OGH 9ObA136/92

OGH9ObA136/928.7.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Monika Angelberger und Paul Binder in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** G*****, Arbeiterin, *****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt ***** wider die beklagte Partei Ing.G***** K*****, Inhaber des nicht protokollierten Unternehmens K***** Druck, Buch- und Offsetdruck, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen S 200.850,32 brutto abzüglich S 33.887,49 netto sA (Berufungsinteresse S 168.273,40 brutto abzüglich S 33.887,49 netto sA), infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.Feber 1992, GZ 31 Ra 128/91-11, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 14.Juni 1991, GZ 7 Cga 15/91-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 6.789,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.131,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr die Frage, ob der Klägerin als Druckereifacharbeiterin gemäß § 14 Z 1 des Kollektivvertrages für das graphische Gewerbe, Sonderbestimmung Druckvorbereich, ein 15-%iger Zuschlag zum Facharbeiterlohn (und damit die strittige Differenz von S 132.963,19 brutto abzüglich S 33.887,49 netto sowie der bei Zurechtbestehen dieses Zuschlages mit S 7.520,26 brutto zu errechende Abfertigungsmehrbetrag) gebührt.

Die einschlägigen Bestimmungen dieses Kollektivvertrages lauteten wie folgt:

"§ 14 Z 1: Bei Bedienung von zwei Belichtungseinheiten und/oder EDV-Systemen gebührt dem Dienstnehmer wöchentlich ein Zuschlag von 15 % des Facharbeiterlohnes der Stufe B/II; ......(seit 1.1.1992:

§ 13 Z 1 (Stufe B/III)).

Z 9: Die Zuschläge nach Pkt 1, 5 und 7 gebühren dem Dienstnehmer bei einer zeitweisen Tätigkeit, für die ein Zuschlag vorgesehen ist, im aliquoten Teil, mindestens aber für den betreffenden ganzen Tag bzw nach Leistung dieser Tätigkeit von mehr als der halben Wochenarbeitszeit für die ganze Arbeitswoche" (seit 1.1.1992: § 13 Z 6 (nurmehr Zuschläge nach Pkt 1 und 4)).

Zur Tätigkeit der Klägerin haben die Vorinstanzen folgendes festgestellt:

Die Klägerin arbeitete bei der Beklagten an einem Textverarbeitungsplatz. Ihr wurden vorgeschriebene Texte übergeben, welche sie in einen Computer mit Bildschirm eintippen (eintasten) mußte. Nach der Korrektur des Textes auf dem Bildschirm mußte die Klägerin den auf Diskette gespeicherten Text in eine Belichtungseinheit einlegen. Diese Belichtungseinheit war ein Gerät, welches den fertigen Text von der Diskette übernahm und für den Photosatz vorbereitete. Dieses Gerät arbeitete automatisch; es war mit keinem Bildschirm gekoppelt. Nachdem das Gerät den Arbeitsvorgang beendet hatte, mußte die Klägerin die Diskette wieder herausnehmen und aufbewahren. Diese Tätigkeit übte die Klägerin praktisch während ihres ganzen Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten aus. Die ihr zur Verarbeitung übergebenen Texte waren unterschiedlicher Qualität, d.h. zum Teil unleserlich oder schwer übertragbar.

Die Beklagte hatte insgesamt drei Bildschirmarbeitsplätze für das Eintippen des Textes, von denen einen die Klägerin, den zweiten ein weiterer Arbeitnehmer und den dritten die Seniorchefin der Beklagten bediente. Für diese drei Personen standen zwei Belichtungseinheiten zur Verfügung. Zwischen diesen beiden Belichtungseinheiten bestanden gewisse technische Unterschiede. Beide Belichtungseinheiten waren mit auswechselbaren Schriftscheiben für verschiedene Schriftbilder versehen. Wenn an einem Gerät gerade die passende Scheibe eingelegt war, hat die Klägerin dieses Gerät verwendet, dann wieder das andere. Die Belichtungseinheiten waren nicht einer bestimmten Arbeitskraft zugeteilt; vielmehr verwendeten alle drei Bildschirmarbeiter die beiden zur Verfügung stehenden Belichtungseinheiten abwechselnd. Während der normalen Arbeitszeit waren üblicherweise alle drei Bildschirmarbeitsplätze besetzt.

Beide Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin auf Zahlung des 15 %igen Zuschlages ab. Das Erstgericht begründete die Abweisung damit, daß ein Wechseln der Belichtungseinheiten nicht unter die zitierte Kollektivvertragsbestimmung falle. Die Bestimmung solle eine entsprechende Entlohnung jener Arbeitnehmer sichern, die zum Beispiel während der Nacht, am Wochenende oder auch ständig zwei Belichtungseinheiten gleichzeitig, also nebeneinander zu bedienen hätten.

Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, § 14 Z 1 KV sei dahin zu verstehen, daß der Zuschlag nur gebühre, wenn die Bedienung von zwei Belichtungseinheiten zu einer Mehrbelastung des Dienstnehmers in geistiger oder körperlicher Hinsicht führe, also wenn der Dienstnehmer etwa unterschiedliche, differenziert zu handhabende technische Systeme bedienen müsse. Diese Voraussetzung treffe nicht zu, da die Klägerin lediglich Disketten einlegen und herausnehmen mußte. Dabei handle es sich um eine einfache Tätigkeit, die von jedermann ohne besondere Vorkenntnisse durchgeführt werden könne und mit der eine erhöhte Inanspruchnahme geistiger oder körperlicher Fähigkeiten nicht verbunden sei.

Der Kläger erhebt gegen dieses Urteil Revision wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zweck der Zulagenregelung des § 14 Z 1 KV (idF 1992: § 13 Z 1 KV) ist es ganz offensichtlich, daß Mehrleistungen oder Mehrbelastungen von Druckereifacharbeitern (im Druckvorbereich) abgegolten werden sollen, die dadurch entstehen, daß ein Arbeitnehmer zwei Belichtungseinheiten und/oder EDV-Systeme zu bedienen hat. Da sich beide Parteien in ihrem Vorbringen auf den einschlägigen Kollektivvertrag berufen haben, ist bei der Auslegung auch auf die von der Revisionswerberin vorgelegte "authentische Interpretation" (Beilage E./) zum nunmehrigen § 13 Punkt 1. der Sonderbestimmung Druckvorbereitung (früher § 14 Z 1 KV) Rücksicht zu nehmen, ist doch der Inhalt kollektivvertraglicher Normen auch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen zu ermitteln (§ 43 Abs 1 ASGG). Nach dieser klarstellenden Vereinbarung (vgl zur Zulässigkeit authentischer Interpretationen trotz Fehlens einer unmittelbaren Anwendbarkeit des § 8 ABGB Arb 8586; Tomandl ZAS 1969, 109; diesem zust Bydlinski in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 8; Cerny, Komm z ArbVG9, 33; Schwarz-Löschnigg4 72) gebührt der Zuschlag dann, wenn ein Dienstnehmer allein zwei Belichtungseinheiten bedient; "Bedienen" heißt dabei, daß der Dienstnehmer im Rahmen seiner Arbeitszeit zwei solche Anlagen allein zu betreuen hat und die Verantwortung für beide Anlagen trägt. Bei einer solchen Konstellation wird es in aller Regel zumindest zu einer zeitlich überschneidenden Tätigkeit an beiden Geräten kommen, da die kostenaufwendige maschinelle Ausstattung eines Arbeitsplatzes mit mehr als einem Gerät wohl nur dann vorgenommen werden wird, wenn dadurch eine entsprechende Auslastung erreicht werden kann.

Im vorliegenden Fall waren aber diese Voraussetzungen nicht gegeben, weil für drei regelmäßig anwesende Arbeitskräfte je ein EDV-System und für alle drei zusammen nur zwei Belichtungseinheiten vorhanden waren, die sie, je nachdem, welches Schriftbild gerade benötigt wurde, abwechselnd so bedienten, daß sie tunlichst jenes Gerät verwendeten, in dem gerade die passende Schriftscheibe eingelegt war. Die Belichtungseinheiten waren keiner bestimmten Arbeitskraft zugewiesen; vielmehr verwendeten alle drei Bildschirmarbeiter die beiden zur Verfügung stehenden Belichtungseinheiten abwechselnd.

Da mit der abwechselnden Verwendung auch keine technischen Schwierigkeiten verbunden waren, kann auch von einer Mehrbelastung durch die abwechselnde Verwendung der beiden Belichtungseinheiten keine Rede sein. Für die Auslegung der Vorinstanzen spricht auch die Aliquotierungsvorschrift des § 14 Z 9 KV (jetzt: § 13 Z 6 KV). Stünde dem Arbeitnehmer der Zuschlag schon dann zu, wenn mehr als eine Belichtungseinheit im Unternehmen vorhanden ist und er eine zweite Belichtungseinheit fallweise bedient, so müßte schon ein einziger Wechsel der Bedienungseinheit pro Tag zum Anspruch auf die Zulage für den ganzen Tag führen, obwohl damit überhaupt keine Mehrbelastung verbunden wäre. Der Anspruch auf die Zulage setzt aber mindestens "eine zeitweise Tätigkeit, für die ein Zuschlag vorgesehen ist" voraus. Das erfordert aber die alleinige (kontinuierliche) Bedienung von mehr als einem Gerät durch eine gewisse Zeit.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte