OGH 7Ob565/92

OGH7Ob565/9211.6.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede D*****, vertreten durch Dr. Rupert Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Helga M*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Paumgartner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Übergabe eines Bestandobjektes, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 27. Februar 1992, GZ 21 R 336/91-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hallein vom 6. September 1991, GZ 4 C 194/91-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.175,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 362,56 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Liegenschaft EZ ***** mit dem Haus K***** steht im real geteilten Eigentum. Die Klägerin ist Eigentümerin des materiellen Anteiles B, der Wohnung im 1. Stock links vorne. Die Beklagte ist Mieterin dieser Wohnung mit schriftlich vereinbartem unbedingten Endtermin und einer fünf Jahre nicht übersteigenden Vertragsdauer. Strittig ist, ob § 29 Abs 1 Z 3 lit. b MRG auf eine Wohnung, an der Stockwerkseigentum besteht, analog angewendet werden kann.

Das Erstgericht bejahte diese Frage und erklärte demgemäß den Auftrag an die Beklagte zur Übergabe des Bestandgegenstandes als wirksam.

Das Berufungsgericht bestätigte. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig ist.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 29 Abs 1 Z 3 lit. b MRG wird der Mietvertrag durch Zeitablauf aufgelöst, wenn, ohne Vorliegen der Voraussetzungen nach lit. a, in einem Hauptmietvertrag über eine Wohnung, an der Wohnungseigentum besteht, schriftlich vereinbart worden ist, daß er durch den Ablauf der bedungenen Zeit ohne Kündigung erlischt und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer fünf Jahre (nunmehr zehn Jahre) nicht übersteigt. Vorläufer dieser Bestimmung war der § 23 MG. Ziel der Ausnahmeregelung des § 23 MG war eine Entlastung des allgemeinen Wohnungsmarktes. Hiezu sollten jene Mietvertragstypen begünstigt werden, bei denen das Begehren des Vermieters nach einer nur vorübergehenden und kurzfristigen Vermietung geradezu typisch ist, wie bei Eigentumswohnungen, weil sie in der Regel zur Befriedigung des eigenen Bedürfnisses errichtet wurden (500 BlgNR 11. GP 11). In Ansehung von Eigentumswohnungen war eine wesentliche Änderung durch das Mietrechtsgesetz nicht beabsichtigt (vgl. die Erl.Bem.zur Regierungsvorlage in Derbolav, Mietrechtsgesetz 254). Es ist daher davon auszugehen, daß Zeitmietverträge mit ursprünglicher oder verlängerter Vertragsdauer von höchstens fünf Jahren (nunmehr zehn Jahren) sämtliche Eigentumswohnungen erfassen, und zwar unabhängig vom Baualter des Gebäudes (Call, MRG und Wohnungseigentumsgesetz in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 621, 609; Assem, Der befristete Mietvertrag im Mietrechtsgesetz in ImmZ 1981, 368).

Als Ausnahmeregelung ist § 29 Abs 1 Z 3 lit. b MRG zwar streng auszulegen (vgl. MietSlg. 26.345), dies schließt jedoch eine Analogie nicht grundsätzlich aus. Eine entsprechende Anwendung einer Ausnahmevorschrift ist so weit möglich, als der Rahmen der engeren ratio der Ausnahmeregel eingehalten wird (Koziol-Welser8 I 26; SZ 52/148 ua). Wie schon das Berufungsgericht eingehend und zutreffend dargelegt hat, diente das Stockwerkseigentum an Wohnungen der Befriedigung desselben Bedürfnisses wie die Eigentumswohnung (vgl. Klang in Klang2 III 1129;

Faistenberger-Barta-Call, Kommentar zum WEG 35). Die Rückkehr zu der althergebrachten und für Laien auch leichter verständlichen Form des Stockwerkseigentums (Faistenberger-Barta-Call aaO) wurde bei Schaffung des Wohnungseigentumsgesetzes lediglich deshalb abgelehnt, weil sie dem österreichischen Rechtssystem widerspricht und als notwendige Kreditbasis nicht in Betracht kommt (vgl. Fuchshuber, Das Stockwerks- und Wohnungseigentum in NZ 1950, 110). Letzteres ändert aber daran nichts, daß die Erwägungen, die der Ausnahmeregelung des § 23 MG zugrundeliegen, auch für Wohnungen im Stockwerkseigentum zutreffen. Daß auf sie im Gesetz nicht Bedacht genommen wurde, erklärt sich ganz offensichtlich daraus, daß Stockwerkseigentum nicht mehr neu begründet werden kann; es ist aber in den Alpenländern von alters her verbreitet (Klang aaO 1128). Nach der Wertung des Gesetzes liegt somit eine planwidrige Unvollständigkeit vor. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß § 29 Abs 1 Z 3 lit. b MRG auf Wohnungen im Stockwerkseigentum analog anzuwenden ist, ist daher zu billigen.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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