Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. Jänner 1990 zu zahlen, abgewiesen wird.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 22. Juli 1940 geborene Kläger erlernte den Maurerberuf. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1. Jänner 1990) war er lediglich in den Monaten Jänner bis September 1983 im Krankenhaus St. Pölten beschäftigt. Er wurde vom Arbeitsamt für diese Stelle als Maurer vermittelt. Im Krankenhaus wurde er zunächst der krankenhausinternen Hausmaurerpartie zugeteilt. Er erledigte bei dieser Partie sowie die anderen dort zugeteilten Maurer die anfallenden Maurerarbeiten. Als zum Beispiel einmal ein größerer Estrich hergestellt wurde, verrichtete der Kläger nicht etwa nur untergeordnete Arbeiten, wie das Tragen von Betonkübeln, sondern auch die heiklen Arbeiten, wie etwa das Verreiben des Estrichs. Bei diesen Maurerarbeiten ist der Kläger einmal (nach seiner Aussage bereits nach einigen Tagen) zusammengebrochen. In der Folge bekam er nur mehr leichtere Maurerarbeiten, wie z.B. Verspachteln zugeteilt. Es wurde ihm auch gestattet, sich immer wieder während der Arbeitszeit auszuruhen. Nach einiger Zeit arbeitete er dann allerdings nicht mehr in der Maurerpartie, sondern verrichtete als sogenannter Springer in den verschiedenen Abteilungen des Krankenhauses verschiedene Maurertätigkeiten; teilweise wurde er auch für berufsfremde Arbeiten, wie z.B. das Tragen von Paketen eingesetzt. Der Kläger kann noch alle mittelschweren Arbeiten in der üblichen Arbeitszeit bei üblichen Pausen ausüben. Es sind ihm auch Arbeiten in Nässe und Kälte zumutbar. Seine Fingerfertigkeit reicht für Fein- und Grobmanipulationen. Er ist anlernbar und unterweisbar. Arbeiten an exponierten Stellen und solche mit häufigem Bücken kann er allerdings nicht mehr durchführen.
Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter vom 26. Februar 1990 wurde der Antrag des Klägers vom 21. Dezember 1989 auf Zuerkennung einer Invaliditätspension abgelehnt, da der Kläger nicht invalid sei.
Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage statt und erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger ab 1. Jänner 1990 eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß und eine vorläufige Leistung von S 5.000,-- monatlich zu zahlen. Es ging in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß der Kläger in den letzten 15 Jahren vor der Antragstellung lediglich einige Monate im Krankenhaus St. Pölten gearbeitet hat und in dieser Zeit hauptsächlich Maurerarbeiten verrichtet habe; nur fallweise sei er auch für andere Arbeiten eingesetzt worden. Noch im Jahr 1978 sei er für den Maurerberuf geeignet gewesen. Auf Grund seines nunmehrigen Gesundheitszustandes könne er allerdings diesen Beruf nicht mehr ausüben, weil dabei Arbeiten an exponierten Stellen und solche mit häufigem Bücken berufsbedingt seien. Seine Arbeitsfähigkeit sei also soweit herabgesunken, daß er nunmehr den Maurerberuf nicht mehr ausüben könne. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß er im Jahr 1983 den Maurerberuf allenfalls nur auf Grund eines besonderen Entgegenkommens des Dienstgebers ausüben konnte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Wenn auch der Kläger zum Teil Maurerarbeiten leichterer Natur ausgeführt habe, habe er damit seinen Berufsschutz als Maurer gewahrt. Daran vermöge der Umstand nichts zu ändern, daß ihm zufolge seines angegriffenen Gesundheitszustandes vom Dienstgeber gestattet worden war, sich während der Arbeitszeit immer wieder auszuruhen. Dies ändere nichts an der Qualifikation der Arbeit. Der Berufsschutz als Maurer wäre dem Kläger auch dann nicht verlorengegangen, wenn er seinen Beruf aus Gesundheitsgründen etwa nur halbtägig hätte ausüben können. Die Frage seiner Invalidität sei daher nach § 255 Abs. 1 ASVG zu bejahen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.
