichen Interesse am Freizeitsport so weit in den Hintergrund trat, daß sie auch für die Abfahrt vom Leobner Hang nur eine unbedeutende Nebenursache war, fehlt der im § 90 Abs 1 B-KUVG geforderte Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis.
Deshalb war das Teilurteil des Berufungsgerichtes iS der Wiederherstellung des das Feststellungsbegehren abweisenden Punktes 1 des erstgerichtlichen Urteils abzuändern.
Hinsichtlich des Leistungsbegehrens wird das Erstgericht auf Grund des Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschlusses des Berufungsgerichtes nach § 499 Abs 3 ZPO vorzugehen haben.
Der Vorbehalt der Kostenentscheidung beruht auf dem nach § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwendenden § 52 Abs 2 ZPO.
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