OGH 2Ob517/92

OGH2Ob517/9227.5.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma F***** & Co Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Max Dengg, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dr. Herbert K*****, vertreten durch Dr. Hansjörg Schweinester, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 56.450,90 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18. Juni 1991, GZ 1 R 116/91-30, womit infolge Berufung klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. Jänner 1991, GZ 8 Cg 124/90-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

In Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichtes wird das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei an Kosten des Rechtsmittelverfahrens den Betrag von S 12.362,18 (einschließlich S 1.250,36 Umsatzsteuer und S 4.800,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist konzessionierter Sonderabfallsammler und Sonderabfallbeseitiger; sie ist auch zur Beseitigung des Sonderabfalles mit der Schlüssel Nr. 54.408 (Öl-Wasser-Gemische) aus dem Sonderabfallskatalog der ÖNorm S 2100 mit Erlaubnis des Landeshauptmannes von Tirol nach § 11 SAG berechtigt. Der Beklagte ist Eigentümer des in einer Bodenmulde in *****, befindlichen Hauses.

Am 15. 2. 1990 wurde der Keller dieses Hauses zufolge starker Regenfälle überschwemmt. Das Wasser drang auch in den fensterlosen Öllagerraum des Hauses ein. Dort hatte der Beklagte 5 Heizöltanks aus Kunststoff untergebracht, die zusammen ein Fassungsvermögen von etwa 7.500 l aufwiesen und mit mindestens

2.500 l Heizöl gefüllt waren. Die Tanks konnten nicht mehr rechtzeitig evakuiert werden. Das eingedrungene Wasser hob sie vom Boden auf. Im Verlaufe des Tages wurden im Zuge dieser Lageänderung die Füll- und Entlüftungsleitungen abgerissen. Das in die Plastiktanks eindringende Wasser drückte Heizöl heraus. Dies blieb vorerst unentdeckt. Der Feuerwehr gelang es, den Wasserpegel, welcher bereits die Kellerdecke erreicht hatte, abzupumpen. Das abgepumpte Wasser gelangte dadurch in das Gemeindekanalnetz. Am Abend wurde der Ölfilm entdeckt. Die Feuerwehr stellte das Abpumpen ein, sodaß der Wasserpegel im Keller wieder stieg. Der Feuerwehrinspektor hielt die Anforderung einer Entsorgungsspezialfirma für notwendig und wandte sich an die Berufsfeuerwehr Innsbruck um einen Absaugwagen. Gegen 20 Uhr wurde die klagende Partei von der Berufsfeuerwehr Innsbruck angerufen. Um 21,30 Uhr kamen 2 Männer mit dem 8.500 l fassenden Absaugtankwagen, um das Öl-Wasser-Gemisch abzusaugen. Der Keller hatte sich in der Zwischenzeit wieder gefüllt. Bis nach Mitternacht wurden in zwei Fahrten insgesamt 17.000 l abgesaugt und zur Zwischenlagerung auf das Betriebsgelände der klagenden Partei in ***** gebracht. Am nächsten Tag wurden weitere 6.500 l und später noch 3.200 l abgesaugt.

Die klagende Partei stellte insgesamt S 101.140,80 in Rechnung. Hievon bezahlte der Beklagte lediglich S 40.546,- für Leistungen nach dem 15. 2. 1990. Die den 15. 2. 1990 betreffenden Rechnungspositionen im Gesamtbetrag von S 56.450,90 bezahlte er nicht.