Invalidität im Sinne des § 255 Abs. 1 ASVG liegt dann vor, wenn ein Versicherter überwiegend in erlernten (angelernten) Berufen tätig war und seine Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten in jedem dieser Berufe herabgesunken ist. Als überwiegend im Sinn des Abs. 1 gelten solche erlernte (angelernte) Berufstätigkeiten, wenn sie in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt wurden (§ 255 Abs. 2 Satz 2 ASVG). Daß der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag insgesamt nur 9 Beitragsmonate erworben hat, schadet allerdings nicht, weil das Gesetz nicht verlangt, daß der Versicherte die erlernte oder angelernte Berufstätigkeit in mehr als der Hälfte der Kalendermonate während der letzten 15 Jahre ausgeübt haben muß. Daß der Gesetzgeber von Beitragsmonaten spricht, ist kein Versehen: Im § 255 Abs. 2 ASVG wurde erst durch die 25. ASVG-Novelle das ursprüngliche Wort "Versicherungsmonate" durch das Wort Beitragsmonate ersetzt. Nach den Gesetzesmaterialien (225 BlgNR 12.GP 4) wurde befürchtet, daß durch neu eingeführten Ersatzzeiten Versicherte des besonderen im § 255 Abs. 2 ASVG begründeten leistungsrechtlichen Schutzes verlustig gehen könnten (so auch die bisher nicht veröffentlichten Entscheidungen vom 24. März 1992, 10 Ob S 38/92 und vom 7. April 1992, 10 Ob S 129/91 zu der Bestimmung des § 255 Abs. 4 lit. c bzw. § 273 Abs. 3 lit. c ASVG).
Im Fall des Klägers ist also entscheidend, ob er in mehr als der Hälfte der 9 Beitragsmonate, die er 1983 erworben hat, in seinem erlernten Beruf als Maurer tätig war. Damit die Rechtsfolge des § 255 Abs. 1 ASVG eintreten konnte, mußte er dabei eine Arbeitsfähigkeit aufweisen, die zumindest der Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprach, weil sie andernfalls nicht unter diese Hälfte herabsinken konnte. Von einer solchen Arbeitsfähigkeit des Klägers im Jahr 1983 ist aber nach den Feststellungen nicht auszugehen: Der Kläger ist vielmehr - wie er selbst geschildert hat - bereits nach einigen Tagen zusammengebrochen, bekam in der Folge nur mehr leichtere Maurerarbeiten wie z.B. Verspachteln zugeteilt und es wurde ihm insbesondere auch gestattet, sich immer wieder während der Arbeitszeit auszuruhen. Diese Feststellung besagt, daß er im erheblichen Ausmaß zusätzlicher Arbeitspausen bedurfte und von vornherein auf besonderes Entgegenkommen seines Arbeitgebers angewiesen war. Ebenso wenig wie ein Versicherter auf eine Berufstätigkeit verwiesen werden darf, die er nur unter der Voraussetzung eines besonderen Entgegenkommens seines Arbeitgebers verrichten kann (vgl. SSV-NF 2/97, 2/145, 3/107, 4/10, 5/40 ua), kann eine solche nur bei besonderem Entgegenkommen des Arbeitgebers mögliche Tätigkeit als eine Tätigkeit im erlernten Beruf im Sinn des § 255 Abs. 1 ASVG angesehen werden, weil der Kläger bereits damals als Maurer praktisch vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen war, während die Arbeitsbedingungen an seinem konkreten Arbeitsplatz nicht denjenigen am allgemeinen Arbeitsmarkt im Beruf des Maurers entsprachen. Ein Versicherter, dem Berufsschutz als Maurer zukommt und der aus medizinischen Gründen während der üblichen Arbeitszeit immer wieder Pausen zum Ausruhen braucht, kann einer Berufstätigkeit als Maurer unter üblichen Bedingungen nicht mehr nachgehen und gilt daher als invalid. Da der Kläger unter Arbeitsbedingungen tätig war, die dem nicht oder nur teilweise entsprachen, konnte er den Berufsschutz als Maurer durch diese Tätigkeit auch nicht wahren. Es genügt nicht, daß er den Beruf des Maurers erlernte, sondern er mußte ihn in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate nach dem ASVG während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag tatsächlich ausüben. Zur Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach der Berufsschutz selbst dann gewahrt bleibe, wenn aus Gesundheitsgründen der Beruf etwa nur halbtägig ausgeübt worden wäre, braucht nicht Stellung genommen werden, weil der Kläger keine Teilzeitbeschäftigung ausübte. Weiters braucht nicht geprüft werden, ob der Kläger auf Grund seines medizinischen Leistungskalküls nicht etwa in der Lage wäre, die im Jahr 1983 ausgeübte Tätigkeit in ihrer konkreten Ausprägung auch derzeit noch zu verrichten.
Da dem Kläger noch mittelschwere Arbeiten in der üblichen Arbeitszeit bei üblichen Pausen, lediglich unter Ausschluß von Arbeiten an exponierten Stellen und solchen die mit häufigem Bücken verbunden sind, noch zumutbar sind, ist eine Verweisung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach § 255 Abs. 3 ASVG jedenfalls noch möglich; Invalidität könnte der Kläger, wie unstrittig ist, nur unter der Voraussetzung des Berufsschutzes als Maurer geltend machen, der jedoch nicht gegeben ist.
In Stattgebung der Revision waren daher die Urteile der Vorinstanzen im klagsabweislichen Sinn abzuändern.
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