OGH 6Ob638/91

OGH6Ob638/9114.5.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der israelischen Staatsbürgerin Mija M*****, verstorben am 12. Jänner 1991, zuletzt wohnhaft gewesen in ***** Wien, ***** infolge Revisionsrekurses der Erbin Eleonore R*****, Pensionistin, ***** Zagreb, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 12. September 1991, GZ 43 R 506/91-24, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 12. Juli 1991, GZ 6 A 45/91-17, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Verstorbene war israelische Staatsangehörige und hatte ihren Wohnsitz in Österreich. Mit der letztwilligen Verfügung vom 24. März 1988 setzte sie ihre Nichte, die nunmehrige Rechtsmittelwerberin, zur Erbin ihres beweglichen und unbeweglichen Nachlasses ein und hielt fest, daß sie an unmittelbaren Nachkommen nur eine Enkelin, die Tochter ihres vorverstorbenen Sohnes aus erster Ehe, hinterlasse. Da sie israelische Staatsbürgerin mit ständigem und einzigem Wohnsitz in Österreich sei, bestünden nach dem für sie als Heimatrecht maßgeblichen israelischen Recht keine Pflichtteilsansprüche. Die Erblasserin vermachte ihrer Enkelin ihren gesamten Schmuck und alle Silbersachen.

Die berufene Erbin gab aufgrund des Testamentes die unbedingte Erbserklärung ab. Die Enkelin der Erblasserin machte mit der Begründung, nach den österreichischen und israelischen Kollisionsnormen sei letztlich österreichisches Recht anzuwenden, Pflichtteilsansprüche geltend und begehrte die Schätzung und Inventarisierung des Nachlasses. Die Erbin bestritt dieses Begehren mit dem Vorbringen, es sei israelisches Erbrecht anzuwenden, nach welchem der Enkelin kein Pflichtteilsanspruch zustehe.

Das Erstgericht hat mit Beschluß vom 12. Juli 1991 1.) eine Bevollmächtigung zur Kenntnis genommen, 2.) die von der Enkelin abgegebene Erklärung, ihren gesetzlichen Pflichtteilsanspruch geltend zu machen, zur Kenntnis genommen, 3.) der Enkelin als Noterbin antragsgemäß die Schätzung und Inventarisierung des gesamten Nachlasses bewilligt und hiezu die Übermittlung der Akten an den Gerichtskommissär verfügt, 4.) eine weitere Bevollmächtigungsanzeige zur Kenntnis genommen, 5.) die von der Rechtsmittelwerberin abgegebene Erbserklärung unter Erbrechtsanerkennung zu Gericht angenommen und 6.) einen Entscheidungsvorbehalt getroffen. Eine Begründung enthält der Beschluß nicht.

Das Rekursgericht gab dem gegen die Punkte 2.) und 3.) dieses Beschlusses erhobenen Rekurs der Erbin keine Folge. Es führte rechtlich aus, das Erbstatut des § 28 IPRG umfasse auch das gesamte Noterb- und Pflichtteilsrecht und unterstelle die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Personalstatut des Erblassers im Todeszeitpunkt, wobei Rück- und Weiterverweisungen zu beachten seien. Das israelische Erbgesetz verweise bei seiner ersten Berührung in seinem § 137, welcher an das Recht des Wohnsitzes des Erblassers zur Zeit seines Todes anknüpfe, auf das österreichische Recht zurück. Zu einer neuerlichen Rückverweisung und damit zur Anwendung des § 142 israelisches Erbgesetz (welcher ungeachtet der vorangehenden Bestimmungen die Anwendung israelischen Rechtes normiert, wenn die Kollisionsnorm des ausländischen Staates auf israelisches Recht verweist), komme es gemäß § 5 IPRG nicht. Durch diese Bestimmung werde jede Rückverweisung in eine Sachnormverweisung umgedeutet. Damit sei österreichisches Erbrecht und Pflichtteilsrecht anzuwenden.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu Verweisungsfragen, bezogen auf das israelische Erbrecht, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Dem Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß zum Erbstatut des § 28 Abs 1

IPRG - vorbehaltlich des § 28 Abs 2 und des § 32 IPRG - auch das gesamte Noterb- und Pflichtteilsrecht gehören (SZ 59/205 ua) und daß die Anknüpfung des § 28 Abs 1 IPRG an das Personalstatut des Erblassers unter Einschluß von Rück- und Weiterverweisungen zu verstehen ist (§ 5). Erklärt das fremde IPRG sein eigenes Recht für maßgeblich, so ist das betreffende fremde Sachrecht anzuwenden. Verweist die fremde Rechtsordnung hingegen im Wege einer Gesamtverweisung auf die österreichische Rechtsordnung zurück, so sind nach § 5 Abs 2 IPRG unmittelbar die österreichischen Sachnormen (Rechtsnormen mit Ausnahme der Verweisungsnormen) anzuwenden. Das österreichische Sachrecht kommt auch dann zum Zug, wenn das fremde Kollisionsrecht bei Jurisdiktion seiner Gerichte einseitig nur sein eigenes Sachrecht beruft. Das maßgebliche Sachrecht wird ausgehend vom eigenen IPR grundsätzlich von der ersten Verweisung bestimmt, die neue Sachnormverweisung ist oder die im Falle einer Gesamtrückverweisung gemäß § 5 Abs 2 IPRG in eine solche umgedeutet wird. Ausschlaggebend ist demnach die erste Sachnorm- oder Rückverweisung (vgl. Schwimann in Rummel, Rz 6 bis 8 zu § 5 IPRG).

