OGH 13Os50/92-6

OGH13Os50/92-617.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Juni 1992 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Massauer, Dr. Kuch und Dr. Schindler als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Liener als Schriftführerin in der Strafsache gegen Magdalena F***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Magdalena F***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.Jänner 1992, GZ 9 a Vr 6727/91-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch A a (wegen des Diebstahls eines Goldarmbandes im Wert von 6.000 S und einer Goldarmkette im Wert von 26.000 S), demgemäß auch im Strafausspruch und im Adhäsionserkenntnis, soweit dieses den Betrag von 10.000 S übersteigt, aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an den Einzelrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurde Magdalena F***** des Vergehens des Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie in Wien fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S übersteigenden Wert Ernst und Dorothea P***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

A a) Mitte Dezemeber 1985 ein Goldarmband im Wert von 6.000 S und eine Goldarmkette im Wert von 26.000 S der Dorothea P*****, sowie

A b) in der Zeit von Dezember 1985 bis zum 12.Jänner 1986 eine Herrengolduhr Marke Schaffhausen im Wert von 10.000 S des Ernst P*****.

Rechtliche Beurteilung

Diese Schuldsprüche bekämpft die Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützt wird; den Strafausspruch und das Adhäsionserkenntnis bekämpft sie mit Berufung.

In der Hauptverhandlung am 16.Jänner 1992 beantragte die Beschwerdeführerin die zeugenschaftliche Vernehmung des Martin N***** und des Roland H***** zum Beweis dafür, daß diese in dem Zeitraum, als die Angeklagte sich in Wien im Hause P***** befand, deren Umgang bildeten und in dieser Zeit die Angeklagte nie dem Glücksspiel nachging (S 176). Diesen Beweisantrag wies das Schöffengericht durch Zwischenerkenntnis gemäß dem § 238 StPO mit der an sich mangelhaften Begründung "wegen Unerheblichkeit" (vgl hiezu Mayerhofer-Rieder, StPO3, ENr 69 zu § 281 Z 4) ab. Auch der Urteilsausfertigung ist nicht zu entnehmen, aus welchen Erwägungen die Tatrichter dem Antrag keine Relevanz beimaßen.

Durch dieses Zwischenerkenntnis erachtet sich die Nichtigkeitswerberin in ihren Verteidigungsrechten verletzt; die Durchführung der begehrten Einvernahmen hätte ergeben, daß sie zur Tatzeit Umgang mit Leuten hatte, welche weder einer kriminellen Szene noch einer Glücksspielriege angehörten, so daß das Fehlen eines Motivs für das Tatbestandselement des Bereicherungsvorsatzes zu erweisen gewesen wäre.

Die Nichtdurchführung dieser beantragten Beweise hat jedoch Grundsätze des Verfahrens nicht hintangesetzt, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist. Denn selbst wenn Martin N***** (in der Beschwerde: M*****) und Roland H***** zur Tatzeit den Umgang der Rechtsmittelwerberin bildeten und diese zu jener Zeit dem Glücksspiel nicht nachging, besagt dies nichts darüber, ob die Angeklagte die ihr urteilsmäßig zur Last gelegten Diebstähle begangen hat oder nicht und ob sie mit oder ohne Bereicherungsvorsatz gehandelt hat. Aus den angestrebten Beweisaufnahmen war daher - bei Bedacht auf das im Beweisantrag angeführte Beweisthema - für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, die Abweisung des Antrags erfolgte demnach im Ergebnis zu Recht (§ 281 Abs. 3 StPO).

Die Mängelrüge (Z 5) ist insofern nicht begründet, als eine Urteilsunvollständigkeit dahin behauptet wird, daß das Erstgericht die Aussage des mittlerweile verstorbenen Zeugen Ernst P***** im ersten Rechtsgang übergangen habe, nach der anläßlich der Promotionsfeierlichkeit der Tochter Andrea die Goldarmkette das einzige (Schmuckstück) gewesen sei, welches seine Gattin damals getragen hatte. Denn Ernst P***** hat die in der Beschwerde angegebene Äußerung nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (S 56) nicht gemacht. Er hat vielmehr deponiert, seine Gattin hätte verschiedene Armbänder, an jenem Abend hätte sie es (ersichtlich gemeint: die Goldarmkette) noch gehabt, am nächsten Tag sei es fortgewesen. Keineswegs aber hat der Zeuge bekundet, seine Gattin hätte an jenem Tag nur dieses eine Armband getragen.

Die weiters behauptete Urteilsunvollständigkeit in bezug auf die Aussage der Zeugin Dorothea P***** im ersten Rechtsgang, wonach sie anläßlich der Promotionsfeierlichkeit bloß ein Armband getragen habe, ist gleichfalls nicht gegeben. Denn diese Zeugin hat keinesfalls ausgesagt, daß sie damals "bloß ein" Armband getragen habe (vgl S 59); vielmehr läßt diese Aussage durchaus die Annahme zu, Dorothea P***** habe damals, wie sie dann in der Hauptverhandlung am 16.Jänner 1992 präziser aussagte, zwei Armbänder getragen (S 161).