Die klagende Partei begehrte die Zahlung dieses Betrages mit der Begründung, daß zwischen den Streitteilen ein Auftrag zustande gekommen sei; zumindest liege eine Geschäftsführung ohne Auftrag vor. Durch die nachfolgende Zahlung der Leistungen vom 16. 2. und 19. 2. 1990 habe der Beklagte auch die vom 15. 2. 1990 genehmigt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er wendete im wesentlichen ein, daß der Ölfilm nur eine Dicke von 1 cm aufgewiesen habe und nur die Beseitigung dieses dünnen Ölfilmes notwendig gewesen wäre. Dies hätte der klagenden Partei als Spezialfirma klar sein müssen. Der Beklagte sei daher nur für den notwendigen und zweckmäßigen Aufwand aufgekommen, soweit es sich um eine Geschäftsführung im Notfall und ohne Auftrag gehandelt habe. Der Beklagte sei am 15. 2. 1990 wegen der Notsituation in seinem Hause konsterniert gewesen. Der klagenden Partei sei es möglich gewesen, rechtzeitig die Zustimmung des Beklagten einzuholen, weshalb kein Notfall vorliege.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 44.015,40 sA statt und wies ein Mehrbegehren von S 12.435,50 sA ab. Es stellte zusätzlich zum oben wiedergegebenen Sachverhalt fest, daß der Feuerwehrinspektor die Einwilligung des Beklagten nicht einholte und dieser auch nicht zugegen war, als er mit Funkgerät bei der Berufsfeuerwehr anrief. Der Beklagte machte dem Feuerwehrinspektor jedoch keine Vorwürfe. Er hielt ihm nicht vor, daß er von seiner Kompetenz her nicht befugt sei, eine Entsorgungsfirma zu bestellen. Der Beklagte erklärte auch nicht sein ausdrückliches Einverständnis, als gegen 21,30 Uhr der Tankwagen der klagenden Partei erschien und die beiden Arbeiter mit dem Absaugen begannen. Der Geschäftsführer der klagenden Partei nannte dem Beklagten einen Preis von S 2,70/l für die Entsorgung. Der Beklagte erklärte, er müsse sich der Behörde fügen. Ortsangemessen war damals ein Entsorgungspreis pro Liter von netto S 2,-, was dem Beklagten allerdings nicht bekannt war.

Als die klagende Partei mit den Absaugarbeiten begann, überschritt die oberste Schichte ("Konzentration" nach § 33 a Z 5 WRG neu) der Flüssigkeit den zulässigen Grenzwert bei weitem. Das bis an die 2,5 m hohe Kellerdecke reichende Wasser hatte sich immer noch nicht beruhigt. Möbel und andere Gegenstände schwammen darin herum. Eine exakte Analyse, inwiefern das Absaugen der jeweils oberen Schichte den Ölgehalt reduzierte, war kurzfristig nicht möglich. Es ist gut möglich, daß der Grenzwert (20 mg Kohlenwasserstoff/l) noch immer nicht unterschritten war, als in der Nacht vom 15. 2./16. 2. 1990 der Tankwagen der klagenden Partei das zweite Mal (also beim Erreichen der Masse von 16.000 l) vollgefüllt war.

