OGH 7Ob569/92

OGH7Ob569/9230.7.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter N*****, vertreten durch DDr.Manfred Walter, Rechtsanwalt in Salzburg, und des auf der Seite der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenienten Reinhold Sch*****, vertreten durch Dr.Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Werner O*****, vertreten durch Dr.Michael Wonisch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Räumung (Streitwert S 6.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 24. Februar 1992, GZ 21 R 437/91-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 30.Juli 1991, GZ 17 C 1312/90m-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 17.002,80 (darin S 2.833,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 12.002,-- (darin S 1.701,-- Umsatzsteuer und S 1.800,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen. Er ist weiters schuldig, die mit S 17.002,80 (darin S 2.833,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens dem auf Seite des Klägers beigetretenen Nebenintervenienten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Alleineigentümer des Hauses S*****. Der Beklagte betreibt in einem Teil der Räume des Erdgeschoßes dieses Hauses sowie in einem angrenzenden Garten das Heurigenlokal "R*****". In diesen Räumen führten früher die Eltern des Klägers gemeinsam das Gasthaus "Z*****". Sie haben diesen Betrieb in der Folge mehrfach verpachtet, wobei die auf Anna N***** lautende Konzession jeweils mitverpachtet wurde, zuletzt vor dem Beklagten an Friederike W*****. Diese gestaltete das Lokal auf eigene Kosten, jedoch unter Übernahme des Inventars vom Vorpächter und unter teilweiser Übernahme des Kundenstockes zu einem Heurigenbetrieb um. 1977 überließ W***** die Führung des Betriebes dem bei ihr seit Jahren angestellten Beklagten und dessen Gattin. Diese verpflichteten sich W***** Verbindlichkeiten aus dem Betrieb zu erfüllen und übenahmen das von ihr angeschaffte Iventar. Zu diesem Zeitpunkt betrieb die Mutter des Klägers im gleichen Haus einen Pensionsbetrieb, sie wußte daher, daß seit 1977 Friederike W***** nur nominell als Betriebsinhaberin fungierte und daß das Lokal vom Beklagten und seiner Gattin geführt wird. Der Beklagte übernahm das Lokal am 1.April 1981 "im eigenen Namen" samt dem von W***** zurückgelassenen Inventar. Er erwarb im gleichen Jahr eine eigene Gastgewerbekonzession. Anna N***** beantragte daraufhin mit Schreiben vom 16.Juni 1981 die Löschung der Pachtgenehmigung (richtig der Pachtung der Konzession durch) Friederike W*****. Der Beklagte und seine Gattin waren an einer längerfristigen Sicherheit, das Objekt führen zu können, interessiert und schlossen deshalb am 2. März 1981 mit Matthäus und Anna N***** einen bis 31.Dezember 1983 befristeten "Pachtvertrag". Im Punkt 2 dieses Vertrages wurde festgehalten, daß Matthäus N***** die näher bezeichneten Räumlichkeiten und Anna N***** das in diesen Räumlichkeiten aufgrund der Konzessionsurkunde betriebene Unternehmen in Form eines Gast- und Schankgewerbes verpachten. Nach Ablauf des vereinbarten Pachtendes führte der Beklagte weiterhin den Betrieb. Noch während der Abhandlung der Verlassenschaft nach Matthäus N***** äußerte der Beklagte den Wunsch nach Abschluß eines neuen Pachtvertrages. Nachdem der Kläger aufgrund eines Erbübereinkommens Eigentümer des Gasthauses (richtig Hauses M*****) wurde, beauftragte er seinen Vertreter Dr. W***** mit der Errichtung eines neuen Pachtvertrages. Dieser wurde am 14. Juni 1986 von den Streitteilen unterzeichnet. Dr. W***** hat vor der Unterfertigung mit dem Beklagten nicht über den Inhalt des Pachtvertrages gesprochen. In diesem Pachtvertrag wurde die Art der Ausübung des Gastgewerbes durch den Beklagten, eine Betriebspflicht, und das mitzuübergebende Inventar geregelt. Das Pachtende wurde mit 31. Mai 1990 festgelegt.

Der Kläger begehrt mit seiner am 1.Juni 1990 überreichten Klage die Räumung der in Bestand gegebenen Räume und die Herausgabe des im Betrieb verwendeten Inventars vom Beklagten unter Hinweis auf das Auslaufen des Pachtvertrages.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, kein Unternehmen gepachtet, sondern nur die Räume, in denen er ein Unternehmen betreibe, gemietet zu haben. Es liege ein kündigungsgeschützter Mietvertrag auf unbestimmte Zeit vor. Der Beklagte habe der Aufforderung des Matthäus und der Anna N***** zum Abschluß eines schriftlichen Bestandvertrages im Jahre 1981 keine Bedeutung zugemessen, zumal ihm damals erklärt worden sei, daß sich dadurch seine Rechtslage nicht ändern sollte. Das damals bestehende Unternehmen sei nicht von der Bestandgeberseite, sondern von W***** und dem Beklagten errichtet worden. Auch durch die Unterfertigung des Bestandvertrages mit dem Kläger am 4.Juni 1985 sollte keine Verschlechterung der Position des Beklagten eintreten, es seien damals gegenüber dem Beklagten keine inhaltlichen Änderungen gegenüber dem bisherigen Zustand verlangt worden.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt, wies jedoch das Herausgabebegehren ab. Es traf die oben wiedergegebenen Feststellungen, aus denen es rechtlich folgerte, daß der Beklagte einen mit 31.Mai 1990 rechtswirksam befristeten Pachtvertrag mit dem Kläger abgeschlossen habe und nach dessen Auslaufen daher zur Räumung verpflichtet sei. Das Herausgabebegehren sei mangels Konkretisierung der herauszugebenden Sachen abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Beklagten dieses Urteil in eine gänzliche Klagsabweisung ab. Es erklärte die Revision für zulässig. Es ging aufgrund der erstgerichtlichen Feststellungen davon aus, daß der Beklagte erstmals durch den Vertrag vom 1.März 1981 Bestandnehmer geworden sei. Dieser Vertrag unterscheide aber ausdrücklich die Vermietung der Räume durch Matthäus N***** und die Verpachtung des Gastgewerbebetriebes durch Anna N*****. Es lägen sohin zwei Bestandverträge vor. Der Kläger habe nur nachgewiesen, Rechtsnachfolger Matthäus N***** zu sein, nicht jedoch auch der Anna N*****. Es sei irrelevant, aufgrund welchen Titels Anna N***** die Räume für ihren Gastgewerbebetrieb zur Verfügung gestellt bekommen habe, jedoch sei nur sie die Verpächterin des Unternehmens gewesen. Mangels nachgewiesener Rechtsnachfolge sei daher das Räumungsbegehren des Klägers abzuweisen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist berechtigt.