Eine Urteilsunvollständigkeit in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO in bezug auf das Faktum A b (Diebstahl der Herrengolduhr Schaffhausen) wird von der Nichtigkeitswerberin in Wahrheit gar nicht behauptet, denn ein derartiger Mangel liegt nur vor, wenn das Gericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen wichtige und in der Hauptverhandlung vorgeführte Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergeht, Widersprüche zwischen den Aussagen der vernommenen Zeugen nicht würdigt oder die seinen Feststellungen widerstreitenden Beweisergebnisse nicht erörtert oder die Gründe nicht angibt, aus denen es diese Beweise nicht für stichhältig erachtet (vgl Foregger-Serini, StPO4, S 367). Sofern die Rechtsmittelwerberin eine Urteilsfeststellung vermißt, seit wann dem Ernst P***** diese Uhr (in der Nichtigkeitsbeschwerde unrichtig: Herrenarmbanduhr - vgl S 23 und 56) abging, ist sie auf die Konstatierung zu verweisen, daß der Genannte am 12.Jänner 1986 das Fehlen dieser Uhr feststellte (US 5). Dem Beschwerdevorbringen zuwider hat das Erstgericht auch festgestellt, daß Ernst P***** die Herrenuhr zuletzt im Dezember 1985 getragen hat (US 5); diese Feststellung wiederum findet in der Aussage der Dorothea P***** volle Deckung (S 162).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) läßt eine prozeßordnungsgemäße Darstellung vermissen: Zum einen, weil sie nach Art einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren unzulässigen Schuldberufung das von den Tatrichtern als erwiesen angenommene alleinige Gelegenheitsverhältnis der Angeklagten zur Tatbegehung in Zweifel zieht und solcherart lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter bekämpft; zum andern weil sie - wie dies für eine gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich wäre - nicht den im Urteil festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht, indem sie

behauptet, der Teilfreispruch sei erfolgt, weil der genaue Zeitpunkt des "Verschwindens dieser Dinge" nicht mehr festgelegt werden konnte (wobei sie negiert, daß bei verständiger Urteilsinterpretation der Freispruch hauptsächlich deswegen erfolgte, weil auch andere Personen, wie Besucher oder Arbeiter als Täter in Frage kamen - vgl US 13),

ins Treffen führt, die Golduhr wäre fünf Monate, nämlich vom August 1985 bis Jänner 1986 im Sekretär verwahrt gewesen (wobei übergangen wird, daß nach den Urteilskonstatierungen Ernst P***** die Uhr letztmals im Dezember 1985 getragen hat - US 5) und

Feststellungen hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des Bereicherungsvorsatzes vermißt (und dabei die Konstatierung negiert, daß die Beschwerdeführerin den Vorsatz hatte, sich durch die Zueignung der drei Schmuckstücke unrechtmäßig zu bereichern - US 12).

Allerdings ist das Ersturteil, wie die Beschwerde insofern zutreffend ausführt, mit einem Begründungsmangel in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO behaftet. Die Tatrichter haben das alleinige Gelegenheitsverhältnis der Nichtigkeitswerberin bezüglich des Diebstahls der zwei Armbänder der Zeugin Dorothea P***** einerseits auf die Aussage dieser Zeugin gestützt, die bekundete, daß sie am Abend nach den Promotionsfeierlichkeiten für ihre Tochter Andrea die beiden aus diesem Anlaß getragenen Armbänder auf ihrem Nachtkästchen ablegte und sie am nächsten Tag vermißte, andererseits auf die Angaben der Zeugin Dr. Andrea P***** gegründet, die bestätigt habe, gewußt zu haben, welchen Schmuck ihre Mutter aus Anlaß ihrer Promotion getragen hatte und daß sie am nächsten Tag von ihrer Mutter verständigt worden sei, daß ihr die Armbänder fehlten (US 9 f).

Mit Recht behauptet die Rechtsmittelwerberin, daß dem gesamten Akteninhalt nach den Angaben der Zeugin Dr. Andrea P***** weder vor der Polizei, noch in beiden bisherigen Rechtsgängen vor Gericht zu entnehmen ist, daß sie wußte, welche Armbänder ihre Mutter aus Anlaß ihrer Promotion getragen habe und daß sie am nächsten Tag von ihrer Mutter verständigt worden sei, daß ihr die Armbänder fehlten.

Diese Aktenwidrigkeit erweist sich als entscheidungswesentlich, weil nicht auszuschließen ist, daß die Tatrichter im Fall, daß die die Angeklagte belastenden Aussagen der Zeugin Dorothea P***** nicht durch ein weiteres Beweismittel gestützt würden, in bezug auf die Täterschaft der Beschwerdeführerin in diesem Faktum zu einem freisprechenden Erkenntnis gekommen wären. Es war demnach der in diesem Punkt zum Vorteil der Nichtigkeitswerberin ergriffenen Beschwerde schon in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hat, im Schuldspruch A a aufzuheben und, weil sich zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, spruchgemäß zu erkennen (§ 285 e StPO iVm Art XX Abs. 4 StRÄG 1987).

Mit ihrer Berufung war Magdalena F***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

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