Während § 28 IPRG an das Personalstatut anknüpft, bestimmt das israelische Erbgesetz in seinem 7. Abschnitt (Internationales Privatrecht) in seinem § 137 (Rechtswahl), daß auf die Erbschaft das Recht des Wohnsitzes des Erblassers zur Zeit seines Todes Anwendung findet, soweit nicht in den §§ 138 bis 140 etwas anderes bestimmt ist. Es geht somit vom Wohnsitzprinzip als erstem Anknüpfungspunkt aus, soweit nicht das Sonderstatut der belegenen Sache (§ 138) der Testierfähigkeit (§ 139) und der Testamentsform (§ 140) etwas Abweichendes bestimmen (Ferid-Firsching, Internationales Erbrecht Grdz C Israel 140/24). Diese Rückverweisung auf österreichisches Recht führt entsprechend § 5 Abs 2 IPRG zur Anwendung österreichischen Rechtes.

Unter der Überschrift "Verweisung ausländischen Rechtes auf ein anderes Recht" bestimmt § 142 des israelischen Erbgesetz:

"Ungeachtet der Vorschriften dieses Gesetzes soll, wenn das Recht eines Staates Anwendung findet und dieses Recht auf ein anderes Recht verweist, diese Verweisung nicht beachtet werden, sondern es soll das interne Recht dieses Staates Anwendung finden; verweist jedoch das Recht dieses Staates auf das israelische Recht, so soll die Verweisung beachtet werden und das interne israelische Recht Anwendung finden." Der Ansicht der Rechtsmittelwerberin, daß die allgemeine Verweisungsbestimmung des § 137 des israelischen Erbgesetzes unter den in § 142 enthaltenen Voraussetzungen nicht anwendbar sei, letzterer Bestimmung daher Vorrang zukomme, kann nicht beigepflichtet werden. Schon nach der Überschrift und Einordnung und auch nach dem Wortlaut ist darin - ebenso wie im § 5 IPRG - nur der Abbruch der Rück- und Weiterverweisung durch die gemäß §§ 137 bis 140 ermittelte fremde Rechtsordnung zu erblicken. Hat ein Erblasser seinen letzten Wohnsitz in einem Land außerhalb Israels gehabt, so ist das Recht dieses Landes auf die Erbfolge anzuwenden. Verweist das Recht dieses Landes zurück auf israelisches Recht und dies ist, wenn der Erblasser israelischer Staatsbürger war, der Fall bei Ländern, deren IPR an die Staatsangehörigkeit anknüpft, so ist diese Rückverweisung zu beachten (Ferid-Firsching aaO 140/25). Dies bedeutet aber nur, daß bei Zuständigkeit eines israelischen Gerichtes dieses, ebenso wie ein zuständiges österreichisches Gericht nach § 5 IPRG, das maßgebliche Sachrecht ausgehend vom eigenen IPR nach der ersten Rückverweisung anzuwenden hat. Bei der so geregelten Bevorzugung des jeweils inländischen Sachrechtes ist eine Rechtsanwendungsgleichheit bei Gesamtrückverweisungen nicht erreichbar "gleichviel, bei welchem Staat man das Ping-Pong-Spiel abbricht" (Schwimann aaO), vielmehr kann es, wenn sich Nachlaßvermögen im Inland und im Ausland befindet, sogar zu einer Nachlaßspaltung in der Weise kommen, daß auf verschiedene Teile des Nachlasses ein und derselben Person infolge Verschiedenheit des darauf anzuwendenden Rechtes ein verschiedenes rechtliches Schicksal haben können (vgl. hiezu ZfRV 1987, 275 und 278).

Eine aus dem favor testamenti abgeleitete freie Rechtswahl des Testators zur Vermeidung von nach kollisionsrechtlichen Normen anzuwendenden nicht abdingbaren Gesetzesbestimmungen über den Pflichtteil bei testamentarischer Erbfolge kommt nicht in Betracht, denn diese zwingenden Bestimmungen haben gerade den Zweck, die Grenzen der Testierfähigkeit festzulegen. So finden sich, wie die Rechtsmittelwerberin selbst aufgezeigt hat, in der Lehre sogar Auseinandersetzungen mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Fehlen jedes Pflichtteilsrechtes in anzuwendenden ausländischen Sachnormen gegen den ordre public verstoßen können.

Die Vorinstanzen sind daher zutreffend von der Anwendung österreichischen Rechtes ausgegangen. Dem Revisionsrekurs war ein Erfolg zu versagen.

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