Die gerügte Aktenwidrigkeit erweist sich als unzutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes. Dieses ging zweifelsfrei - allerdings ohne dies ausdrücklich auszusprechen - von den erstgerichtlichen Feststellungen aus.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen haben die Eheleute N***** das Gasthaus Z***** gemeinsam betrieben. Daß nur Anna N***** über die erforderliche Konzession verfügte, steht einer gemeinsamen Betriebsführung nicht entgegen (MGA ABGB33 § 1175/19 und 22 a). Daß die Rechtsform dieser Betriebsführung durch die Eheleute N***** nicht festgestellt worden ist, schadet nicht, weil vorliegendenfalls nur eine Urkunde darauf untersucht werden muß, ob mit ihr ein oder zwei voneinander getrennte Bestandverträge beurkundet werden sollten. Der Umstand, daß im Bestandvertrag vom 1.März 1981 von Matthäus N***** die Räume und von Anna N***** das Gasthaus dem Beklagten und seiner Gattin verpachtet worden sind, steht der Feststellung, daß das Ehepaar N***** gemeinsam früher den Gastbetrieb führte, nicht entgegen, weil es sich um einen einheitlichen Vertrag handelt, in dem die umfangreich vereinbarten Rechte und Pflichten des Bestandnehmers gegenüber beiden Bestandgebern einheitlich und ohne Aufsplitterung in bezug auf einen Miet- bzw. einen Pachtvertrag geregelt werden. Dazu kommt, daß in den vorangehenden Bestandverträgen die Ehegatten N***** stets das Gasthaus als solches gemeinsam in Bestand gegeben haben (vgl. Beilage C = Beilage 1 sowie Beilage L). Da dem Berufungsgericht dieser Verstoß bei Auslegung einer Urkunde unterlief, liegt keine Aktenwidrigkeit vor (MGA ZPO14 § 498/187 und § 503/113). Dem Berufungsgericht wäre auch vorzuwerfen, daß es mit seiner Rechtsansicht über die Einwendungen des Beklagten hinausging, weil in diesen von Gasthauseigentümern gesprochen wird (vgl. AS 9 ff), wobei die Bekämpfung des klägerischen Räumungsbegehrens nur mit der Behauptung erfolgte, daß vom Beklagten kein lebendes Unternehmen übernommen worden sei, sondern nur Räume gemietet worden wären. Letztlich steht die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes auch zu dem den Feststellungen zugrundegelegten (letzten) Bestandvertrag vom 14. Juni 1985 (Beilage B) im Widerspruch, weil dort der Beklagte auch das Inventar vom Kläger in Bestand genommen hat (Punkt II letzter Satz).

Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Pacht vor, wenn ein lebendes Unternehmen in Bestand gegeben wird (MGA ABGB33 § 1091/17 f). Darunter versteht man, daß der Bestandnehmer die wesentlichen Grundlagen für eine Betriebsführung die Betriebsmittel, Warenlager, Kundenstock bzw. auch die Gewerbeberechtigung zur Verfügung gestellt bekommt. Die Zurverfügungstellung der Gewerbeberechtigung ist aber kein unabdingbares Merkmal für die Annahme eines Pachtvertrages (MGA ABGB33§ 1091/29). Die Eltern des Klägers und letzlich dieser selbst haben den ursprünglich selbst geführten Betrieb wiederholt und ohne Unterbrechungen unter den zuvor genannten Kriterien diversen Bestandnehmern verpachtet. Der Beklagte hat so wie diese Warenlager, Kundenstock und andere Betriebsmittel mit in Bestand genommen. Ihn traf auch die für einen Pachtvertrag wesentliche Betriebspflicht. Ihm wurde von den Bestandnehmern die erforderliche Quelle zur Verfügung gestellt, aus der er in der Folge Erträgnisse bezog (MGA ABGB33 § 1091/18). Wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, hat er dieses Unternehmen nach Ablauf der vereinbarten Pachtzeit zu räumen und geräumt zu übergeben. In Stattgebung der Revision der klagenden Partei war daher das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Dem Nebenintervenienten war für das Berufungsverfahren kein Streitgenossenzuschlag zuzuerkennen, weil ihm nur der Beklagte, sohin nur eine Partei, gegenüberstand.

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