Als angemessene Schlußrechnung wurde ein Betrag von S 44.015,40 festgestellt.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß die klagende Partei für den Beklagten den zur Gefahrenbeseitigung erforderlichen Aufwand gemacht habe und daher gemäß § 1042 ABGB dafür Ersatz begehren könne. Der Beklagte habe für die Entsorgung derartiger Sonderabfälle den ortsüblichen und angemessenen Preis von S 44.015,40 sA zu bezahlen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht, hingegen jener des Beklagten Folge, wies das gesamte Klagebegehren ab und ließ die ordentliche Revision zu. Es verwies rechtlich darauf, daß eine ausdrückliche oder stillschweigende Auftragserteilung des Beklagten an die klagende Partei zufolge der festgestellten Erklärung, "er müsse sich eben der Behörde fügen", nicht angenommen werden könne. Die klagende Partei könne sich auch nicht auf einen Notfall im Sinn des § 1036 ABGB stützen, weil sie rechtzeitig die Zustimmung des Beklagten hätte einholen können. Entscheidend sei, daß die Freiwillige Feuerwehr von ***** beim Beklagten im Zuge eines Katastropheneinsatzes, somit als Hilfsorgan der Gemeide tätig wurde. In Katastrophenfällen sei der örtlich zuständige Bezirks-Feuerwehrinspektor als Beauftragter der Bezirksverwaltungsbehörde berechtigt, die Leitung der Lösch- und Bergungsarbeiten zu übernehmen. Bei Abwesenheit des Bürgermeisters sei der Kommandant der eingesetzten Feuerwehrkräfte auch berechtigt, die dem Bürgermeister nach anderen landesgesetzlichen Bestimmungen zustehenden Befugnisse auszuüben, soweit dies zur unmittelbaren Abwendung der Gefahr notwendig erscheint. Diese Organe der Feuerwehr seien somit bei Erfüllung ihrer Aufgabe "in Vollziehung der Gesetze" tätig und als Staatsorgane anzusehen. Daß der Einsatz der Feuerwehr ***** und letztlich die von der Feuerwehr gesetzten Maßnahmen als Rettungs- und Hilfsmaßnahmen im Sinne des § 1 Abs 5 des Katastrophen-Hilfsgesetzes, LGBl 74/5, anzusehen sind, könne nicht zweifelhaft sein; dies ergebe sich auch aus § 6 des genannten Gesetzes. Aus Abs 4 dieser Bestimmung ergebe sich aber auch die Pflicht des Beklagten, die vom Bezirks-Feuerwehrinspektor angeordnete Maßnahme zu dulden, weil der Bürgermeister bzw dessen Stellvertreter zum Zeitpunkt der Anforderung der klagenden Partei und zu Beginn der von ihr vorgenommenen Abpumparbeiten nicht anwesend waren. Es sei daher davon auszugehen, daß der Bezirks-feuerwehrinspektor mit seinem Auftrag an die klagende Partei in Ausübung seiner ihm übertragenen Befugnis in Vollziehung der Gesetze handelte und auch handeln wollte, was auch der klagenden Partei im Hinblick auf die Katastrophensituation in der Gemeinde ***** auf Grund der Überschwemmungen klar sein mußte. Sie habe daher für die von ihr gesetzten Maßnahmen nur einen Anspruch gegen den Rechtsträger des handelnden Organs, nicht aber gegen den Beklagten.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben oder sie zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die klagende Partei stellt sich primär auf den Standpunkt, daß der Beklagte sie mit den Abpumparbeiten beauftragt habe. Davon abgesehen bestehe jedoch ein im Rechtsweg durchsetzbarer Anspruch nach § 1042 ABGB auch dann, wenn die gesetzliche Verpflichtung zum Aufwand öffentlich-rechtlicher Natur war. Dazu war zu erwägen:

Dem Berufungsgericht ist zu folgen, daß die Freiwillige Feuerwehr ***** beim Beklagten gemäß § 1 Abs 1 lit a Tiroler Landes-FeuerwehrG 1970 idF LGBl 1987/50 im Zuge eines Katastropheneinsatzes tätig war. Gemäß § 24 Abs 5 des genannten Gesetzes war der Kommandant der eingesetzten Feuerwehrkräfte berechtigt, die zur unmittelbaren Abwendung von Gefahren erforderlichen Maßnahmen für den nicht anwesenden Bürgermeister zu setzen. Dazu gehörte gemäß § 1 Abs 5 lit b KatastrophenhilfsdienstG 1973 die Bekämpfung der Katastrophe durch alle sinnvollen Maßnahmen, die geeignet waren, deren unmittelbare Auswirkungen zu beschränken. Demnach war auch die Heranziehung der klagenden Partei als organisiertes Unternehmen zur Beseitigung von Sonderabfällen im Zuge von Katastrophen im Sinne des § 6 des Katastrophenhilfsdienstgesetzes zur Abwendung der unmittelbar drohenden Gefahren für das Grundwasser im Sinne des § 24 Abs 5 letzter Satz des Landes-FeuerwehrG berechtigt.

Parallel zu diesen der Feuerwehr und dem Bürgermeister eingeräumten Befugnisse besteht aber auch die Verpflichtung der davon Betroffenen, den angeordneten Maßnahmen nicht tatenlos gewissermaßen als Zuschauer in eigener Sache beizuwohnen: Gemäß § 31 Abs 1 WRG hat vielmehr jedermann, dessen Anlagen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, diese mit der besonderen Sorgfalt des § 1299 ABGB so instandzuhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird. Gemäß Abs 3 der genannten Bestimmung hat die Wasserrechtsbehörde und letztlich der Bürgermeister erst dann, "wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, die erforderlichen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den (primär) Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen".

Unabhängig vom Einschreiten des Feuerwehrinspektors an Ort und Stelle wäre gemäß § 31 Abs 2 WRG auch der Beklagte selber verpflichtet gewesen, "unverzüglich die zur Vermeidung einer Wasserverunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen" und sich - da sich keine sinnfällige Alternative bot - an ein Ölentsorgungsunternehmen zu wenden, um die Gefahr der Gewässerverunreinigung so rasch wie möglich zu bannen (vgl SZ 60/235 ua). Sein Verhalten entsprach zwar nicht der ihn treffenden gesetzlichen Verpflichtung zu aktivem Tun im dargestellten Sinn; immerhin ließ er es aber ohne weiteres zu, daß das ölhaltige Wasser in seinem Keller von zwei Arbeitern der klagenden Partei mittels Tankwagen abgesaugt wurden und erklärte lediglich im Zusammenhang mit der Nennung eines Preises für die Entsorgung, daß er sich der Behörde fügen müsse. Nach Treu und Glauben kommt es aber nicht darauf an, welchen Standpunkt der Beklagte für sich selbst einnahm, sondern darauf, wie sein Verhalten und die dieses begleitenden Umstände in ihrer Gesamtheit von einem redlichen Partner verstanden werden können; bei der Interpretation seines Verhaltens hat man daher festzustellen, welche Umstände aus der Sicht des Empfängers auf welche Erklärungsbedeutung schließen lassen (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 863).

Diese sprechen aber eindeutig dafür, daß die klagende Partei - worauf sie sich in ihrer Revision somit zu Recht beruft - die Verständigung zum Einschreiten durch den Feuerwehrinspektor fraglos als Akt der gesetzlich vorgesehenen und berechtigten Hilfeleistung für den Beklagten ansehen mußte, da ja die Entsorgungsarbeiten in dem Haus des Beklagten, in seiner Gegenwart und mit seiner Billigung erfolgten. Unabhängig davon, ob sich die Parteien der gesetzlichen Lage über die Pflicht zur Gefahrenbeseitigung bewußt waren oder nicht, stand für beide Teile die sofortige Bereinigung der katastrophalen Lage, in der sich der Keller des Beklagten und sein Inhalt befanden sowie die Unterbindung der Verseuchung der umliegenden Gewässer durch das im Keller des Beklagten angesammelte Öl-Wasser-Gemisch im Vordergrund, daß die Entsorgung aber letztlich vom Beklagten zu bezahlen sein werde, mußte für beide Teile fraglos feststehen, weil Fremdverschulden ausschied und das Absaugen des Kellers im Ergebnis allein dem Beklagten zugutekam.

Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Falles kann daher der Erklärung des Beklagten, "er werde sich der Behörde fügen", nur die ihr tatsächlich zukommende, oben dargestellte Bedeutung einer den Preis der Entsorgung treffenden Einschränkung der im übrigen durchaus gegebenen Billigung der Arbeiten der klagenden Partei zugemessen werden. Wäre er mit der Durchführung der Entsorgungsarbeiten durch die klagende Partei nicht einverstanden gewesen, hätte er dies nach den Umständen des Falles deutlich zum Ausdruck bringen müssen; erst eine solche Erklärung hätte die weiteren gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen mit den vom Berufungsgericht behandelten Fragen ihrer Kostentragung ausgelöst. Da aber zwischen der klagenden Partei und dem Beklagten ein privatrechtliches Auftragsverhältnis zustandekam, und dieses nach den dargelegten Erwägungen auf der Grundlage der als angemessen festgestellten Preise zu beurteilen war, mußte das berufungsgerichtliche Urteil abgeändert und die Entscheidung des Erstgerichtes als im Ergebnis richtig wiederhergestellt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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